
Seit Einführung des Mindestlohns kam es zu zahlreichen Streitfällen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Unterschiedliche Auffassungen in einem Fall hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) unlängst mit einer Entscheidung beiseite geräumt. Weihnachts- und Urlaubsgeld dürfen unter bestimmten Voraussetzungen auf den Mindestlohn angerechnet werden (BAG, Urteil vom 25.5.2016, Az. 5 AZR 135/16).
Mindestlohn erhöht nicht das Monatsgehalt
Die Erfurter Richter stellen klar, dass Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern den gesetzlichen Mindestlohn für jede geleistete Arbeitsstunde zahlen müssen. Wenn Leistungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld gezahlt werden, können sie darauf angerechnet werden. Heißt: Inklusive Sonderzahlungen darf das Jahresgesamtgehalt einen Stundensatz von 8,50 Euro nicht unterschreiten.
Zudem betont das Gericht, dass das Mindestlohngesetz auch Geringverdienern keinen Anspruch auf ein erhöhtes Monatsgehalt, erhöhte Jahressonderzahlungen oder Lohnzuschläge garantiert. Der gesetzliche Mindestlohn tritt neben die bisherigen Ansprüche, führe aber nicht zwingend zu einer Erhöhung des Gehaltes. Die 8,50 Euro sind verpflichtend, aber mehr nicht.
Sonderzahlung erhöht nicht den Lohn
Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, deren Arbeitsvertrag neben dem Monatsgehalt besondere Lohnzuschläge (wie etwa Nachtzuschläge) sowie zwei Sonderzahlungen vorsah, die als Urlaubs- und Weihnachtsgeld bezeichnet waren. Nach einer Betriebsvereinbarung wurden Weihnachts- und Urlaubsgeld monatlich jeweils zu 1/12 ausgezahlt.
Zum Streit kam es, weil sich für die Arbeitnehmerin nur mit Einrechnung dieser anteiligen Sonderzahlung ein Stundenlohn von mehr als 8,50 Euro ergab. Darüber hinaus berechnete der Arbeitgeber die arbeitsvertraglichen Zuschläge weiter auf Basis des geringeren (Grund-) Stundenlohns. Die Arbeitnehmerin war der Auffassung, dass ihr die Sonderzahlungen zusätzlich zu einem Stundenlohn von 8,50 Euro zustünden und auch die Zuschläge auf Basis des Mindestlohns berechnet werden müssten. Damit ist sie in allen Instanzen gescheitert. Nur bei den Zuschlägen für Nachtarbeit war die Arbeitnehmerin erfolgreich.
Im Ergebnis ist dies keine überraschende Entscheidung, sondern eine Fortführung der bisherigen Rechtsprechung zum Mindestlohn nach einem Mindestlohntarifvertrag (BAG, Urt. v. 16.4.2014, Az. 4 AZR 802/11) sowie der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs zur Entsenderichtlinie. Arbeitgebern gibt die Entscheidung Klarheit, wie sie künftig Arbeitsverträge gestalten sollten.
Wie Arbeitgeber rechnen müssen

Entscheidend für die Frage der Anrechenbarkeit ist nicht die Bezeichnung der Leistung („Urlaubsgeld“), sondern ob dieser die sogenannte Erfüllungswirkung zukommt. Wird die Sonderzahlung vorbehaltlos und unwiderruflich gewährt und ist an keine weiteren Bedingungen geknüpft, steht der Entgeltcharakter im Vordergrund. Damit ist eine Anrechenbarkeit auf den Mindestlohn gegeben.
Möchte der Arbeitgeber eine Sonderzahlung zusätzlich auf den Lohn leisten, sollte er folgendes beachten: Bei der Formulierung von Verträgen oder dem Abschluss von Betriebsvereinbarungen sollten Arbeitgeber Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgelt splitten und ausdrücklich vereinbaren, dass diese monatlich zusätzlich zur Grundvergütung gezahlt werden. Dabei sollte weder eine Verknüpfung der Zahlung mit der Betriebstreue noch eine Kopplung an den tatsächlich genommenen Urlaub erfolgen.
Nur die vorbehaltlose Auszahlung führt zu einer Anrechenbarkeit. Sehen schon bestehende Arbeitsverträge noch keine entsprechende Regelung vor, so ist eine Änderung nur einvernehmlich mit dem Arbeitnehmer möglich. Denn zumindest wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, ist eine (Änderungs-)Kündigung deswegen nicht möglich. Betriebsvereinbarungen sollten entsprechend neu mit dem Betriebsrat verhandelt werden.
Anrechnung von Zusatzleistungen auf den Mindestlohn
Diese Bewertungsmaßstäbe werden auch bei allen anderen Zusatzleistungen heranzuziehen sein. Im Einzelfall ist für die Frage der Anrechenbarkeit entscheidend, zu welchem Zweck die Leistung gezahlt wird, ob damit die Arbeitsleistung vergütet werden soll. Zahlungen Dritter, wie beispielsweise Trinkgelder, dürften daher ebenso wenig anrechenbar sein, wie Leistungen der betrieblichen Altersversorgung oder vermögenswirksame Leistungen.
Sonderfall: Vergütung von Bereitschaftszeiten
Eine weitere höchstrichterliche Entscheidung zu den Auswirkungen des MiLoG ist bereits terminiert, am 29.6.2016 verhandelt das Bundesarbeitsgericht zur Vergütung von Bereitschaftszeiten (Az. 5 AZR 716/15). Ein Rettungsdienstassistent klagt auf weitere Vergütung, weil nach seiner Auffassung sein tarifliches Grundgehalt nur die pro Woche geleistete Vollarbeitszeit einschließlich der faktorisierten Bereitschaftszeiten umfasse. Die darüber hinausgehenden Bereitschaftszeiten seien zusätzlich zu vergüten. Arbeitgebern wird diese Entscheidung weitere Klarheit geben.
Es gibt aber zudem Gruppen, die nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Mindestlohngesetzes (MiLoG) gelten, so etwa Azubis und manche Praktikanten. Mehr dazu in einem ausführlichen Überblick über die Ausnahmen.