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Personal > Nachfolge im Mittelstand

Employee-Buy-out: Wenn Mitarbeiter zu Inhabern werden

Immer mehr Mittelständler suchen nach einer passenden Regelung für die Unternehmensnachfolge. Die eigenen Mitarbeiter werden dabei häufig nicht bedacht. Doch was ist, wenn die Belegschaft selbst zum Eigentümer wird?

Die Unternehmensnachfolge ist ein zentrales Problem in vielen mittelständischen Firmen. Nicht immer kommen die eigenen Kinder als Nachfolger in Frage, was schnell an der Existenz des Unternehmens nagen kann. Denn ungeregelte, falsche oder zu spät angegangene Unternehmensnachfolgen können im schlimmsten Fall zur Insolvenz oder Liquidation des Unternehmens führen. So weit muss es nicht kommen, denn oft liegt eine kluge Nachfolgelösung sehr viel näher als gedacht.

 

Insgesamt 18 Prozent der Familienunternehmen übertragen ihr Unternehmen an Führungskräfte aus den eigenen Reihen. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes Management-Buy-out (MBO). Aber warum nicht das Unternehmen an die eigenen Mitarbeiter übertragen? Das Modell der eingetragenen Genossenschaft (eG) bietet in Fällen, für die es noch keine Regelung zur Nachfolge und Unternehmensübergabe gibt, eine Alternative für engagierte Mitarbeiter des Unternehmens. Durch die eG entsteht kein neues Unternehmen, sondern es entstehen zusätzliche Unternehmer, da es sich um ein Employee-Buy-out handelt.

Employee-Buy-out als Genossenschaft ist weit verbreitet

Diese etwas „staubig“ anmutende Rechtsform hat sich bereits in verschiedenen Branchen etabliert und kann das klassische produzierende Gewerbe durchaus inspirieren. So sind beispielsweise Firmen wie der IT-Dienstleister Datev, die Lebensmittelkette Edeka, der Sportfachhändler Intersport, der Elektronikhändler Euronics, die Hotelkette Best-Western-Hotels, Zeitungen wie die Taz oder auch große Windparks Genossenschaften. Auch junge Unternehmen wie Carsharing-Start-ups werden zusehends genossenschaftlich gegründet. Vereinzelt finden sich auch kleinere Betriebe zu Genossenschaften zusammen, so beispielsweise die Zimmerei Grünspecht eG aus Freiburg, die Elektromaschinen e.G. Löcknitz oder die Planergemeinschaft Kohlbrenner eG aus Berlin. Auch das Münchener Softwarehaus Iteratec ist als klassische GmbH den Weg des Employee-Buy-outs gegangen und konnte sich so seine einzigartige Kultur bewahren.

 

Die Unternehmensübergabe folgt dabei den üblichen Bedingungen der Genossenschaftsgründung. Mindestens drei Gründungspersonen übernehmen das Unternehmen und sind gemeinsam für den weiteren wirtschaftlichen Erfolg verantwortlich. Die Vorteile: Da die Genossenschaft die finanziellen Möglichkeiten mehrerer beteiligter Personen bündeln kann, ist die Finanzierung des Kaufpreises leichter realisierbar. Zusätzlich bietet die Genossenschaft dem ausscheidenden Unternehmer die Möglichkeit eines schrittweisen Rückzugs, beispielsweise als Mitglied des Aufsichtsrats der eG oder als Berater für das Unternehmen in einem Angestelltenverhältnis.

 

Genossenschaften sind also Wirtschaftsbetriebe, die selbständig von ihren Mitgliedern geführt werden und gleichzeitig für ihre Mitglieder wirtschaften. Sie setzen sich aus natürlichen oder juristischen Personen zusammen. Ziel eines solchen Bündnisses ist die Förderung der Mitglieder durch eine gemeinschaftlich geführte Unternehmenstätigkeit. Dabei existieren unterschiedliche Arten von Genossenschaften, wie die Bau-, die Produktions-, die Verbraucher- und die Absatzgenossenschaften.

Unternehmensnachfolge: Vorteile der Genossenschaft

Die Genossenschaft ist allein und ausschließlich verpflichtet, die Interessen ihrer Mitglieder zu fördern. Die Geschäftstätigkeit der Genossenschaft ist auf wirtschaftliche, kulturelle oder soziale Ziele ausgerichtet. Mit einem Vorstand und einem Aufsichtsrat hat die Genossenschaft eine klare Leitungs- und Kontrollstruktur. Sie ist eine demokratische Rechts- und Unternehmensform, in der jedes Mitglied eine Stimme hat – unabhängig von der Höhe der Kapitalbeteiligung. Kleine Genossenschaften mit bis zu 20 Mitgliedern können auf einen Aufsichtsrat verzichten. Mitglieder einer Genossenschaft haften nur mit ihrer Kapitalbeteiligung, wenn in der Satzung eine Nachschusspflicht ausgeschlossen wird. Das individuelle kapitalmäßige Risiko ist also überschaubar, zumal die meisten Genossenschaften auch die Verteilung der Mitgliedsanteile auf fünf oder zehn Personen beschränken. Beim Ausscheiden haben diese einen Anspruch auf Rückzahlung ihres Geschäftsguthabens gegenüber der Genossenschaft.

 

Die Risiken sind für die Gründungsmitglieder also sehr überschaubar, anders als es beispielsweise bei einem direkten Unternehmenskauf oder einer Beteiligung an einem Unternehmen der Fall ist. In der Praxis liegen die Mitgliedsanteile meist zwischen 250 Euro und 500 Euro je Anteil. Die Ermittlung der Anzahl der Anteile erfolgt über klassische Unternehmensbewertungsverfahren, wie nach der anerkannten Ertragswert- oder Cashflow-Methode. Dabei spielen die Sachwerte keine Rolle, denn sie dienen ja dazu, den Ertrag zu erwirtschaften. Bei herstellenden Unternehmen mit hohen Sachwerten wird eher der Substanzwert über die Sachwerte ermittelt und als Unternehmenswert ausgewiesen.

 

Im Finanzierungsumfeld dürfte die genossenschaftliche Nachfolgeregelung auf Zustimmung stoßen. Die breite Beteiligung der Mitglieder wirkt vertrauensbildend auf die Kreditwürdigkeit bei den Banken, auch weil strukturelle Veränderungen nur mit einer Dreiviertelmehrheit möglich sind. Das verleiht der eingetragenen Genossenschaft eine große Stabilität. Sie sichert damit unternehmerische Selbständigkeit und schließt eine Übernahme aus.

 

Die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft ist flexibel, einfach zu handhaben und hat sich bereits seit über 160 Jahren bewährt. Der Ein- oder Austritt erfolgt unbürokratisch, zum Nominalwert und ohne Notar oder Unternehmensbewertungen. Jede Genossenschaft ist Mitglied in einem genossenschaftlichen Prüfungsverband, der im Interesse der Mitglieder regelmäßig die wirtschaftlichen Verhältnisse und die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung prüft. Die Pflichtprüfung nach dem Genossenschaftsgesetz gibt den Mitgliedern Sicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung der Genossenschaft.

 

Genossenschaftsmodell ist insolvenzsicher

Durch die interne Kontrolle ihrer Mitglieder und die unabhängige Prüfung durch den Genossenschaftsverband sind Genossenschaften die mit weitem Abstand insolvenzsicherste Rechtsform in Deutschland. Um die Attraktivität des Genossenschaftsmodells zur fördern, wurde kürzlich eine Bundesratsinitiative der NRW-Landesregierung auf den Weg gebracht. Sie will die Unternehmensbesteuerung entsprechend anpassen. Mit der Gesetzesvorlage plant der Bundesrat, die steuerliche Freigrenze für die Mitarbeiterbeteiligung von derzeit 360 Euro auf 5.000 Euro jährlich anzuheben. Bisher sieht der Entwurf allerdings eine Beschränkung auf junge Unternehmen („Start-ups“) vor.

 

Viele Nachfolgeinteressierte scheitern mit geringem Eigenkapital an einer Finanzierung für ihren Unternehmertraum. Die eG bietet interessierten Mitarbeitern aller Branchen, die Möglichkeit zusätzliche Unternehmer zu werden. Somit lässt sich die Verantwortung im Unternehmen auf viele Schultern verteilen und die Nachfolge sichern. Das Teilen von Verantwortung und die nicht allein ökonomische Ausrichtung eines Unternehmens entspricht durchaus modernen Werten, denen das historisch bewährte Modell der eingetragenen Genossenschaft Rechnung trägt, weil es sich wunderbar in den Geist der Shared Economy fügt.

Über den Autor

Roland Greppmair ist Fachberater für Unternehmensnachfolge. Als Partner bei dem mittelständischen Beratungshaus "Kern Unternehmensnachfolge" verantwortet er den Standort München als Inhaber.

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