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Management > Nachfolger ausbilden

Distanz in der Unternehmensnachfolge

Die 11. Unternehmer-Generation trifft bei dem Weinglashersteller Riedel auf die 10. Der Vater bietet dem Sohn eine eigene Plattform, um sich seine Sporen als Nachfolger zu verdienen. Die Distanz ist dabei entscheidend.

Genuss vermitteln ist ein wichtiger Teil des Riedel-Geschäfts. „Wir stellen das Werkzeug her, aber unsere Kunden brauchen auch das passende Getränk und die Affinität dazu“, sagt Georg Riedel, der in der 10. Generation führt. Sein Vater, Claus Josef Riedel legte den Grundstein für den Erfolg der mundgeblasenen, rebsortenspezifischen Gläser des Unternehmens. Georg Riedel stieg in die Maschinenfertigung ein  und erschloss sich ausländische Märkte. Diese Aufgabe führt nun Maximilian Riedel zusammen mit seinem Vater fort.

Mit 24 Jahren ist Georg Riedel als Nachfolger in das Unternehmen eingestiegen. Von der Zeit mit seinem Vater im Unternehmen erzählt er nicht viel. Wenn er seinem Gegenüber sonst fest in die Augen schaut, schweift sein Blick bei dem Gespräch über Claus Josef Riedel ab. „Funkenflug ist immer dabei, wenn Generationen aufeinander treffen“, sagt Georg Riedel. Sein Vater sei kreativ, spontan und ein Visionär gewesen. Es muss schwierig für den Nachfolger gewesen sein. Trotzdem stellte sich für Georg Riedel nie die Frage, ob er woanders arbeiten will: „Ich bin in die Thematik hineingeboren. In der 10. Generation ein Familienunternehmen führen zu dürfen, ist ein Glück.“ Riedel hat sich Nischen gesucht, um sich schnell etablieren zu können und wo er nicht aneckt – wohl auch mit dem Vater. „Das Verhältnis in der Familie von meinem Vater zu meinem Großvater war eher kühl“, erinnert sich Maximilian Riedel.

Nachfolge von Großvater zu Vater zu Sohn

Claus war das Genie, Georg der Unternehmertyp, der das Geschäft vorangetrieben hat. „Früher haben wir noch in einem Mietshaus gewohnt“, erzählt Maximilian Riedel, der CEO der Riedel Crystal America ist. Heute gehören der Familie in Kufstein zwei traditionelle Häuser und ein modernes.

Als Georg Riedels Kinder Maximilian und seine Schwester Laetizia heranwachsen, kommen mindestens einmal in der Woche Geschäftspartner ins Haus der Riedels zum Essen. „Wir waren immer eingeladen und durften an der Ess- und Weinkultur teilhaben“, sagt Maximilian Riedel. Von klein auf sind die Geschwister auch Repräsentanten des Unternehmens. „Wenn wir uns nicht mit an den Tisch gesetzt hätten, hätte es eben auch nichts zu essen gegeben.“

Bei Laetizia war schnell klar, dass sie studieren will und Anwältin wird. „Je älter Kinder werden, desto mehr Freiheitssinn haben sie auch“, sagt Vater Georg Riedel. Nachfolger Maximilian war hingegen schon mit 12 Jahren im Unternehmen als Hilfskraft tätig. Er lief den ganzen Tag in der Glashütte umher und schlug die fertigen Gläser von der Pfeife ab. Mit 18 Jahren besucht er Managementkurse und arbeitet nebenher im Unternehmen. „Ich habe mir schon die Frage gestellt, ob ich auch woanders arbeiten möchte“, sagt Maximilian, „aber ich habe das Geschäft und die Kultur von der Pike auf gelernt und es bereitet mir Freude.“

Kein Platz für beide Unternehmer

1997 sagt Georg Riedel zu seinem Nachfolger: „In Österreich ist der Platz für uns beide zu klein. Ich möchte, dass du dir deine Sporen verdienst und biete dir eine Plattform dafür. Lass mich wissen, ob es dir gefällt.“ Maximilian reist durch Japan, China und die Vereinigten Arabischen Emirate. Er geht auf Messen, lernt Märkte und Kunden kennen und kehrt wieder zurück nach Österreich.

Maximilian wird 23 und sein Vater sagt zu ihm: „Es wird Zeit, dass du das Nest verlässt.“ Maximilian wird CEO von Riedel in den USA und leitet heute die Nordamerika-Geschäfte. „Ich hatte plötzlich eine Riesenverantwortung, keinerlei Erfahrung und Heimweh“, erzählt Maximilian. Er musste das Unternehmen in den USA komplett umstrukturieren und stieß auf viel Widerstand. Sein Großvater ruft ihn einmal in der Woche an, sein Vater täglich. Maximilian steigert den Umsatz in den USA erheblich, designt erfolgreich Dekanter und neue Gläserserien und will sich in Zukunft verstärkt auf die Auto- und Bauindustrie konzentrieren. Denn Riedel fertigt auch Bauelemente und Scheinwerfer, zum Beispiel für Mercedes-Benz, Volkswagen, MAN oder Ford.

Mit dem Nachfolger nicht auf Tuchfühlung

Immer wieder sagt Georg Riedel, dass er in Österreich nicht mit seinem Nachfolger auf Tuchfühlung gehen will, damit die beiden Unternehmer sich nicht auf die Füße treten. „Aufgrund der Distanz stehen wir nicht unter Konkurrenzdruck. Das hat mein Vater sehr intelligent geregelt“, sagt Maximilian. Die beiden beraten sich bei allen wichtigen Entscheidungen. Und manchmal zieht Georg Riedel dann auch die rote Karte, die „Besitzerkarte“ wie Maximilian erzählt, um das letzte Wort zu haben. „Wir sind aus ähnlichem Holz geschnitzt und beide sehr vernünftig. Wenn wir einen Kompromiss eingehen, sehen wir es nicht als Niederlage“, sagt Georg Riedel. Das „wir“ betont der Unternehmer und wieder schweift sein Blick leicht ab.

Im Testament ist die Übergabe bereits geregelt. Zwischen 20 und 40 Prozent an Anteilen gehören Maximilian schon von den verschiedenen Unternehmen und Tochtergesellschaften. Claus Josef Riedel hatte mit seinem Sohn Georg einen festen Zeitpunkt vereinbart, wann dieser das Unternehmen verlässt – mit 69 Jahren.

Die Riedel Glasdynastie begann im Jahr 1756 in Böhmen mit einer Waldglashütte. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Unternehmen zwar verstaatlicht, aber Claus Josef Riedel konnte mit Unterstützung der Familie Swarovski die Tiroler Glashütte in Wattens aus dem Konkurs übernehmen.

Er entwickelte die Gläserformen für die einzelnen Weinsorten. Georg Riedel und sein Sohn Maximilian führen das Familienunternehmen nun in 10. und 11. Generation weiter. Im Jahr 2004 übernahm Riedel das bayerische Glasunternehmen Nachtmann mit Spiegelau, das sich bis dahin auch in Familienhand befunden hatte. Die Schuldenübernahme und Kapitalaufstockung finanzierte Riedel aus Eigenkapital.