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Personal > Gehalt

Der Mindestlohn steigt – was Arbeitgeber dazu jetzt wissen müssen

Vom 1. Oktober 2022 an steigt der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland auf zwölf Euro je Stunde. Was es für mittelständische Unternehmen grundsätzlich zum Mindestlohn und jetzt speziell zu dessen Anhebung zu wissen gilt, erklärt Ralf-Dietrich Tiesler, Partner der Kanzlei Menold Bezler in Stuttgart.

Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland steigt auf zwölf Euro je Stunde: Ralf-Dietrich Tiesler gibt Antworten was das für Arbeitgeber bedeutetBildquelle: Menold Bezler

Angesichts hunderttausender unbesetzter Facharbeiterstellen entwickelt sich der ungedeckte Personalbedarf aktuell zur größten Wachstumsbremse der deutschen Wirtschaft. Unbesetzte Stellen verursachen Umsatzausfälle, die sich je nach Unternehmensgröße schnell auf sechs- bis siebenstellige Beträge summieren. Zudem sorgen Vakanzen für zusätzliche Belastungen der Mitarbeiter, die die fehlenden Kapazitäten in Form von Mehrarbeit auffangen müssen – was wiederum zu einer erhöhten Fluktuation im Unternehmen beiträgt.

Wo gilt der Mindestlohn und welche Ausnahmen gibt es?

Ralf-Dietrich Tiesler: Der gesetzliche Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt werden, egal ob dauerhaft oder nur vorübergehend. Dabei kommt es weder auf deren Staatsangehörigkeit noch den regelmäßigen Wohnsitz an. Auf Arbeitgeberseite werden im In- und Ausland ansässige Firmen gleichermaßen erfasst. Das Mindestlohngesetz gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auch für geringfügig Beschäftigte, Leiharbeitnehmer und Werkstudenten. Praktikanten gelten ebenfalls als Arbeitnehmer; bei ihnen gibt es jedoch Ausnahmen: Pflichtpraktika aufgrund von schul- oder hochschulrechtlichen Bestimmungen sowie im Rahmen von Berufsausbildungen unterliegen nicht dem Mindestlohn. Das Gleiche gilt für Praktika, die der beruflichen Orientierung dienen oder begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung geleistet werden und nicht länger als drei Monate dauern.

Was bedeutet die Erhöhung des Mindestlohns für Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld oder andere zusätzliche Gehaltsbestandteile?

Die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns wirkt sich auf Jahressonderzahlungen wie das Urlaubs- und Weihnachtsgeld immer dann aus, wenn die Sonderzahlung auf der Basis des Stunden-, Wochen- oder Monatslohns berechnet wird. Wird also die Bemessungsgrundlage aufgestockt, folgt daraus rechnerisch auch ein höheres Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Dieser Effekt kann sich auch bei weiteren betrieblichen Sozialleistungen ergeben, etwa bei der betrieblichen Altersversorgung.

Wie muss bei Überstunden verfahren werden?

Überstunden sind grundsätzlich mit dem Stundensatz für eine „normale“ Arbeitsstunde zu vergüten. Der gesetzliche Mindestlohn kann daher auch die Berechnungsgrundlage für die Bezahlung von Überstunden verändern. Sofern im Einzelfall noch Überstundenzuschläge zu berücksichtigen sind, weil sie in einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag vorgesehen sind, kann der erhöhte Mindestlohn auch auf die Berechnung der Zuschläge durchschlagen.

Was zählt zur Arbeitszeit? Und was nicht?

Das Mindestlohngesetz bestimmt, dass der Mindestlohn „je Zeitstunde“, das heißt für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde zu zahlen ist. Arbeitsstunden können auch Bereitschaftszeiten sein wie beispielsweise Dienstbereitschaft oder Rufbereitschaft; hier kommt es auf den Einzelfall an. Dienstreisezeiten müssen als Arbeitszeit vergütet werden, wenn sie mit einer Belastung des Arbeitnehmers einhergehen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Arbeitnehmer einen Pkw selbst steuert. So genannte Wegezeiten – also die Zeiten für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte – gehören nicht zur Arbeitszeit.

Wie muss die Arbeitszeit dokumentiert werden?

Der Europäische Gerichtshof verlangt, dass der Arbeitgeber ein funktionierendes System zur Verfügung stellt, mit dem die gesamte geleistete Arbeitszeit zuverlässig erfasst werden kann. Der deutsche Gesetzgeber hat diese unionsrechtliche Vorgabe im Arbeitszeitgesetz allerdings noch nicht transparent umgesetzt. Es ist zu hoffen, dass hier bald Klarheit geschaffen wird. Sofern Arbeitsleistung außerhalb des Betriebs erbracht wird, sollte es möglich sein, dass die Arbeitszeit durch Selbstaufschriebe der Arbeitnehmer erfasst wird.

Was passiert, wenn ein Unternehmen den Mindestlohn nicht zahlt oder ihn unbewusst unterschreitet (etwa durch nicht berücksichtigte Überstunden)?

Arbeitnehmer können Mindestlohn, der nicht gezahlt worden ist, im Rahmen einer dreijährigen Verjährungsfrist nachfordern. Kürzere Ausschlussfristen, wie sie häufig in Arbeitsverträgen geregelt werden, gelten für den gesetzlichen Mindestlohn nicht. Befindet sich der Arbeitgeber mit der Zahlung des Mindestlohns in Verzug, muss er Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zahlen. Wichtig ist zudem, dass die Sozialversicherungsbeiträge auf der Basis des Lohns zu berechnen sind, der dem Arbeitnehmer zusteht. Das gilt auch dann, wenn tatsächlich weniger ausbezahlt wird als das Mindestlohngesetz verlangt. Arbeitgeber können hier schnell in den Bereich einer Abgabenhinterziehung geraten. Das führt dann nicht nur zu hohen Nachforderungen der Sozialversicherungsträger, sondern kann auch zu einem Strafverfahren führen.

Wie hoch können etwaige Strafen ausfallen?

Arbeitgeber, die ihren Pflichten nach dem Mindestlohngesetz nicht nachkommen, handeln ordnungswidrig. Bestimmte Ordnungswidrigkeiten können – je nach Lage des Einzelfalles – mit Geldbußen bis zu 500.000 Euro geahndet werden. Falls eine Hinterziehung von Sozialabgaben hinzukommt, muss zusätzlich mit einer hohen Geldstrafe, in Ausnahmefällen sogar mit einer Freiheitsstrafe gerechnet werden. Unternehmen, die sich um Aufträge der öffentlichen Hand bewerben, müssen außerdem wissen, dass sie bei Verstößen gegen das Mindestlohngesetz für längere Zeit von Vergaben ausgeschlossen werden können.

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