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Management > Auffälliges Führungsverhalten

Sollten Psychologen vor Trumps mentaler Verfassung warnen?

Über 200 Psychologen brechen mit ihrer wichtigsten ethischen Regel und warnen öffentlich vor Trump als Präsident. Der beispiellose Schritt wirft Fragen nach der Rolle von Ferndiagnosen bei Führungskräften auf.

Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung - Experten sehen in seinem Verhalten Anzeichen einer schweren Persönlichkeitsstörung. Ist es ethisch fragwürdig, solche Beobachtungen öffentlich zu machen? (Foto: picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Mike Stewart)

Ein beispielloser Vorgang erschüttert die psychologische Fachwelt: Mehr als 200 Psychologen und Psychiater brechen mit ihrer wichtigsten ethischen Regel und warnen öffentlich vor der mentalen Verfassung Donald Trumps. In einer großformatigen Anzeige in der New York Times diagnostizieren sie beim ehemaligen US-Präsidenten eine "schwerwiegende und nicht therapierbare Persönlichkeitsstörung" (The Independent, 2024).

 

Die öffentliche Diagnose: Maligner Narzissmus

Bereits 2015 bezeichnete der klinische Psychologe Ben Michaelis Trump als "Narzisst wie aus dem Lehrbuch" (Süddeutsche Zeitung). Die aktuelle Expertengruppe geht noch weiter. In ihrem offenen Brief attestiert sie Trump "Symptome einer schwerwiegenden und nicht therapierbaren Persönlichkeitsstörung" - den "bösartigen Narzissmus", wie T-Online.de berichtet

Der Begriff, geprägt von Otto Kernberg, beschreibt laut Süddeutscher Zeitung eine "krankhafte Sonderform des Narzissmus" mit folgender Kombination: Narzisstische Persönlichkeitsstörung, antisoziales Verhalten, Sadismus, ausgeprägte paranoide Haltung. Die Experten stützen sich dabei auf konkrete Verhaltensmerkmale, die sie bei Trump beobachten (The Independent, 2024):

  • Zwanghaftes Lügen
  • Rücksichtsloses Verhalten anderen gegenüber
  • Hohe Reizbarkeit
  • Impulsivität und Verantwortungslosigkeit
  • Fundamentaler Mangel an Reue

 

Der ethische Konflikt

Die American Psychiatric Association (APA) erklärte es 1973 für "unethisch für Psychiater, eine professionelle Meinung zu äußern, bevor er oder sie eine Untersuchung vorgenommen und die Erlaubnis der Betroffenen erhalten hat" (Quelle: Süddeutsche Zeitung).

Die frühere APA-Präsidentin Maria A. Oquendo warnte noch 2016: "Die einzigartige Atmosphäre der diesjährigen Wahl kann manche dazu verführen, die Psyche der Kandidaten zu analysieren, aber das wäre nicht nur unethisch, sondern unverantwortlich."

 

Die Warnpflicht: Zwischen Berufsethik und gesellschaftlicher Verantwortung

Der renommierte Psychologe Philip Zimbardo sieht jedoch eine höhere Verpflichtung: "Die Pflicht zu warnen wiegt schwerer als die Goldwater-Regel", (Süddeutsche Zeitung).

Die Psychiaterin Bandy X. Lee von der Yale University organisierte sogar eine Konferenz mit dem Titel "Duty to Warn", da sie Trump für "eine Gefahr nicht nur für die US-Gesellschaft sondern für die ganze Welt" hält. Besonders alarmierend seien die neu dokumentierten Anzeichen kognitiven Verfalls. Die Experten nennen in ihrem Brief laut The Indepentent folgende Fälle:

  • Dramatische Abnahme der verbalen Flüssigkeit
  • Tangentiales Denken
  • Verminderter Wortschatz
  • Übermäßige Verwendung von Superlativen
  • Verwechslung von Personen
  • Verschlechtertes Urteilsvermögen
  • Beeinträchtigte motorische Funktionen

Die US-Psychologin Ramani Durvasula warnt zudem vor einem gefährlichen Muster: "Im Falle des Präsidenten ist es ganz offensichtlich, dass es sein psychologisches Bedürfnis ist, unverwundbar wie Superman zu erscheinen. Um so eine grandiose Fassade aufrechtzuerhalten, ist jemand mit einem so schwachen Ego sogar dazu bereit, das Leben von anderen zu opfern", wird sie im Deutschlandfunk zitiert.

Fazit

Die beispiellose Warnung der Psychologen markiert einen Wendepunkt im Umgang mit psychologischen Ferndiagnosen bei Führungspersönlichkeiten. Die Debatte wirft grundsätzliche Fragen auf: Wie transparent sollte der mentale Zustand von Führungskräften sein? Wann wiegt die gesellschaftliche Verantwortung schwerer als berufliche Ethikstandards?

Für Unternehmen und deren Führungskräfte sowie Mitarbeiter kann die Demontage von Expertise weitreichende Folgen haben. Wenn die Persönlichkeit eines Vorgsetzten systematisch in Frage gestellt wird, beeinträchtigt dies die Entscheidungsfindung in Unternehmen und führt zu suboptimalen Ergebnissen.

Für nahezu alle Organisationen und Gesellschaften ergeben sich daraus wichtige Lehren: Die psychische Stabilität von Führungskräften ist kein Tabuthema mehr. Gleichzeitig mahnt der Fall zur Vorsicht bei vorschnellen psychologischen Bewertungen. Eine Balance zwischen Transparenz und Persönlichkeitsschutz wird zur zentralen Herausforderung moderner Führungskultur.

 

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