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Personal > Meinung

Bahnstreik: Ungerecht, unangemessen, unaufrichtig

Der Güterverkehr steht still und Unternehmen kommen nicht mehr an ihre mit der Bahn gelieferte Ware. Bis Freitag fallen drei von vier Fernzügen aus und nicht nur Urlaubsreisende müssen zu Hause bleiben.

Deutschland hat ein Arbeitsrecht, das als letztes Mittel den Streik vorsieht. Wenn nichts anderes mehr hilft, sollen Arbeitnehmer ihren Forderungen per Ausstand Nachdruck verleihen können. Doch zum Glück haben wir auch Meinungsfreiheit und deswegen lässt sich der Streik, den die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) gerade angezettelt hat, auch freimütig so bewerten: Er ist ungerecht, unangemessen und unaufrichtig.

Ungerecht ist er, weil er wie jeder Streik in einer öffentlichen Einrichtung, diejenigen in Geiselhaft nimmt, die am wenigsten dafürkönnen. Egal, ob das Kita-Personal streikt, ob die Flughafen-Lotsen Bummeldienst machen oder eben die Lokführer den Aufstand proben: Jedes Mal trifft es nicht nur die Arbeitgeber, sondern hunderttausende von Kunden, die bei einem Streik der Lokführer nicht in die Ferien, nicht zur Arbeit oder nicht zu ihren Familien und Freunden kommen. Es wird sozusagen über Bande gestreikt: Weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich nicht auf gütlichem Wege einigen können, nimmt eine Seite diejenigen ins Visier, für die die ganze Veranstaltung eingerichtet ist: die Kunden. Die Kalkulation: Die Verzweiflung der Eisenbahnreisenden und Adressaten der Güterlieferungen wird so groß, dass sie Druck auf den Arbeitgeber entfachen, endlich kleinbeizugeben. Das ist niemals gerecht, aber oft sehr wirksam.

Unangemessen ist der Streik der Lokführer, weil damit das Führungspersonal des am schlechtesten gemanagten Unternehmens in Deutschland in die selbstgewählte Pause geht. Die Bahn ist chronisch defizitär und ärgerlich unzuverlässig. Während beispielsweise die Lufthansa in der Pandemie die Notlandung einleitete, hat die Bahn die Notbremse hängen lassen. Sie hat es als einziges stark von der Corona-Krise betroffenes Unternehmen nicht für nötig befunden, ihre teuren Leistungen der eingebrochenen Nachfrage anzupassen, sondern monatelang heiße Luft transportiert. Sie hat es über Jahrzehnte nicht so wie Post und Telekom geschafft, ein erfolgreiches Unternehmen mit kleinem Staatsanteil zu werden, sondern sie ist ein erfolgloses Unternehmen mit großem Staatsanteil geblieben. Sie fährt monströse Verluste ein und muss nun auch noch Milliarden für den Wiederaufbau nach der Flutkatstrophe ausgeben. Kein anderes Unternehmen außer einem staatlichen mit seinen niemals versiegenden Finanzquellen könnte einen Streik in so einer Situation aushalten. Ihn unangemessen zu nennen, ist noch ein harmloses Wort.

Und unaufrichtig ist dieser Arbeitskampf zu allem Überfluss auch noch. Es ist das Recht jedes Arbeitnehmers, um den nach seiner Meinung angemessenen Lohn zu kämpfen. Doch darum geht es der Gewerkschaft der Lokführer gar nicht. Die Forderungen der Lokführergewerkschaft und die Angebote der Arbeitgeber liegen lächerlich eng zusammen. Die GDL hat ein anderes Interesse: Im Konzern tobt der Machtkampf zwischen der GDL und der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Er ist entbrannt, weil der Gesetzgeber auch bei der Bahn vorsieht, dass nur noch der Tarifvertrag der jeweils größten Gewerkschaft zur Anwendung kommt. Der GDL droht also der Absturz in die Bedeutungslosigkeit. Solange sie noch Macht hat, versucht sie, mit Aktionen wie dem aktuellen Streik der größeren Konkurrenz die Mitglieder abspenstig zu machen. Darüber verliert GDL-Chef Klaus Weselsky aber freiwillig kein Wort. Aufrichtigkeit geht anders.

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