Der Frust mit Wulff
Die Kredit-Affäre unseres Bundespräsidenten ist kein triftiger Grund für einen Rücktritt. Sein Problem ist, dass es aber auch wenig gute Gründe gibt, warum Christian Wulff im Amt bleiben sollte.
Genau das verlangt man doch eigentlich von einem Bundespräsidenten: Dass er über den Tag hinaus denkt, nicht der lautesten Forderung, sondern der bedachten Stimme der Vernunft folgt. Man mag es Wulff nicht verdenken, wenn er wenig gibt auf das Geheul der Medien (und zunehmend der Opposition) – beider Erregung hat bekanntlich eine sehr überschaubare Halbwertszeit. Ist es nicht erfrischend, wenn ein Politiker signalisiert: Kommt mal wieder runter!?
In der Sache hat er recht: Die Vorwürfe wiegen schwer, aber sie sind nicht so gravierend, dass sie einen Rücktritt erfordern. Man muss schon sehr hohe Maßstäbe an Politiker legen (und sehr gut über eigene Schwächen hinwegsehen können), um Wulff beim derzeitigen Kredit-Kenntnisstand aus dem Amt jagen zu wollen.
Letztlich wissen das auch die Kritiker. Dennoch werden sie so schnell nicht locker lassen. Denn eigentlich suchen sie nach einem Ventil für ihren Frust mit Wulff: Europa steht vor der größten Herausforderung der letzten 20, vielleicht sogar 50 Jahre. Die Bürger suchen nach Orientierung in wichtigen Fragen. Die Medien haben ihre Leitfunktion offenkundig verloren, die Kanzlerin will keine Orientierung geben und der Bundespräsident: schweigt. Dieses Schweigen ist in den letzten Monaten, vor der Kredit-Affäre, immer lauter geworden. Der Frust über diesen Bundespräsidenten, der den Anforderungen seines Amts nicht gewachsen ist, ist bei allen, die lieber Gauck als ihn im Amt gesehen hätten, immer größer geworden. Sie respektieren Wulff nicht als Bundespräsidenten, darum soll er weg.
Das ist die eigentliche Affäre des Christian Wulff: Dass er uns so wenig Grund gibt, warum er im Amt bleiben soll.