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Management > Unternehmensnachfolge

Familienbetriebe in der Nachfolgekrise?

Viele familiengeführte Unternehmen suchen in Deutschland nach Nachfolgern. Zahlreiche Family-Offices haben sich auf solche Fälle spezialisiert.

Geschickt investieren: Die vier Brüder Richard, Philippe, Nicolas und Jan Nikolas (von links) mit Vater Klaus Grohe stehen hinter Syngroh. (Foto: © Felix Groteloh für Syngroh)

Der mittelständische Betrieb Carl Benzinger ist vor allem in der Pforzheimer Heimat ein Begriff. Seit Generationen verwendet die dort ansässige Schmuck- und Uhrenindustrie die Dreh- und Fräsmaschinen des 1916 gegründeten Unternehmens – beispielsweise beim präzisen Einsetzen von Edelsteinen. Die Firma ist mit ihren 150 Beschäftigten erfolgreich, kerngesund. Und dennoch herrscht hinter den Kulissen des Traditionsbetriebs lange Ungewissheit. Den Grund kennen viele Mittelständler: der Generationswechsel. Nach 80 Jahren in Familienhand findet sich unter den Jehles niemand, der langfristig den Betrieb weiterführen will oder kann. Die Hausbank LBBW in Stuttgart wird hinzugezogen. Dort beschäftigt sich ein mehrköpfiges Team mit der offenen Nachfolge. Die Vorgabe: Die Familie Jehle möchte sich nicht abrupt aus dem Unternehmen zurückziehen, sondern schrittweise eine langfristige Nachfolge organisieren – mit einem Sparringspartner, der das Geschäft versteht und weiterführen kann.


Fündig wird man im Schwarzwald. Die Familie Grohe, Teilhaber des Schiltacher Badarmaturenherstellers Hansgrohe, hat eine Beteiligungsgesellschaft gegründet, die sich genau auf solche Fälle konzentriert. „Syngroh beteiligt sich an profitablen mittelständischen Firmen mit Hauptsitz im deutschsprachigen Raum und einem Unternehmenswert zwischen zehn und 200 Millionen Euro. Typische Einstiegssituationen sind Nachfolgelösungen oder Gesellschafterwechsel. Wir engagieren uns aber auch in Konstellationen, in denen Unternehmer Kapital und Know-how für Expansion und Internationalisierung suchen“, umschreibt Robert Clausen, Geschäftsführer der Sparte Syngroh Advisory in Frankfurt, die Strategie des Financiers.

Im Fall von Benzinger, wo Syngroh Anfang des Jahres mehrheitlich eingestiegen ist, bleibt Reiner Jehle Geschäftsführer. Die Familie behält auch weiter Anteile an Benzinger. „Unserer Familie war es immer wichtig, Benzinger generationenübergreifend aufzustellen. Mit Syngroh Capital haben wir einen Investor gefunden, der Benzinger bei seinem weiteren Wachstum unterstützen wird“, sagt Jehle. „Zugleich schaffen wir durch den Einstieg langfristig orientierter Partner eine Perspektive für die Unternehmensnachfolge.“

 

 

Nischenmarktführer gefragt

Family-Offices werden solche Gesellschaften genannt, die weit mehr sind als ein Büro mit ein paar Verwaltungsaufgaben. So verwaltet Syngroh Capital, das mit Benzinger nun am vierten Mittelständler beteiligt ist, inzwischen ein Volumen von mehr als 200 Millionen Euro. Die Ausrichtung ist langfristig und die Schwarzwälder schauen genau hin, bevor sie sich engagieren. „Wir interessieren uns für innovative Unternehmen und Nischenmarktführer, das klassische Segment der Hidden Champions. Das heißt auch: Von rund 200 Unternehmen, die wir uns im Jahr ansehen, beteiligen wir uns nur an einem oder zweien. Die Investmentthese muss glasklar und durch ein strukturiertes Zahlenwerk belegbar sein“, sagt Clausen.


Beteiligungen wie an Benzinger hält Syngroh Capital, die als eine Art Industrieholding fungiert, innerhalb derer die Unternehmen unabhängig voneinander in ihrer jeweiligen Branche tätig sind. Daneben betreut Syngroh Advisory die Transaktionen und investiert ebenfalls in Beteiligungen. „Die Portfoliosteuerung findet gemeinsam statt. Dieses Zusammenspiel ist quasi ein Hybrid zwischen einem Private-Equity-Fonds und einem Family-Office. So fließen bei der Weiterentwicklung der Unternehmen sowohl die eher kurzfristige Perspektive der Finanzexperten als auch die langfristigere Unternehmerperspektive ein“, erklärt Richard Grohe, Chef von Syngroh, die Struktur. Der ehemalige Vize-Chef von Hansgrohe führt das Beteiligungsgeschäft aus einem Hochhausbüro in der Frankfurter City. Anteilseigner sind noch Grohes drei Brüder sowie Vater Klaus. Mit den Beteiligungen will die Familie auch den Weg für die nächste Generation ebnen. Die vier Brüder haben insgesamt 14 Kinder.


Die Schwarzwälder verstehen sich bewusst nicht als Heuschrecke, die auf schnellen Profit aus ist. „Unser Einstieg muss zuallererst für das Unternehmen selbst Sinn machen. Wenn ein anderer potenzieller Eigentümer sich wertstiftender einbringen kann als wir, werden wir nicht gebraucht“, stellt Grohe klar. „Wir haben unser Stammunternehmen Hansgrohe als Unternehmerfamilie, Gesellschafter und Manager auf einen Umsatz von über einer Milliarde Euro geführt. Diesen Marathon kennen und können wir in allen drei Rollen leisten und teilen diese Erfahrung gerne mit anderen Unternehmen, Familien und Mitgesellschaftern.“ 


„Unser Ansatz ist buy & hold, wir sind nicht exit-orientiert. Wir folgen dem Grundsatz, an einem Unternehmen nur so lange beteiligt zu sein, wie wir der beste Eigentümer sind und als aktive Gesellschafter einen Mehrwert liefern können“, gibt sich Richard Grohe bescheiden. Auswahl für weitere Beteiligungen haben Family-Offices wie Syngroh genug. Bis 2027 müssen der staatlichen Förderbank KfW zufolge jährlich rund 125.000 kleine und mittelgroße Unternehmen eine Nachfolge finden. Immerhin 43 Prozent der Befragten erwarten, dies mithilfe eines externen Käufers zu schaffen. Family-Offices gelten als interessante Ansprechpartner. 


Auch bei IFA Gelenkwellen ist der Einstieg eines solchen Investors die Rettung in eine gesicherte Zukunft gewesen. Der 1959 als Teil des DDR-Industriekombinats für Fahrzeugbau (IFA) gegründete Betrieb aus Haldensleben bei Magdeburg stand 2019 sogar kurz vor der Pleite. Hier ist das Münchener Family-Office Aequita vor zwei Jahren eingestiegen. Der Kaufpreis war Berichten zufolge ein „substanzieller dreistelliger Millionenbetrag“, der zum größten Teil nicht an die IFA-Gelenkwellen-Eignerfamilie Nathusius, sondern an den Betrieb geflossen ist. Das Unternehmen mit 2600 Mitarbeitern an sieben Standorten in Deutschland, Polen, China und den USA liefert Längswellen, Seitenwellen, Gelenke und Komponenten an BMW, Ferrari, Ford, GM, Mercedes-Benz, Porsche und Volkswagen.

 

Gesicherte Zukunft

Aequita hat sich als Family-Office wie Syngroh auf Sondersituationen wie Konzernabspaltungen, Nachfolge- und Restrukturierungssituationen in Europa spezialisiert. Die Automobilbranche und speziell die Zulieferer zählen laut Himmel zu den „Spezialgebieten“ des Investors, der inzwischen mit 14.000 Beschäftigten ein Volumen von drei Milliarden Euro verwaltet. Im April hat Aequita den Autozulieferer Nifco Germany von der japanischen Konzernmutter übernommen. Das Unternehmen entwickelt und produziert mit 1100 Mitarbeitern spritzgegossene Kunststoffteile.

 

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