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Personal > Frauen im Handwerk

Fachkräftemangel im Handwerk: Warum Frauen der Schlüssel zur Lösung sein könnten

Trotz technischen Fortschritts sinkt der Frauenanteil im Handwerk. Experten sehen darin eine verpasste Chance im Kampf gegen den Fachkräftemangel.

Eine Handwerkerin bei der Arbeit: Frauen könnten den Fachkräftemangel im Handwerk lindern. (Quelle: picture alliance / Zoonar | Sunan Wongsa-nga)

Das deutsche Handwerk sucht händeringend nach Fachkräften und dabei zeichnet sich ein paradoxer Trend ab: Der Frauenanteil in handwerklichen Ausbildungsberufen verzeichnet einen stetigen Rückgang. Während er im Jahr 2003 noch bei 29 Prozent lag, ist er im vergangenen Jahr auf lediglich 17 Prozent gesunken. Diese Tendenz steht im deutlichen Widerspruch zu den technologischen Entwicklungen, die viele handwerkliche Berufe heutzutage weniger von physischer Stärke abhängig machen.

Carola Zarth, Präsidentin der Handwerkskammer Berlin, bringt es auf den Punkt: "Künstliche Intelligenz und Digitalisierung entkräften das Argument der fehlenden Muskelkraft." (Quelle: tagesspiegel.de) Dennoch scheint das Handwerk für viele junge Frauen an Attraktivität zu verlieren. Was steckt hinter diesem Trend und welche Konsequenzen hat er für die Branche und die Wirtschaft insgesamt?

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Nicht nur der prozentuale Anteil von Frauen in Handwerksausbildungen ist rückläufig, auch die absolute Zahl der Ausbildungsverträge hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten nahezu halbiert. Von über 6.000 Verträgen pro Jahr auf nur noch gut 3.000 – ein dramatischer Einbruch, der die gesamte Branche vor große Herausforderungen stellt. Besonders auffällig ist dabei die Verschiebung in den beliebtesten Ausbildungsberufen für Frauen:
 

Beliebteste Ausbildungsberufe von Frauen im Vergleich

2023 im Vergleich zu 2013:

  1. Platz: Friseurin (Platz 1 auch im Jahr 2013)
  2. Platz: Tischlerin (Platz 6 im Jahr 2013)
  3. Platz: Konditorin (Platz 7 im Jahr 2013)
  4. Platz: Augenoptikerin (Platz 5 im Jahr 2013)
  5. Platz: Bürokauffrau (Platz 4 im Jahr 2013)
  6. Platz: Zahntechnikerin (Platz 3 im Jahr 2013)
  7. Platz: Malerin/Lackiererin (-)
  8. Platz: Bäckereifachverkäuferin (Platz 2 im Jahr 2013)
  9. Platz: Kfz-Mechatronikerin (-)
  10. Platz: Bäckerin (-)

Folgende Berufe schafften es 2023 nicht mehr unter die Top 10:

 

2013: Platz 7 - Konditorin

2013: Platz 8 - Fleischereifachverkäuferin

2013: Platz 9 - Gebäudereinigerin

2013: Platz 10 - Kosmetikeri

Der Rückgang weiblicher Fachkräfte: Ein Alarmsignal für das Handwerk

Diese Verschiebung zeigt einerseits, dass Frauen zunehmend in ehemals männerdominierte Berufe wie Tischlerei oder Kfz-Mechatronik vordringen. Andererseits macht sie deutlich, dass traditionelle "Frauenberufe" im Handwerk an Bedeutung verlieren. Diese Entwicklung birgt Chancen und Risiken zugleich: Während sie das Potenzial hat, verkrustete Strukturen aufzubrechen, verstärkt sie gleichzeitig den Fachkräftemangel in bestimmten Bereichen.

Doch was hält Frauen davon ab, sich für eine Karriere im Handwerk zu entscheiden? Angelina Hein, eine 22-jährige Kfz-Mechatronikerin, gibt Einblicke in die Herausforderungen mit Kunden: "Wenn ich ihnen etwas erkläre, fragen sie: Sind Sie da sicher?" (Quelle:rbb.de)

Diese Erfahrung steht stellvertretend für die Vorurteile und das mangelnde Vertrauen, mit denen Frauen in handwerklichen Berufen oft konfrontiert werden. Solche Barrieren abzubauen, ist eine zentrale Aufgabe für die Branche.

Initiativen und Lösungsansätze: Wie das Handwerk Frauen für sich gewinnen will

Um dem Trend entgegenzuwirken und mehr Frauen für das Handwerk zu begeistern, setzen Verbände und Politik auf verschiedene Strategien.

Eine davon ist die Ausstellung "Stolz und Vorurteile" im Berliner Abgeordnetenhaus, die Handwerkerinnen porträtiert und ihre Geschichten erzählt. Ziel ist es, Vorbilder zu schaffen und zu zeigen, dass Frauen in allen Bereichen des Handwerks erfolgreich sein können.

Carola Zarth betont die Bedeutung solcher Initiativen: "Ich sehe vor allem eine Lösung, und das sind Vorbilder." (Quelle: tagesspiegel.de) Diese Sichtweise wird von Erfolgsgeschichten wie der von Ella Vey untermauert, einer der jüngsten Kosmetikmeisterinnen Deutschlands. Sie zeigt, dass auch in traditionell weiblich dominierten Handwerksberufen Karriere und unternehmerischer Erfolg möglich sind.

Neben der Sichtbarmachung von Vorbildern setzt die Branche auch auf strukturelle Veränderungen. Die Einführung von Werkunterricht in Schulen, wie von der Handwerkskammer gefordert, könnte jungen Menschen frühzeitig Einblicke in handwerkliche Berufe ermöglichen.

Zudem wird die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für Auszubildende als wichtiger Faktor gesehen, um den Einstieg in eine Handwerksausbildung zu erleichtern. Ein vielversprechender Ansatz kommt aus Sachsen, wo das Programm "*in Sachsen – Individuelle Führungskräfteförderung für Frauen" ins Leben gerufen wurde. Dieses ressortübergreifende Mentoring-Programm zielt darauf ab, Frauen gezielt auf Führungspositionen vorzubereiten.

Gleichstellungsministerin Katja Meier sieht darin einen wichtigen Schritt: "Frauen wollen Führungsverantwortung übernehmen. Was ihnen häufig fehlt, sind Frauennetzwerke, Rollenvorbilder und eine gezielte Förderung, die die Bedarfe von Frauen berücksichtigt."

Solche Programme könnten als Blaupause für ähnliche Initiativen im Handwerkssektor dienen. Sie adressieren nicht nur den Mangel an weiblichen Fachkräften, sondern zielen auch darauf ab, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Dies ist besonders relevant, da bereits über ein Viertel der deutschen Handwerksunternehmen von Frauen geführt werden – ein Anteil, der weiter steigen könnte.

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