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Personal > Debatte zwischen Bayrischer Landesbank und Volksbanken

Bank stoppt Ausbildung – Vorstand fällt beinahe das Handy in den Kaffee

Die Bayerische Landesbank kündigt an, künftig keine Bankkaufleute mehr auszubilden. Der Beruf sei unattraktiv und werde so nicht mehr gebraucht. Ein Volksbankenvorstand hält dagegen: „Junge Menschen auszubilden ist eine gesellschaftliche Verantwortung“, sagt er. Die Debatte spitzt sich zu.

Volksbankenvorstand Lars Witteck ist weiterhin der Meinung, es sei wichtig, Bankkaufleute auszubilden. Foto: Volksbank Mittelhessen

Die Ankündigung ist ein paar Tage alt, doch sie funktioniert wie eine Bombe mit Zeitzünder: Am Anfang tickt sie nur, am Ende können die Auswirkungen der Explosion dennoch verheerend sein. Der Mann, der die Bombe gezündet hat, heißt Benedikt Haas. Er ist Personalvorstand der Bayerischen Landesbank und damit für die Menschen verantwortlich, die in diesem Spitzeninstitut der Sparkassenorganisation arbeiten. Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kündigte Haas in der vergangenen Woche an, die Ausbildung künftiger Bankkaufleute im nächsten Jahr auslaufen lassen. „Zum einen sind Recruiting und Betreuung dieser Auszubildenden sehr aufwändig, und viele verlassen uns am Ende trotzdem, um doch noch zu studieren", sagte BayernLB-Personalchef. Zum anderen entspreche diese Ausbildung mit ihrem Fokus auf das Privatkundengeschäft und den Filialbetrieb nicht mehr dem Bedarf der Bank. Damit war die Lunte gelegt.

Ein paar Tage passierte nichts, bis Lars Witteck über die Meldung stolperte: „Beim Lesen dieser Nachricht ist mir beinahe mein Handy in den Kaffee gefallen“, schreibt der Vorstand der Volksbank Mittelhessen. Witteck war einst CDU-Politiker und Regierungspräsident in Gießen, bevor er Bankmanager wurde. Er weiß also, wie man Debatten auch politisch führt und legt entsprechend los: Überall herrsche ein Mangel an Fachkräften und die Anzahl der Auszubildenden sinke seit Jahren. „Junge Menschen auszubilden, sehe ich als unsere gesellschaftliche Verantwortung an“, lautet seine Kernthese.

Hintergrund der Kontroverse, die inzwischen munter auf Social-Media-Kanälen tobt ist, dass tatsächlich die klassischen Kundenkontakte im Zuge der Digitalisierung des Bankgeschäfts deutlich abgenommen haben. Die Folge ist, dass Banken ihre Filialen schließen und sich das Berufsbild des Bankkaufmanns oder der Bankkauffrau wandelt: Der Nutzen der einst hoch angesehenen Ausbildung steht in Frage, zumal sie häufig als praxisbezogene Vorstufe für eine akademische Weiterbildung genutzt wurde. Ein Wandel der Bildungspolitik führt zusätzlich dazu, dass viele Schulabsolventen gleich die akademische Laufbahn einschlagen. Laut Statistischem Bundesamt gab es 2021 in Deutschland weit mehr als doppelt so viele Studentinnen und Studenten (2,9 Millionen) wie Auszubildende (1,3 Millionen). Der fragliche Nutzen der Ausbildung und der deutliche Trend zum Studium machen es deswegen für Banken immer schwerer geeignete Kandidaten für die Lehre zu finden. 

Dies wird auch in Zahlen deutlich: Nach Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung haben im Jahr 2000 noch mehr als 18.000 Bankkaufleute ihre Ausbildung absolviert. Im Jahr 2006, unmittelbar vor der Finanzkrise, waren es noch 13.o00, im Jahr 2021 dann nur noch 7600. Die klassische Banklehre hat also einen schweren Stand. Allerdings suchen die Banken händeringend Spezialisten insbesondere in den Gebieten Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Regulierung, wie etwa eine Studie der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) zeigt. Solche Expertise lässt sich aber nur schwer innerhalb der eigenen Branche entwickeln. Banken wie die BayernLB setzen daher zunehmend auf das duale Studium und Trainee-Programme.

Witteck weiß das natürlich. Und er schreibt: „Ja, Banken benötigen künftig auch viele IT‘ler, Prozessspezialisten, Mathematiker“ und andere gut ausgebildete Menschen. „Als genossenschaftliche Bank“, so fügt Witteck hinzu und spielt damit auf die Organisationsstruktur der Volksbanken an, „sind wir aber vor allem für die Beratung und Unterstützung unserer Mitglieder da und brauchen dafür richtig gute Menschen, die sich richtig gut mit Vermögensaufbau, mittelständischem Unternehmertum und Geschäftsmodell auskennen und die echtes Vertrauen zu unseren Kundinnen und Kunden aufbauen können.“ Und dann kommt eine Breitseite gegen die Bildungspolitik im Allgemeinen: „Wir hängen dem Gedanken nicht nach, dass man ohne ein Studium nix ist und sind total stolz auf unsere Kolleginnen und Kollegen, die mit Abitur oder Realschulabschluss hierherkommen, die Praxis und die Menschen kennenlernen, einen klasse Job machen und dann entscheiden, ob sie neben dem Beruf noch studieren wollen.“ 

Witteck endet mit einem Schuss vor den Bug der Sparkassen: „Warum kommen Banken auf die Idee, bei anderen Banken einfach qualifizierte Teammitglieder abzuwerben, anstatt sich selbst die Zeit zu nehmen, sie anständig auszubilden? Ein ganz schlechter Stil. (…) Einer bereitet das Beet und kümmert sich jahrelang um das junge Gemüse, der andere kommt ohne Einladung, erntet alles ab und verschwindet?“

Angesichts dieses engagierten Plädoyers für die traditionelle Ausbildung herrscht inzwischen ein munterer Streit zwischen Volksbanken hier und Sparklassen dort, also zwischen zwei der drei tragenden Säulen der deutschen Bankenlandschaft. Jochen Schönleber etwa, Vorstandsmitglied der Sparkasse Mainfranken hat sich eingemischt: „Lieber Kollege Witteck“, schreibt er, „wenn ich das richtig sehe, ist die Ausbildungsquote der genossenschaftlichen Banken bei insgesamt 6,5 Prozent im Jahr 2022… bei den Sparkassen in Deutschland bei knapp 8 Prozent. Das heißt, die meisten Menschen mit dem Ziel einer Ausbildung bei einer Bank entscheiden sich für eine Sparkasse.“ „Wir können gerne ein bisschen die Folklore-Kämpfchen blau gegen rot machen“, antwortet Witteck im Hinblick auf das rote Sparkassen und das blaue Volksbanken-Logo. Aber er finde das als nicht „gelernter Banker" ein bisschen langweilig und am Ende hätten beide Bankensysteme ja vieles, was sie verbinde.

Dieser Streit unter den Bankern könnte also immerhin beigelegt werden. Hängen bleibt allerdings: Die bayerische Landesbank bildet nicht mehr aus, weil sie an diesen Karriereweg selbst nicht mehr glaubt. Gestandene Banker aus anderen Geldhäuser glauben, dass die Bayern damit dem eigenen Berufsstand und der Branche einen Bärendienst erweisen.

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