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Management > BMW trotzt Krisen

Zipse steuert BMW souverän durch die Krisen 

BMW hängt bei der Halbjahresbilanz die Konkurrenz ab. Das Autogeschäft wird 2024 zwar immer schwieriger, doch die Münchner bewegen sich geschickt durch die Krisen. Das hat auch mit dem CEO zu tun. Eine Bilanz.

Oliver Zipse, Vorsitzender des Vorstands der BMW AG (Foto: BMW)

Die deutsche Autobranche schlägt Alarm. Das wichtige China-Geschäft wankt, der E-Auto-Absatz bricht in Deutschland ein, neue Konkurrenten wie Tesla, BYD, Geely oder Chery attackieren die deutschen Hersteller gezielt, die Konjunktur hierzulande schwächelt und der deutsche Industriestandort ist international kaum mehr wettbewerbsfähig. Für das erste Halbjahr melden Mercedes und Audi erschreckende Zahlen. Mercedes-Benz mit einem Rückgang von 6 Prozent zu verschmerzen. Audi hat sogar einen Einbruch von 8,2 Prozent einzustecken. Umso gespannter warteten alle auf die Halbjahreszahlen von BMW. Nun ist klar - der Absatz der Kernmarke BMW ist um 2,3 Prozent auf 1,096 Millionen Autos gestiegen. Damit haben die Münchner ihre Konkurrenten Mercedes (959.7000) und Audi (832.957) klar abgehängt.. Zudem lag die Ebit-Marge des Kerngeschäfts im zweiten Quartal zum zehnten Mal in Folge im Zielkorridor von 8 bis 10 Prozent.

BMW zeigt damit in der Krise erstaunliche Stärke. Denn die Münchner haben allen schwierigen Rahmenbedingungen zum Trotz bereits 2023 ein kleines Autowunder hingezaubert und weltweit 2.555.341 Einheiten verkauft - mehr Premium-Automobile als jemals zuvor.  Neben BMW melden auch die Konzernmarken Rolls-Royce und BMW Motorrad Rekordzahlen.

 

Der BMW-Erfolg trägt die besondere Handschrift von CEO Oliver Zipse. Er ist am 16. August seit genau fünf Jahren im Amt und hat den Autokonzern nicht nur souverän durch die wilde Pandemie- und Lieferketten-Krise gesteuert. Zipse hat das Unternehmen in eine völlig neue Dimension gehoben. BMW hat 2022 sein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) um ein Drittel auf atemraubende 18,5 Milliarden Euro gesteigert. Das bedeutet: BMW hat 50 Millionen Euro Gewinn pro Tag erwirtschaftet, so etwas hat es in der Geschichte des Konzerns noch nie, nicht einmal annähernd gegeben. Die operative Marge im Kerngeschäft stieg von 8,6 auf 9,8 Prozent. Die Forschungs- und Entwicklungskosten des Konzerns stiegen um 14 Prozent auf 7,5 Milliarden Euro und erreichten damit einen neuen Höchststand.

Zipse rüstet BMW für eine neue Fahrzeuggeneration mit vollelektrischem Antrieb, die sogenannte „Neue Klasse“. Die Investitionen stiegen im vergangenen Jahr um 8,5 Prozent auf 8,8 Milliarden Euro. Eine zunehmend wichtige Rolle für die weltweiten Verkaufszahlen spielt die Elektromobilität. Insgesamt wurden 376.183 Elektroautos der Marken BMW, MINI und Rolls-Royce verkauft, was einer Steigerung um 74,4 Prozent entspricht. Auf die Kernmarke entfallen dabei 330.596 Einheiten, was sogar einem Plus von 92,2 Prozent entspricht.

Die ungewöhnlichen E-Auto-Erfolge werden global genau registriert. Die kritische „New York Times“ urteilt: „BMW is one of only a few established automakers that has been able to compete effectively against Tesla.“ Und weiter klingt es wie ein Ritterschlag aus New York: „BMW is a surprise Winner in Electric Vehicles“.

 

Dabei setzt Zipse ausdrücklich nicht einseitig und wild auf E-Mobilität. Er plädiert vielmehr deutlicher als manche Branchenkollegen für Technologieoffenheit und konzentriert sich auf die Ingenieurs-Qualitäten im Autobau. Zipse hatte mit diesem Fokus anfangs jede Menge Gegenwind. Damals stand er vor der Frage, ob BMW eher Airbus oder doch eine Lufthansa der Automoblität sein wolle. Berater, Medien, manche Aktionärsaktivisten wollten den Aufbruch in die „Mobility Services“, verlangten Investitionen ins Carsharing oder Robo-Taxis und der Aufbau eines „Mobilitätsökosystems“. Das vermeintliche Zukunftsgeschäft war in Mode, doch Zipse folgte ihr nicht unreflektiert. Er setzte wieder stärker auf das klassische Kerngeschäft und bekam dafür zunächst böse Kommentare, zum Beispiel in der Wochenzeitung „Die Zeit“. Heute sind die Kritiker verstummt - und Zipse kann die Früchte seiner Konzentration ernten. Das anfangs ebenfalls kritische Manager Magazin zollte schließlich Respekt: „Oliver Zipse nervt die Mächtigen in Wirtschaft und Politik mit einem stetigen Hurra auf die Technologieoffenheit. Doch am Ende könnte der Realo unter den Autobossen erfolgreich bleiben.“

Zipse lässt sich nicht von Trends blenden. In Japan hat er gelernt, die Dinge kühl bis zum Ende zu durchdenken und dabei möglichst viele Menschen in Entscheidungsfindungen einzubinden, damit alle Aspekte beleuchtet werden. Darum werden Beschlüsse bei BMW hinterher konsequenter und schneller umgesetzt als das bei einsamen Entscheidungen von Top-Managern anderer Häuser zuweilen der Fall ist. Zipse war als junger Mann länger in Japan, er ist mit einer Japanerin verheiratet und hat ganz leise japanische Systematik bei BMW fühlbar werden lassen. Diese unaufgeregt und besonnen Methode nennen die Japaner „Nemawashi“, das behutsame „Schneiden von Rosenwurzeln“.

Dabei waren die fünf Zipse-Jahre mit allerlei Dornen berankt. Die Automobilisten würden „krisenbetankt bis oben hin“ sagen. Die Covid-Pandemie zwang zur Schließung der Werke in China,  Lieferkettenprobleme erschwerten die Produktion, die Belegschaft verschwand zeitweise im Home-Office und BMW musste 2020 den ersten Quartalsverlust seit 2009 einstecken. Kaum war die eine Krise vorüber, brach der Ukraine-Krieg los, die Energiekosten explodierten, der Russland-Markt brach weg. Doch dann kamen die Münchner stärker aus Krisen als sie hinein gegangen waren. Mit dem Rekord-Absatz ist BMW 2023 erstmals wieder über Vor-Covid-Niveau – und das als einziger deutscher OEM.

Zipse hat sich auch kommunikativ einen guten Ruf erarbeitet. Der verbindliche Hesse spricht sachlichen Klartext und vermeidet Eitelkeiten und Angebereien. Unter den Dax-Vorstandsvorsitzenden hat er derzeit die beste Reputation bei Wirtschaftsjournalisten. Er ist neuer Spitzenreiter im halbjährlich ermittelten „CEO-Reputationsindex“ des Berliner Instituts Doeblin Wirtschaftsforschung. Das liegt auch daran, dass er die Ambivalenzen und Probleme der klimafreundlichen Verkehrswende offen anspricht. So ruft er nun die neu gewählte EU-Kommission auf, das europäische Verbrennerverbot zu hinterfragen. Die internationalen Gesprächspartner von BMW würden den Kopf schütteln über den Kurs der EU-Kommission, sagt Zipse der Bild-Zeitung: „Sie fragen: Warum verbietet die EU eine Technologie, bei der Europa den größten Wettbewerbsvorteil hat und die durch CO₂-arme Kraftstoffe noch so viel Potenzial bietet? Und gleichzeitig sollt ihr alles ausgerechnet auf die Technologie setzen, die Europa in eine gewaltige Rohstoff-Abhängigkeit führt?“ Der BMW-Chef warnt: „Was nicht passieren darf: Die EU-Kommission liefert eine Scheinlösung, in der das Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2035 allein durch eFuels gelockert wird. Und dann zieht sie sich aus der Verantwortung und tut nichts, um den Hochlauf CO₂-armer Kraftstoffe zu beschleunigen.“ Seit Fazit: „Das Verbot der Verbrennungsmotoren war aus unserer Sicht naiv und muss angepasst werden.“

 

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