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Vergütung > Mehrarbeit

Die Klausel „Mit dem Gehalt sind alle Überstunden abgegolten“ ist ungültig

Grundsätzlich können Unternehmen ihre Arbeitnehmer zu Überstunden anweisen. Was sie dabei beachten müssen, erklärt Rechtsanwalt Thorsten Walther im Interview. Und er erklärt, wo juristisch die Grenze zwischen gut und schlecht bezahlt verläuft.

Herr Walther, deutsche Arbeitnehmer haben 2016 1,7 Milliarden Überstunden angehäuft – das verwundert umso mehr, weil Überstunden eigentlich nur in Not- oder Katastrophenfällen angeordnet werden dürfen. Wie passt das zusammen?
Viele Arbeitgeber behalten sich Überstunden bereits bei der Gestaltung des Arbeitsvertrags vor, und zwar unabhängig von Not- und Katastrophenfällen. Das ist im Grunde nichts anderes als ein Mittel der Arbeitszeitflexibilisierung: Sollte es eine hohe Auslastung geben, ordnet der Arbeitgeber Überstunden an. Bei einer geringen Auslastung reicht die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit aus.

In welcher Form müssen Überstunden angeordnet werden?
Überstunden sollten schriftlich angeordnet werden. In der Praxis erfolgt das aber in der Regel mündlich oder ergibt sich aus der betrieblichen Situation.

Wie lange ist eine solche Anordnung „gültig“?
Die muss nicht jeden Tag erneuert werden, sondern kann beispielsweise auch für einen kompletten Auftrag erfolgen. Der Arbeitnehmer muss dann eben so viele Überstunden machen, bis der Auftrag abgearbeitet ist.

Sind angeordnete Überstunden gleichbedeutend mit einer Kompensation zu einem späteren Zeitpunkt?
Ja, angeordnete beziehungsweise vom Arbeitgeber geduldete Überstunden müssen ausgeglichen werden. Dies kann entweder in Form eines Freizeitausgleichs oder durch Auszahlung von Überstunden geschehen.

Früher tauchte in Arbeitsverträgen oft die Formulierung „Mit dem Gehalt sind alle Überstunden abgegolten“ auf. Ist das noch zulässig?
Diese Klausel ist unwirksam. Es ist aber möglich, eine bestimmte Anzahl von Überstunden mit dem gezahlten Gehalt abzugelten, also beispielsweise: „Mit dem gezahlten Gehalt sind bis zu vier Überstunden (10 Prozent) pro Woche abgegolten.“ Bei besonders gut bezahlten Arbeitnehmern ist das natürlich etwas anderes.

Wo verläuft die Grenze zwischen gut und schlecht bezahlt?
Als gut bezahlt gilt ein Arbeitnehmer dann, wenn er ein Gehalt bekommt, das oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung liegt.

Kann sich ein Arbeitnehmer Überstunden verweigern, etwa mit dem Argument, dass die bisherigen noch nicht kompensiert wurden?
Wenn sich der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag schriftlich vorbehalten hat, Überstunden anzuordnen und der Arbeitnehmer dem zugestimmt hat, kann er Überstunden nicht verweigern. Ohne diesen Vorbehalt könnte der Arbeitnehmer Überstunden durchaus verweigern. Ausnahme ist aber auch hier ein auftretender Notfall, beispielsweise ein Brand.

Kann der Arbeitgeber frei zwischen einem finanziellen oder einem zeitlichen Ausgleich wählen oder gibt es dafür Vorgaben?
Der Arbeitgeber kann entscheiden, wie er Überstunden ausgleicht. Erfahrungsgemäß erfolgt ein Ausgleich in Form von Freizeit, wenn die Arbeitsauslastung es zulässt.

Was muss der Arbeitgeber bei dieser Entscheidung beachten?
Es ist natürlich günstiger, die Überstunden auf ein Zeitkonto zu buchen und für Zeiten mit schwache Auslastung vor zu halten, als sie auszuzahlen.

Macht sich der Arbeitgeber strafbar, wenn er Überstunden nicht oder nicht sofort ausgleicht?
Das könnte passieren, wenn der Arbeitnehmer seine Ansprüche vor Gericht geltend macht. Generell muss bei Überstunden das Arbeitszeitgesetz eingehalten werden. So darf beispielsweise keine Arbeitsleistung von mehr als zehn Stunden pro Tag gefordert werden. Hat der Arbeitgeber gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen oder vorsätzlich und wiederholt so gehandelt, kann er sich strafbar machen.


Dieser Text gehört zu einem Thema aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 11/2018. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.

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