Dienstrad-Leasing revolutioniert Mitarbeiter-Mobilität im deutschen Mittelstand
Immer mehr mittelständische Unternehmen setzen auf Dienstrad-Leasing. Doch lohnt sich das Modell wirklich für alle Beteiligten?
In deutschen Unternehmen bahnt sich eine kleine Revolution an: Das Dienstrad erobert die Parkplätze und Fahrradständer. Was einst als Nischenprodukt startete, hat sich zu einem echten Trend entwickelt. Allein im letzten Jahr kamen nach Schätzungen des Bundesverbands Zukunft Fahrrad eine Million neue Diensträder auf die Straßen. Doch was steckt hinter diesem Boom? Und warum setzen gerade mittelständische Unternehmen verstärkt auf das Zweirad als Dienstfahrzeug?
Der Spezialglashersteller Schott AG in Mainz ist eines von rund 100.000 Unternehmen in Deutschland, die ihren Mitarbeitern inzwischen Diensträder anbieten. Seit vier Jahren können die Angestellten hier ein Fahrrad oder E-Bike über ihren Arbeitgeber leasen. Michael Müller, einer der Mitarbeiter, nutzt diese Möglichkeit und pendelt mehrmals pro Woche mit seinem Dienstrad zur Arbeit - eine Strecke von insgesamt 22 Kilometern. "Durch das Jobrad-Angebot fahre ich ein E-Bike zum Preis von knapp 5.000 Euro, das ich mir sonst ehrlich gesagt nicht gekauft hätte", erklärt er. (Quelle: teagesschau.de) Das Beispiel von Schott und Müller steht stellvertretend für einen Trend, der den deutschen Mittelstand erfasst hat. Doch was macht das Dienstrad-Leasing so attraktiv für Unternehmen und Mitarbeiter? Und gibt es auch Schattenseiten dieses scheinbar perfekten Modells?
Funktionsweise und steuerliche Vorteile des Dienstrad-Leasings
Das Grundprinzip des Dienstrades ähnelt dem des Dienstwagens und wurde vor zwölf Jahren steuerlich gleichgestellt. Seit 2019 gelten für Räder sogar zusätzliche Steuervergünstigungen.
In der Regel funktioniert das Modell so: Der Arbeitgeber least über spezielle Anbieter für einen Zeitraum von meist drei Jahren Fahrräder oder E-Bikes und überlässt diese seinen Mitarbeitern. Im Gegenzug verzichten die Angestellten auf einen Teil ihres Gehalts in Höhe der Leasingrate.
Der steuerliche Clou: Arbeitnehmer müssen bei privater Nutzung des Dienstrades lediglich 0,25 Prozent des Listenpreises als geldwerten Vorteil versteuern. Dies führt zu einer erheblichen Steuerersparnis. "Da das Fahrrad nur mit bis zu 0,25 Prozent des Listenpreises als geldwerter Vorteil versteuert wird, können bis zu 40 Prozent des Barkaufpreises eingespart werden", erklärt Florian Baur, Geschäftsführer des Leasing-Anbieters Jobrad.(Quelle: capital.de) Doch nicht nur die Mitarbeiter profitieren.
Auch für Unternehmen ergeben sich Vorteile: Durch die Entgeltumwandlung sinkt die Berechnungsgrundlage für Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge. Zudem können Firmen die Leasing- und Versicherungsraten als Betriebsausgaben absetzen.
Vor- und Nachteile des Dienstrad-Leasings für mittelständische Unternehmen:
Pro:
- Steigerung der Arbeitgeberattraktivität
- Beitrag zum betrieblichen Gesundheitsmanagement
- Förderung umweltfreundlicher Mobilität
- Einsparung von Parkraum
- Steuerliche Vorteile und Einsparungen bei Sozialversicherungsbeiträgen
- Imageverbesserung durch nachhaltiges Engagement
Kontra:
- Administrativer Aufwand für die Einführung und Verwaltung des Programms
- Mögliche Unzufriedenheit bei Mitarbeitern, die das Angebot nicht nutzen können oder wollen
- Potenzielle Haftungsrisiken bei Unfällen
- Notwendigkeit der Schaffung geeigneter Infrastruktur (z.B. Fahrradstellplätze, Ladestationen)
- Mögliche Kritik an der Entgeltumwandlung und deren Auswirkungen auf die Sozialversicherungssysteme
- Auswirkungen auf Fahrradmarkt und Fachhändler
Mancherorts sind sogar mehr als die Hälfte aller verkauften E-Bikes mittlerweile Leasingräder
Der Boom der Diensträder hat massive Auswirkungen auf den gesamten Fahrradmarkt. Für viele Fachhändler sind Dienstfahrräder inzwischen zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden. Alexander Mohr, Inhaber eines Fahrradgeschäfts in der Nähe von Mainz, berichtet, dass mehr als die Hälfte aller von ihm verkauften E-Bikes Leasingräder sind.
"Sie müssen das Rad nicht komplett bezahlen und meistens sind Inspektion und Versicherung im Leasing-Paket mit dabei", erklärt er die Vorteile für seine Kunden. (Quelle: Tagesschau.de) Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Verkaufszahlen wider. Nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbands ZIV kommt mittlerweile etwa jedes vierte Rad über das Leasing zu den Kunden. Pablo Ziller vom ZIV bestätigt: "Das Leasinggeschäft ist definitiv ein Zugpferd für unsere Branche."
Interessanterweise führt der Trend zum Dienstrad-Leasing auch zu einer Verschiebung im Preissegment. Florian Baur von Jobrad berichtet, dass der durchschnittliche Radpreis bei seinem Unternehmen bei etwa 3.800 Euro liegt - rund 1000 Euro über dem Durchschnitt im normalen Fahrradhandel. "Die Ersparnis motiviert die Leute dazu, sich Fahrräder zu kaufen, die sie sich normalerweise nicht kaufen wollten oder könnten", erklärt er. (Quelle: capital.de) Besonders E-Bikes sind gefragt: Über 80 Prozent aller über Jobrad geleasten Räder sind inzwischen elektrisch betrieben.
Doch trotz des Booms gibt es auch kritische Stimmen. Die Gewerkschaft ver.di warnt davor, dass sich ein Dienstrad nicht für jeden rechnet. Andreas Henke vom ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg weist darauf hin, dass durch die Entgeltumwandlung der eigene Rentenanspruch gekürzt wird. Zwar handele es sich meist nur um geringe Beträge, aber über die gesamte Rentenlaufzeit könnten sich diese zu mehreren hundert Euro summieren. Zudem kritisiert die Gewerkschaft, dass durch das Modell der Solidargemeinschaft Geld verloren geht, da sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber weniger in die Sozialversicherung einzahlen.
Dienstwagen vs. Dienstrad - ein Vergleich
Um die wirtschaftliche Attraktivität des Dienstrad-Leasings einzuordnen, lohnt sich ein Vergleich mit dem klassischen Dienstwagen. Nehmen wir als Beispiel einen Mittelklassewagen im Wert von 40.000 Euro und ein hochwertiges E-Bike für 5.000 Euro:
Dienstwagen:
- Monatliche Leasingrate: ca. 500-600 Euro
- Geldwerter Vorteil: 1% des Bruttolistenpreises = 400 Euro monatlich
- Zusätzliche Kosten: Versicherung, Wartung, Kraftstoff
Dienstrad:
- Monatliche Leasingrate: ca. 100-150 Euro
- Geldwerter Vorteil: 0,25% des Bruttolistenpreises = 12,50 Euro monatlich
- Zusätzliche Kosten: In der Regel durch Arbeitgeber übernommen
Bei einem angenommenen Steuersatz von 42% ergibt sich für den Dienstwagen eine monatliche Steuerlast von 168 Euro, während für das Dienstrad lediglich 5,25 Euro anfallen. Zudem sind die laufenden Kosten für das Fahrrad deutlich geringer. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass ein Auto in vielen Fällen eine größere Flexibilität und Reichweite bietet. Dieser Vergleich zeigt, dass das Dienstrad-Leasing aus rein finanzieller Sicht für viele Arbeitnehmer attraktiver sein kann als ein klassischer Dienstwagen. Allerdings hängt die Entscheidung natürlich von individuellen Faktoren wie Wohnort, Arbeitsweg und persönlichen Präferenzen ab.
Ausblick
Der Boom des Dienstrad-Leasings hat zweifellos das Potenzial, die betriebliche Mobilität in Deutschland nachhaltig zu verändern. Für mittelständische Unternehmen bietet das Modell die Chance, sich als moderne und umweltbewusste Arbeitgeber zu positionieren und gleichzeitig von steuerlichen Vorteilen zu profitieren. Die Mitarbeiter wiederum können hochwertige Fahrräder zu attraktiven Konditionen nutzen und leisten nebenbei einen Beitrag zum Klimaschutz.
Blickt man in die Zukunft, so könnte das Dienstrad-Leasing ein wichtiger Baustein in der Transformation der betrieblichen Mobilität sein. In Kombination mit anderen umweltfreundlichen Mobilitätskonzepten wie Carsharing oder ÖPNV-Tickets könnte es zu einer nachhaltigen Veränderung des Mobilitätsverhaltens beitragen.
Für den Mittelstand bietet sich hier die Chance, eine Vorreiterrolle einzunehmen und innovative Mobilitätskonzepte zu entwickeln. Der aktuelle Trend zeigt deutlich: Das Dienstrad ist auf dem besten Weg, vom Nischenprodukt zum festen Bestandteil der betrieblichen Mobilität zu werden - eine Entwicklung, die den deutschen Mittelstand nachhaltig prägen könnte.