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Ernst Prost: "Das ist wie Weihnachten"

Krise ausbaden und Dividenden zahlen passt nicht zusammen. Der Liqui-Moly-Chef fordert: Die Gesellschaft muss aufhören, ihre Fehler ständig zu wiederholen.

Sie wissen vermutlich schon, was Weihnachten und Dividendenzahlungen gemeinsam haben? Wenn nicht, sage ich es Ihnen hier: Sie kommen regelmäßig jedes Jahr – ganz gleich, ob sich die Firmen das leisten können oder nicht. Nichts anderes fällt mir dazu ein, wenn ich die gerade laufende Saison der Hauptversammlungen beobachte. Da werden mitten in der größten Wirtschaftskrise aller Zeiten Geschenke an Aktionäre weitergegeben, egal, ob es gerade etwas zu verteilen gibt oder nicht.

Was soll ich dazu noch sagen? Ich stelle fest: Vor einem Jahr war es doch die gleiche Gaudi, obwohl schon damals Krise herrschte und es angebracht gewesen wäre, sein Geld in Wege zu stecken, die aus der Krise hinausführen. Die Zahlung von Dividenden hilft da nur sehr begrenzt. In der Finanzkrise 2008/09 war es genauso. Ich habe mich schon damals dagegen gewandt und muss heute feststellen: Das ganze Schwätzen darüber bringt am Ende doch nichts. Eigentlich könnte ich feststellen: Solange der Gesetzgeber es zulässt, dass die Kassen der Bundesagentur für Arbeit geplündert werden und das Geld schnurstracks als Dividende an Anleger und Investoren ausbezahlt wird, kann ich mir künftig jede Aufregung ersparen. Aber ich muss zugeben: Das gelingt mir nicht.

Denn was für ein Skandal ist es, wenn sich ein Vorstandsvorsitzender hinstellt und den Griff in die Beitragskasse der Bundesagentur für Arbeit als richtig darstellt, weil man doch dort einbezahlt habe. Weil man sich jetzt quasi nur seine Kohle zurückholen wolle. Im nächsten Kapitel seiner Rede geht der große Vorstandsvorsitzende dann auf die Wünsche der Aktionäre ein und kündigt eine 50-prozentige Erhöhung der Dividende an. Ich könnte vor Wut kochen. Aber herrscht wenigstens große Aufregung in der Gesellschaft? Nein, auch da: Fehlanzeige! Da ist es doch nicht verwunderlich, wenn wieder das Wort von der „herrschenden Klasse“ umgeht, die Arbeiter und Gesellschaft ausbeutet.

Wir sind offenbar keine lernende Gesellschaft. Wir wiederholen ständig die Fehler, die wir schon gemacht haben. Wir handeln in jeder Krise gleich: Mit Kurzarbeitergeld drücken große Konzerne ihre Personalkosten und frisieren damit die Bilanz. Das kann man, wie ich, bedauern. Das kann man, wie ich, in jede Feder diktieren oder in jede Kamera und jedes Mikrofon sprechen, das sich einem bietet. Es ändert sich leider nichts. Der Gesetzgeber will entweder nicht, oder er kann nicht.

Deswegen stelle ich fest: Deutschland mit seiner sozialen Marktwirtschaft ist noch immer ein Land, in dem Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden. So lautet hierzulande leider die unanständige Formel eines unkontrollierten Kapitalismus-Auswuchses. Ich finde das nicht in Ordnung. Von daher reichen mir für den Gastbeitrag zu diesem Thema eigentlich sieben Buchstaben: Sauerei.

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