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Personal > Weiterbildungskluft

Digitale Weiterbildung: Warum Unternehmen und Mitarbeiter aneinander vorbei lernen

Qualifikationsdefizite bremsen den Wandel in Unternehmen. Doch bei der digitalen Weiterbildung klaffen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander.

Angesichts des rasanten technologischen Fortschritts wird sich der Arbeitsplatz im Jahr 2025 weiter verändern, und nur 23 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich sehr gut auf die künftigen Herausforderungen am Arbeitsplatz vorbereitet fühlen. (Foto: shutterstock)

von Thorstern Giersch

In keinem anderen Bereich klaffen in Deutschland Wunsch und Wirklichkeit, Erkenntnis und Umsetzung so weit auseinander wie bei der Bildung. Vom Vorschulkind bis zum Frührentner stehen praktisch alle Menschen mehr denn je unter dem Druck, sich weiterzuentwickeln. Denn die Welt wird immer komplexer und bald auch noch von völlig neuen Systemen künstlicher Intelligenz (KI) durcheinandergeschüttelt. Die KI macht den Wandel in den Köpfen vieler Beschäftigter doppelt bedeutsam.

Nicht nur Eltern, auch viele Unternehmerinnen und Unternehmen hadern mit dem Bildungssystem hierzulande. Dass die Schüler immer weniger darauf vorbereitet sind, im Arbeitsleben zurechtzukommen. Fehlerhaftes Deutsch ist ein Problem, mangelndes Verständnis für Zahlen ein anderes. Das betrifft vor allem neue Arbeitskräfte. Aber gerade Arbeitgeber müssen sich fragen, ob ihre Maßnahmen ausreichen – vor allem für die Mitarbeiter, die schon da sind. Das World Economic Forum ermittelte in einer Umfrage, dass 60 Prozent der Unternehmen Qualifikationsdefizite ihrer Beschäftigten als größtes Hindernis für den Wandel ansehen.

Fragt man aber die Beschäftigten, gibt dort nur jeder Fünfte an, dass zu den wichtigsten Prioritäten ihres Arbeitgebers gehört, Qualifikationslücken zu schließen. So fand es Skillsoft in seiner Studie „Workplace Preparedness and Challenges" heraus. Das Unternehmen bietet Online-Lernprogramme an. Befragt wurden 2100 Vollzeitbeschäftigte in den USA, Großbritannien und Deutschland. Demnach fühlt sich nicht einmal jeder vierte Arbeitnehmer genügend auf die Aufgaben und Erwartungen 2025 vorbereitet.

Schlecht vorbereitet

Die meisten Beschäftigten meinen, dass ihre Arbeitgeber es für deutlich wichtiger halten, die betriebliche Effizienz zu erhöhen (48 Prozent), die Einnahmen zu steigern (46 Prozent) und die Kundenerfahrung (39 Prozent) zu verbessern. Die Mitarbeiter haben das Gefühl, ihnen fehlten Entwicklungsmöglichkeiten. Und so erwarten die meisten, dass die größte Herausforderung für ihr Unternehmen im nächsten Jahr sein wird, Talente anzuwerben und auch zu halten. Nur 40 Prozent der Befragten gaben demnach an, sich der Bedeutung ihrer Rolle bewusst zu sein, um die strategischen Ziele und Prioritäten ihres Unternehmens für 2025 zu erreichen. Und nur ein Drittel war der Ansicht, dass ihre Fähigkeiten in hohem Maße mit diesen Zielen übereinstimmen.

Angesichts des rasanten technologischen Fortschritts wird sich der Arbeitsplatz im Jahr 2025 weiter verändern, und nur 23 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich sehr gut auf die künftigen Herausforderungen am Arbeitsplatz vorbereitet fühlen. Nicht einmal jeder dritte Beschäftigte meinte, hinreichend Weiterbildungsmöglichkeiten oder Zugang zu neuen Technologien wie KI-Werkzeugen erhalten zu haben, um die beruflichen Ziele zu erreichen.

Um sich besser vorbereitet zu fühlen, wünschten sich die Befragten vor allem personalisierte, rollenbasierte Schulungsmöglichkeiten, mehr und aktuellere Schulungen sowie Zugang zu Mentoring und Coaching. Die Befragten stellten fest, dass sie nach der Aus- und Weiterbildung bessere Beziehungen zu ihren Kollegen hatten, mehr Selbstvertrauen besaßen, um Herausforderungen zu bewältigen, kreativer waren und Probleme besser lösen konnten.

Dass es Probleme gibt, ist nicht neu. Wie es besser geht, sehr schwierig zu beantworten. Besonders digitale Weiterbildung genießt keinen guten Ruf – weder bei den Arbeitgebern noch bei Beschäftigten. Häufig werde sie schlecht umgesetzt und sei wenig effektiv, meint Bastian Koch. Der CEO von Sparks, einer Tochter der Haufe Akademie, nennt drei wichtige Dinge, damit Weiterbildung wirklich einen Effekt hat – und „eines davon fehlt fast immer": Da wäre eine fundierte Didaktik, weil sonst nichts hängen bleibt. Es reicht also nicht, einfach nur Wissen weiterzugeben, die Inhalte müssen auch zur Zielgruppe passen. Dann müssen Arbeitgeber den Beschäftigten eine Chance geben, das Gelernte zeitnah anzuwenden. Und schließlich muss der Lernende intensiv reflektieren: Was ist jetzt anders, seit der Kurs absolviert wurde?

Koch nennt das den egoistischen Moment, in dem der Arbeitnehmer sagt: Hier muss es mir um mich gehen. Es sei schwer, die Unternehmensstrategie mit einem selbst zu verbinden, sagt Koch. Die Inhalte der Schulungen müssen also auf die einzelne Person passen. Doch genau hier liegt das Problem: Digitale Bildung hat aus Sicht vieler Personalstrategen ja gerade den Vorteil, dass sie einem kleinen wie auch sehr großen Kreis von Beschäftigten zugutekommen kann. Es braucht nicht einen Trainer für vielleicht zehn Personen, die in einem Raum sitzen. Digital kann ein Trainer sehr viele Menschen schulen, so die Logik. „Das ist genau die Falle, in die alle tappen", sagt Koch. „Es ist eben nicht egal, ob es zehn oder 10.000 Leute machen. Das sind 10.000 Individuen, und die muss man alle abholen."

Das ist leichter gesagt als getan. Denn Kurse sollen praxistauglich für den unternehmerischen Alltag sein und für die Ziele des Unternehmens bestmöglich wirken. Gleichzeitig sollen sie jeden einzelnen als Menschen weiterbringen. Für Koch „ein riesiges Spannungsfeld". Zu lösen sei es nur, wenn Unternehmen aufhörten, Lernen zu managen. „So haben wir das bis jetzt immer gemacht. Man will Häkchen setzen und beweisen, dass Leute dies oder das gemacht haben." Aber so gehe der Fokus auf das Weiterkommen der Beschäftigten oft verloren, sagt Koch. „Das Ziel muss sein, dass wir anfangen, Lernen zu imitieren. Das ist unternehmerisch gesehen ein Paradigmenwechsel."

Empathie gewinnt an Wert

Gerade das Thema KI sei jetzt überall und in den unterschiedlichsten Kursformaten erhältlich, sagt der Sparks-Chef. Man kann heute einen schnellen Prompting-Kurs machen, um die Eingabe zum Beispiel bei Programmen wie ChatGPT so zu optimieren, dass die Ergebnisse besser sind. Oder auch lernen, wie man KI-gestützt gute Bilder erzeugt. „Gleichzeitig sehen wir, dass urmenschliche Skills wie Empathie, Kommunikation oder kritisches Denken weiter an Wert gewinnen", sagt Koch. Sie seien die Grundlage, um die neuen Herausforderungen zu bewältigen. „Wir hätten sie schon vor Jahren stärker entwickeln müssen."

Studien zufolge erwarten 45 Prozent der Arbeitgeber, dass ihre Mitarbeitenden lernen, mit KI-Anwendungen umzugehen. Aber nur zwölf Prozent der Firmen bieten Weiterbildungen zu KI an. „Das ist für mich wieder typisch Deutsch: Wir wissen eigentlich, was zu tun ist, sind dann aber zu vorsichtig", sagt Koch. Das Risiko, unnütze Kurse anzubieten, ist hoch, wenn ein Arbeitgeber noch nicht genau weiß, welche Fähigkeiten in fünf oder zehn Jahren für das Unternehmen genau gebraucht werden.

Bei der KI-Weiterbildung stellen sich Fragen wie: Lässt man die Mitarbeiter den einen oder anderen Schnellschusskurs machen oder wartet man auf den optimalen Kurs? Ersteres kostet vielleicht mehr und manches Geld ist falsch investiert, letzteres kann aber bedeuten, dass es sehr lange dauert, bis überhaupt jemand geschult ist. Also vielleicht doch lieber schnelle Kurse, damit die Beschäftigten den Umgang mit KI lernen? „Das Dranbleiben ist immer wichtig, weil selbst der beste Prompting-Kurs sich schnell überholt", sagt Koch. Beschäftigte sollten ständig die Möglichkeit haben, weiter zu lernen. Und alle sollten motiviert werden, es zu tun. Auch die, die das Thema nicht spannend fanden oder Angst hatten.

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