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Personal > Körperlich behinderte Mitarbeiter

Fachkräftemangel: Wie Inklusion helfen kann

Als auf seine Stellenanzeigen kaum mehr Bewerbungen eingingen, baute Thomas Kaysser eine Stärke seines Metallbaubetriebs professionell aus: Er warb noch mehr körperlich behinderte Fachkräfte an und profitiert seitdem von deren Loyalität und Netzwerken.

In einem herkömmlichen Industriebetrieb hupt es bisweilen laut durch die Fertigungshalle, wenn eine Maschine blockiert oder aus anderen Gründen ein Techniker gerufen werden muss. Bei dem Komponenten- und Systemlieferanten H.P. Kaysser im schwäbischen Nellmersbach blinkt es zusätzlich grell. Das optische Signal hat seinen Grund: Denn einige der in der Produktion beschäftigten Facharbeiter sind gehörlos. „Sie müssen ebenso gewarnt werden wie alle anderen Kollegen“, sagt Geschäftsführer und Inhaber Thomas Kaysser.

Für Kunden aus 30 Branchen fertigt H.P. Kaysser Komponenten und Gesamtprodukte aus Metall: Karosserieteile für die Luftfahrtindustrie laufen in der Kleinstadt 20 Kilometer nordöstlich von Stuttgart ebenso vom Band wie Siebe für Klärschlamme und komplette Messmaschinen für die Prüftechnik. Entsprechend divers müssen die Qualifikationen sein, die die Kaysser-Mitarbeiter mitbringen. Qualifizierte Mitarbeiter zu finden war noch nie einfach, der Fachkräftemangel erschwert es zusätzlich: „Früher gingen auf eine Ausschreibung zehn Bewerbungen ein“, erinnert sich der Geschäftsführer, „jetzt sind wir froh, wenn eine kommt.“

Förderung vom Staat

Doch anstatt seine Rekrutierungsmaßnahmen auf andere Länder Europas auszuweiten, wie es manche Mittelständler tun, hat Thomas Kaysser etwas institutionalisiert, was nahezu seit Firmengründung gelebte Praxis im Unternehmen war: die Inklusion fachlich ausgebildeter Menschen mit Behinderung. Von den 450 Mitarbeitern am Standort in Nellmersbach sind 25 gehörlos, gehbehindert oder aufgrund einer schweren Erkrankung eingeschränkt. „Für geistig Behinderte ist unser Betrieb mit den schweren, teilautomatisierten Maschinen zu gefährlich“, schränkt Kaysser ein. „Aber auf körperliche Behinderungen können wir uns gut einstellen.“ Die Umrüstung seines Maschinenparks finanzierte er zur Hälfte mit einer Förderung, die der deutsche Staat Unternehmen zahlt, die sich besonders für die Inklusion engagieren.

Noch immer hätten Behinderte mit vielen Vorbehalten zu kämpfen, wenige Unternehmen gäben ihnen eine Chance, kritisiert der 63-Jährige. „Arbeitgeber, die es doch tun, werden mit viel Motivation und Loyalität belohnt.“ Die Fluktuationsquote bei seinen behinderten Mitarbeitern ist noch geringer als unter der restlichen Belegschaft. Zudem profitiere er vom engen Netzwerk seiner behinderten Mitarbeiter. Häufig gingen Initiativbewerbungen von deren Bekannten bei ihm ein, die ebenfalls in einem für Kaysser relevanten Technikberuf ausgebildet und für die der Bedarf hoch sei.

Kommunikation: zupackend und improvisiert

Im Arbeitsalltag wollen Kaysser und seine Mitarbeiter die behinderten Kollegen nicht als etwas Besonderes behandeln. „Je normaler alle miteinander umgehen, desto besser funktioniert eine Inklusion“, fordert der Mittelständler. Von allen Mitarbeitern – ob behindert oder nicht – erwartet er, dass sie einen kollegialen und vorurteilsfreien Umgang miteinander pflegen. Seine Meister, die die einzelnen Fertigungsbereiche leiten, fungieren als eine Art Vermittler. „Einige Kollegen haben sich ein wenig Gebärdensprache angeeignet, alle gehen die Herausforderungen, die eine Inklusion mit sich bringt, offen und konstruktiv an“, lobt er.

Für Personalgespräche engagiere er schon einmal einen Gebärdendolmetscher, aber im Alltag gelinge die Kommunikation zupackend und bisweilen improvisiert. Natürlich benötige es mehr Zeit, Produktions­abläufe mit Mimik und Gestik zu erklären, gibt Kaysser zu, doch diese Zeit müsse man investieren. Auch um das Selbstbewusstsein behinderter Kollegen aufzubauen, die häufig Fehler nur bei sich selbst suchen.“ Für eine offene, kollegiale Fehlerkultur zu sorgen hat der Chef auch seinen Bereichsleitern aufgetragen.

Bis dato funktioniert die Inklusion in seinem Betrieb super, resümiert Thomas Kaysser. Positives Feedback erfährt er auch von vielen Seiten. So wurde H.P. Kaysser als „Beispielhaftes Unternehmen 2018“ mit dem „Mittelstandspreis für Leistung, Engagement und Anerkennung“ des Caritasverbands der Diözese Rottenburg-Stuttgart ausgezeichnet. Zudem landete das Unternehmen in diesem Jahr unter den Top 20 des „Inklusionspreises der deutschen Wirtschaft“ der Arbeitgeberinitiative „Charta der Vielfalt“. Vielseitige Produkte brauchen vielseitige Mitarbeiter – dafür will Thomas Kaysser auch in Zukunft mit seinem Unternehmen stehen.

H.P. Kaysser GmbH & Co. KG

  • Gründung: 1947
  • Umsatz: 50 Millionen Euro (2018)
  • Mitarbeiterzahl: 450 am Hauptsitz, 34 in Rumänien
  • Firmensitz: Nellmersbach

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