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Vergütung > DAX-Gehälter

Rekordgehälter deutscher DAX-Vorstände

Erstmals knackt ein DAX-Chef die 10-Millionen-Marke: VW-Chef Oliver Blume durchbricht mit 10,3 Millionen Euro historische Gehaltsgrenze. DAX-Vorstandsgehälter steigen trotz Wirtschaftskrise um 5,8%.

Oliver Blume, CEO von Volkswagen, ist mit über 10 Millionen Euro Gehalt im Jahr der Spitzenverdiener unter den deutschen DAX-Unternehmen. (Foto: picture alliance / dpa / Michael Kappeler)

Ein historischer Meilenstein in der deutschen Wirtschaftsgeschichte: Mit einer Jahresvergütung von 10,322 Millionen Euro durchbricht VW-Chef Oliver Blume als erster DAX-Vorstandsvorsitzender die symbolträchtige 10-Millionen-Euro-Marke. Diese Entwicklung markiert einen Wendepunkt in der Vergütungskultur deutscher Großkonzerne, wie die aktuelle DSW-Vorstandsvergütungsstudie 2024 zeigt.

 

Gehaltsentwicklung 2023: Deutlicher Anstieg trotz wirtschaftlicher Herausforderungen

Die durchschnittliche Gesamtvergütung der DAX-Vorstände ist im vergangenen Jahr um beachtliche 5,8 Prozent gestiegen. Besonders auffällig: Die variablen Vergütungsanteile legten überdurchschnittlich zu - kurzfristige Boni um 6,2 Prozent und langfristige Komponenten um 5,7 Prozent. Die Fixgehälter stiegen dagegen moderater um 3,4 Prozent, wie aus dem Vergütungsbericht der DSW hervorgeht.

Die Top 10 der bestbezahlten DAX-Chefs 2023

  • Oliver Blume (VW): 10,322 Mio. €
  • Bjørn Gulden (adidas): 9,181 Mio. €
  • Christian Sewing (Deutsche Bank): 9,001 Mio. €
  • Christian Klein (SAP): 8,809 Mio. €
  • Roland Busch (Siemens): 8,485 Mio. €
  • Dr. Belén Garijo Lopez (Merck): 8,476 Mio. €
  • Ola Källenius (Mercedes-Benz Group): 8,112 Mio. €
  • Prof. Oliver Zipse (BMW): 8,023 Mio. €
  • Oliver Bäte (Allianz): 7,733 Mio. €
  • Timotheus Höttges (Deutsche Telekom): 7,535 Mio. €

Quelle: Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) / Technische Universität München (TUM), Studie zur Vergütung der Vorstände in den DAX-Unternehmen im Geschäftsjahr 2023

Kritik an mangelnder Transparenz und komplexen Vergütungsstrukturen

DSW-Geschäftsführer Marc Tüngler bezeichnet die Vergütung von Vorständen gegenüber arbeits-abc.de als "intransparent". "Es ist nicht ersichtlich, wie viel Geld tatsächlich in die Taschen von Vorständen und Ex-Vorständen fließt, wenn die Zahlen verklausuliert werden", kritisiert er. Ein Beispiel ist Oliver Blumes Doppelmandat bei VW und Porsche, das die Gehaltsstruktur zusätzlich verkompliziert.

Internationale Vergleiche zeigen deutsche "Bescheidenheit"

Im internationalen Vergleich erscheinen die deutschen Managementgehälter fast bescheiden. Während deutsche DAX-Chefs im Schnitt 5,1 Millionen Euro verdienen, liegt die durchschnittliche CEO-Vergütung in den USA bei 24,175 Millionen Euro. Auch europäische Nachbarn zahlen mehr:

  • Französischer CAC 40: 6,860 Mio. € im Durchschnitt
  • Schweizer SMI: 7,581 Mio. € im Durchschnitt

Gender Pay Gap und ESG-Kriterien

Ein besonders kritischer Aspekt bleibt der Gender Pay Gap in den Vorstandsetagen. Männliche Vorstände verdienen durchschnittlich 22 Prozent mehr als ihre weiblichen Kollegen.

Mit Dr. Belén Garijo (Merck) schafft es nur eine Frau mit 8,476 Millionen Euro in die Top 10 der Gehaltsliste.

Positiv entwickelt sich die Integration von Nachhaltigkeitszielen: Alle DAX-Unternehmen haben inzwischen ESG-Kriterien in ihre Vergütungssysteme aufgenommen. Diese umfassen Ziele wie CO2-Reduktion, Mitarbeiterengagement und Compliance-Standards. Die DSW-Studie identifiziert zwei zentrale Entwicklungen für die Zukunft:

  • Stärkere Gewichtung von ESG-Kriterien
  • Forderung nach mehr Transparenz

Soziologe Rainer Zitelmann ("Die Gesellschaft und ihre Reichen") verteidigt dagegen die hohen Gehälter und bezeichnet Kritik daran als "Angestelltendenken" und "Neid". Der Kapitalismus sei anderen Wirtschaftsformen deutlich überlegen, argumentiert er, auch wenn die Deutschen besonders "antikapitalistisch" eingestellt seien.

Vergütungsstruktur im Wandel: Variable Komponenten gewinnen an Bedeutung

Die Zusammensetzung der Vorstandsgehälter hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Wie die DSW-Studie zeigt, setzt sich ein typisches DAX-Vorstandsgehalt heute wie folgt zusammen:

  • Fixgehalt: ca. 30-35%
  • Kurzfristige variable Vergütung: ca. 25-30%
  • Langfristige variable Vergütung: ca. 35-40%
  • Nebenleistungen: ca. 5%

Prof. Dr. Katja Rost von der Universität Zürich warnt gegenüber arbeits-abc.de  jedoch vor den Risiken dieser Entwicklung. Sie bezeichnet Boni als "Kontrollinstrument" und kritisiert, dass dieses System "auch zu Betrug führen und den Fokus von Managern lediglich auf das Thema Geld lenken" könne.

Die Gehaltsschere: Vorstand vs. Durchschnittsmitarbeiter

Besonders brisant ist das Verhältnis zwischen Vorstands- und Durchschnittsgehältern. Laut DSW verdienten DAX-Vorstände 2021 das 53-fache ihrer durchschnittlichen Mitarbeiter. Nikolaus Blome argumentiert hierzu: "Es kann nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn Lkw-Fahrer oder eine Kassiererin im Supermarkt dafür zuständig sein sollen, Vorstands-Boni zu finanzieren", zitiert arbeits-abc.de den Journalisten.

Interessant ist auch der Vergleich zum öffentlichen Sektor: Die Public Pay Studie 2024 zeigt, dass Top-Manager in öffentlichen IT-Unternehmen eine Gesamtdirektvergütung von durchschnittlich 169.000 Euro erhalten - ein Bruchteil der DAX-Gehälter.

Fazit / Ausblick

Die Entwicklung der DAX-Vorstandsgehälter spiegelt einen fundamentalen Wandel in der deutschen Unternehmenslandschaft wider. Mit dem Durchbrechen der 10-Millionen-Euro-Grenze durch Oliver Blume wurde zwar ein symbolischer Meilenstein erreicht, doch die eigentliche Herausforderung liegt in der Balance zwischen internationaler Wettbewerbsfähigkeit und gesellschaftlicher Akzeptanz.

Drei zentrale Entwicklungen zeichnen sich für die Zukunft ab:

  • Die zunehmende Integration von ESG-Kriterien wird die Vergütungsstrukturen nachhaltig verändern. Unternehmen müssen ihre Anreizsysteme an gesellschaftlichen Zielen ausrichten.
  • Der Druck zur Transparenz wächst. Die von DSW-Geschäftsführer Tüngler kritisierte Intransparenz wird angesichts verschärfter Berichtspflichten nicht mehr haltbar sein.
  • Die Geschlechterlücke bei Vorstandsgehältern wird sich schließen, wenn Unternehmen ihre Diversitätsziele ernst nehmen.

Die deutsche "Bescheidenheit" bei Vorstandsgehältern könnte sich dabei als Vorteil erweisen. Während in den USA Gehälter von über 20 Millionen Euro Standard sind, zeigt der deutsche Weg, dass auch mit moderateren Vergütungen internationale Wettbewerbsfähigkeit möglich ist.

Entscheidend wird sein, wie Unternehmen die Balance zwischen Leistungsanreizen und gesellschaftlicher Verantwortung finden. Die Entwicklung der Vorstandsgehälter wird dabei ein wichtiger Indikator für den Erfolg dieser Gratwanderung bleiben.

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