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Personal > Serie Bürokratie

Gelesen, gelacht, gelocht: Nadelöhr Genehmigungsverfahren

16 unterschiedliche Landesbauordnungen regeln in Deutschland, was Unternehmen wo und wie bauen dürfen. Diese Bürokratie steigert die Kosten und verlängert die Bauzeit. Dabei ginge es einfacher.

Deutsche Baubehörden haben selbst Elon Musk die Grenzen des Machbaren aufgezeigt. Aber nicht nur die Projektmanager seiner Tesla-Fabrik in Brandenburg hangeln sich durch nervenaufreibende Genehmigungsverfahren. Das geht auch den Bürgern der kleinen Ortschaft Ferndorf in Nordrhein-Westfalen derzeit so. Dort fordern sie zusammen mit ansässigen Unternehmen eine Ortsumgehung. Dank weniger Stau und leichterer Erreichbarkeit soll ihre Umgebung wieder attraktiver werden - auch für die gesuchten Fachkräfte. Die zuständige Straßenbauverwaltung hat nach der Offenlegung des Planfeststellungsbeschlusses - vor fünf Jahren - auch schon einen Straßendamm angelegt. Doch dort wuchert nur das Unkraut. Die dringend nötige Umgehung verzögert sich durch zahlreiche gesetzlich vorgegebenen Umweltprüfungen, Gutachten und Kartierungen.

 

Der Verband „Die Familienunternehmer“ befragte seine Mitglieder 2022 nach deren größtem Bürokratie-Hindernis. Man ahnt die Antwort: der Bau.

 

So ginge es besser:

 

Experten machen seit seit Jahren -  oder sind es Jahrzehnte? - konkrete und konstruktive Vorschläge, wie das Baurecht vereinfacht werden kann. So, dass weder der Einfluss der Gemeinden noch die Sicherheit der Baustellen oder Gebäude in Gefahr wäre. Denn Statik ist Statik. Von Mecklenburg-Vorpommern bis Bayern gelten dieselben physikalischen Gesetze; von NRW bis Sachsen sollten alle Baubeteiligten über die gleichen Qualifikationen verfügen und Sicherheitsauflagen sind ohnehin nicht verhandelbar. Deshalb würde aus Sicht der Männer und Frauen vom Bau eine deutschlandweit verbindliche Bauordnung den nötigen bürokratischen Aufwand verlustfrei verringern.

Digitale Planung und Genehmigung

 

Der Lobby-Verband Zentraler Immobilien Ausschuss e.V. (ZIA) fordert, dass digitale Planungs- und Genehmigungsprozesse schneller implementiert werden sollen. Dazu gehört auch die verstärkte Kopplung von Planung und Bau durch das Building Information Modeling, kurz BIM. Das Tool ist ein digitales Bauprojektmanagement. Wie ein virtueller Zwilling bildet es ab der ersten Planung alle Daten und Taten digital ab und stellt alle vorhandenen Informationen tagesaktuell allen Beteiligten zur Verfügung. Das reicht über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes vom Entwurf über Planung und Bau bis zum Betrieb und Abriss. BIM erspart auch doppelte Arbeit der Gewerke, Wartezeiten und Baustillstand - mithin Kosten.
„Nötig am Bau sind mehr Digitalisierung und weniger Bürokratie bei der Stadt- und Infrastrukturplanung sowie straffere Genehmigungsprozesse. Ohne dynamischere, schnellere und flexiblere Ansätze lassen sich die baupolitischen Ziele einer neuen Regierung nicht erreichen“, appellierte jüngst Tim-Oliver Müller, Chef des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB). So müssten  auch Baugenehmigungen in standardisierte, digitale Verfahren überführt werden - vergleichbar einer Steuererklärung über das Elster-Verfahren.

 

Förderung seriellen Bauens

 

Um schnelleres Bauen zu ermöglichen, fordern beide Verbände auch eine weitere Förderung industrieller Bauverfahren. Dieses modulare, kostengünstige Bauen bewährt sich längst bei der Errichtung dringend nötigen Wohnraums. „Um bestmöglich von seriellen Bauweisen zu profitieren, brauchen wir auch bei  Gewerbeimmobilien und Verwaltungsgebäuden eine bundeseinheitliche Anwendung der Musterbauordnung sowie länderübergreifende Typenbaugenehmigungen. Es kann nicht sein, dass unsere Unternehmen ganze Produktionsstätten neu konfigurieren, nur weil die Brüstungshöhe in Bundesland A zehn Zentimeter niedriger ist als in Bundesland B“, so Müller.

 

Verschlanktes Regelwerk

 

Aber selbst wenn die Genehmigungen für ein neues Wohngebiet oder ein Industriegebäude erteilt sind, liegt manche Baugrube erstaunlich lange brach. Deshalb erreichte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) vor drei Monaten ein Brandbrief der Braubranche. Wegen der aufwendigen und komplizierten Genehmigungsverfahren für die Transporte könnten schon bald schwere Maschinen die Baustellen nicht mehr erreichen.  „Das System ist wesentlich komplizierter, umfangreicher und auch teurer geworden“, kritisiert die Bauindustrie. Zusätzliche Auflagen und einen Mangel an qualifiziertem Personal in den genehmigenden Stellen behinderten die Fertigstellung genehmigter Gebäude. Großraum- und Schwerlasttransporte wie Kräne, Muldenkipper, Raupenfahrzeuge oder Seilbagger kämen immer schwieriger zum Einsatz.

 

Deshalb müssten Transportanträge schneller genehmigt, Polizeibegleitung nicht kurzfristig abgesagt und Brücken für den Schwerlasttransport offengehalten werden.  „Das gesamte, die Genehmigung von Großraum- und Schwertransporten betreffende Regelungswerk muss umgehend verschlankt, vereinfacht und den Bedürfnissen der Praxis angepasst werden“, fordert der Bau-Verband.

 

Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), brachte es so auf den Punkt: „Genehmigungsverfahren sind Nadelöhre für die Versorgungssicherheit und die Transformation der Wirtschaft.“ Das Problem seien komplexe oder widersprüchliche Regelungen sowie fehlenden Standards. Laut einer Analyse des BDI dauern immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren in Deutschland ein halbes Jahr länger als gesetzlich vorgesehen. Vereinfachte Genehmigungsverfahren, die eigentlich nur drei Monate dauern sollen, würden demnach neun Monate in Anspruch nehmen.

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