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Management > Wie Gen Z die Arbeitswelt verändert

Arbeitswelt am Abgrund: Wird die Generation Z ihre Rettung oder ihr Untergang sein?

Die Generation Z fordert mit neuen Ansprüchen und Wertevorstellungen traditionelle Unternehmensstrukturen heraus. Was das für Sie als Führungskraft bedeutet.

(Foto: shutterstock)

Viele Fortune-500-Unternehmen werden in den nächsten fünf Jahren verschwinden. Der Angriff werde von einem Kind kommen, das heute noch mit dem Laptop auf den Knien auf der Couch sitze, sagt Innovations- und Unternehmensberater Stephan Jung voraus. „Nehmen Sie Nokia. Nichts haben die falsch gemacht, aber andere waren besser.“ Andere wie Apple-Gründer Steve Jobs, Amazon-Gründer Jeff Bezos oder Microsoft-Gründer Bill Gates. Gründer aus der buchstäblichen Garage.

 

Fortune 500

Fortune 500  ist eine Liste der US-amerikanischen Zeitschrift Fortune, die die 500 umsatzstärksten Unternehmen der Vereinigten Staaten pro Geschäftsjahr aufführt.

 

Doch die junge Generation ist nicht nur Bedrohung für Etabliertes. Sie wird in den Unternehmen dringend gebraucht, um mit den vielen Herausforderungen umzugehen, die die zwölf Megatrends mit sich bringen, die Berater Jung auf den Future Days 2024 an die Wand des Konferenzzentrums Kap Europa der Frankfurter Messe projiziert. Neben Globalisierung und Konnektivität zählt Jung dazu Cybercrime und Cybersicherheit, Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik sowie Mobilität, neue Arbeitswelt und Neo-Ökologie.

Ein bunter Strauß Themen, für den ein bunter Strauß Fähigkeiten beim Personal nötig ist. Auch, zu kommunizieren und einander zu verstehen. Die größten Herausforderungen sind für Unternehmen somit auch ein Personalthema, für das sie neue Herangehensweisen brauchen, um bestehenden und künftigen Belegschaften gerecht zu werden.

Die junge Generation sei nicht nur weniger am Aufstieg in herkömmlichen Karrieren interessiert, sagt Susanne Nickel, Rechtsanwältin und Arbeitsexpertin , sie ist auch deutlich weniger zahlreich als die Boomer. „Hatten wir 2023 zwei Millionen offene Stellen, werden es 2035 sieben Millionen sein“, warnt die Spiegel Bestsellerautorin. Und die Generation Z hat nicht das Leistungsethos der Boomer oder der Generation X – für diese Feststellung kassierte Nickel nach einem Gastbeitrag für das Handelsblatt einen Shitstorm.

Verantwortliche in Unternehmen will die Autorin vor allem in Verständnis schulen – für die Bedürfnisse der jungen Nachwuchskräfte. „Alle wollen Purpose“, sagt Nickel und konstatiert eine Sinnflation bei den jungen Menschen. „Und die jungen Leute wissen, die Rente ist unsicher“, sagt sie. „Mir haben einige gesagt ‚Ich will nicht buckeln wie meine Eltern und bis 70 arbeiten.‘“

Es gelte aber auch, Fehleinschätzungen und Missverständnisse über die potenziellen Nachwuchskräfte zu überprüfen. „Mir haben schon Leute meiner Generation gesagt: ‚Die wollen Malle für alle‘“, sagt Nickel. „Aber nach Malle, da fährt unsere Generation X hin. Die junge Generation macht Workation in Indonesien.“ Flexibilität ist Trumpf.

Susanne Nickel

Susanne Nickel, Arbeitsexpertin und Bestsellerautorin

„Du hast die Rolex, ich hab die Zeit“

Die Generation Z macht vieles anders und ist anders. Es fängt beim Zeitverständnis an, sagt Nickel. „Du hast die Rolex, ich hab die Zeit“, zitiert sie ihren Sohn. Für ihre Aussagen zum Leistungsethos verweist sie auf Studien, nach denen nicht nur Ältere die Jungen der Generation Y und Z für weniger leistungsfähig halten, sondern nach denen auch die junge Generation sich selbst dies attestiert.

Die junge Generation stellt die Arbeitswelt auf den Kopf und zwingt zum Handeln, stellt Nickel fest. „Junge Leute hatten nicht die Gelegenheit, ihre Fähigkeit zur Kommunikation zu entwickeln“, erläutert sie und verweist zur Begründung auf Helikoptereltern, aber auch Curling- oder Schneepflug-Eltern – die alle mehr oder weniger überfürsorglich den Weg für ihre Kinder freigeräumt hätten oder Tiger-Eltern, die ihre Kinder zu Höchstleistungen antrieben. „Heraus kommen verletzte innere Kinder, die auf Druck mit Kampf, aber auch Flucht reagieren“, erklärt Nickel. „Flucht hat sicher jeder Arbeitgeber schon erlebt, wenn Bewerber ins Ghosting gegenüber Arbeitgebern gehen.“ Den jungen Leuten empfiehlt Nickel: „Sagt doch, was ihr braucht und geht nicht einfach.“

Gabriele Hässig

Gabriele Hässig, Geschäftsführerin Kommunikation und Nachhaltigkeit bei Procter & Gamble

Die "Nachbeelterung"

Unternehmern und deren Personalverantwortlichen wiederum rät Nickel im Umgang mit der jungen Generation im Unternehmen zur Nachbeelterung, wie sie es nennt. „Dabei geht es darum, ihnen ein Zuhause im Unternehmen zu geben und in die Coaching-Funktion zu gehen“, erklärt sie. „Zuzuhören und auch mal Kante zu zeigen“, empfiehlt sie. „Da zu sein.“ Mit den jungen Leuten viel zu sprechen.

„Die jungen Auszubildenden zu fragen und sie erklären zu lassen, was sie bewegt und was sie denken, ist extrem wertvoll“, ist Isabella Martorell Naßl überzeugt, Vorstandsmitglied der Versicherungskammer Bayern und Vorstandsvorsitzende der Krankenversicherungsgruppe. Seit 2018 läuft in ihrem Unternehmen ein Reverse-Mentoring-Projekt mit bislang 30 Tandems aus Auszubildenden mit Führungskräften. „Bei dem suchen die Mentorinnen sich ihre Mentees aus“, hebt Martorell Naßl hervor – also Auszubildende die Führungskräfte. Der Austausch über die fachlichen und beruflichen, wie auch persönlichen Fragen bereichert beide Seiten, ist sie überzeugt. Sie selbst schätzte als Mentee die fachlichen Impulse ihrer jungen Mentorin und hatte viele Fragen zum Thema Ausbildung. Ein Ergebnis: Die Versicherungskammer bietet für den nächsten Ausbildungsjahrgang nun regelmäßige Kamingespräche an, um den Kontakt zu vertiefen.

Yaël Meier

Yaël Meier, Gründerin von Zeam

„Alle Generationen wollen gehört und gesehen werden“

„Die Generation Z will sofort gehört und gesehen werden“, diese Erkenntnis nahm Gabriele Hässig, Geschäftsführerin Kommunikation und Nachhaltigkeit bei Procter & Gamble für die DACH-Region, als Mentee von Yaël Meier mit, die als Gründerin von Zeam, Führungskräfte in Coachings und Reverse Mentorings an die Generation Z heranführt. „Ich gebe gern Feedback, wenn Sachen fertig sind“, berichtet Hässig. Damit, während laufender Projekte Feedback zu geben, tat sie sich zuvor jedoch schwer. „Durch das Wissen, dass die Generation Z ein ‚Ich seh Dich‘ braucht, kann ich es nun anders lösen“, freut sie sich.

„Alle Generationen wollen gehört und gesehen werden“, ist Martorell Naßl überzeugt. Und nicht nur verschiedene Generationen – auch Menschen verschiedener Geschlechter und Geschlechtsidentitäten, Hautfarben, Nationalitäten oder auch west- und ostdeutscher Herkunft wollen das. Oder verschiedene Berufsgruppen im Unternehmen, weiß Stephanie Renda, Mitgründerin von Moinland und Vorstand von AEU. Sie hat bereits viermal ein Unternehmen gegründet und sprach auf den Future Days 2024 zusammen mit Heiko Stahl, Senior Vice President bei Vitra, darüber, was Unternehmer von Start-ups über eine ganzheitliche Welt lernen können. Es ging um Werte und Bedürfnisse und das Lieblings-Großraumbüro von Software-Ingenieuren. „Ein Raum mit einem einzigen großen Schreibtisch, dicht an dicht und alle hatten Kopfhörer auf“, berichtet Renda.

Heiko Stahl

Heiko Stahl, Senior Vice President bei Vitra

Der besondere Weihnachtsfilm

„Die wollen sich spüren.“ Sonst sei bei Start-ups unterhalb der B-Serienfinanzierung das Büro egal. „Ab der B-Serie brauchen Sie als Start-up natürlich ein repräsentatives Büro“, stellt sie fest. Und gerade Start-ups probierten seit Beginn der Pandemie vom Homeoffice über Coworking-Spaces allerhand aus. Sie sollten sich ihren Spirit und einen gewissen Garagen-Charakter auch nach der Gründung erhalten, rät Renda.

Sie empfiehlt: „Beim Anmieten darauf achten, nicht ein Büro mit fünf Jahren Mietvertrag zu beziehen, wenn nicht klar ist, ob es einen in drei Jahren noch gibt.“ Ob Flexibilität, Raum oder persönliche Ansprache – für Unternehmer und Personalverantwortliche gilt es, offen zu bleiben dafür, was Beschäftigte brauchen, um gut arbeiten zu können. Ulrich Klenke und sein Team suchen für die Telekom suchen sie nach Wegen, dem Motto „Wir verbinden Menschen“ als Marke und im Unternehmen gerecht zu werden. Und machen es sich nicht leicht. „Wir sind nach Auschwitz gereist, um mit Teams aus anderen Ländern über unsere Werte zu sprechen“, berichtet Klenke.

„Wir wollen nicht ausgrenzen. Wir sind aktiv inklusiv und nicht passiv exklusiv“, sagt der Manager. Im Unternehmen und der Werbung. Dabei gilt es, auch Belangen gerecht zu werden, wie denen des ungarischen Teams. „Da kann es für Homosexualität im Film eine Abmahnung vom Kultusministerium geben“, sagt Klenke, „und dann ist der Film weg.“ In diesem Jahr wird es nun einen Weihnachtsfilm geben, für den das Team aus der Slowakei den Zuschlag bekommen hat.

Zwei Mädchen machen eine Schneeballschlacht. Plötzlich prallt die eine an einer unsichtbaren Glaswand ab und der zuvor ausgelassene Spaß endet. Auf der einen Seite Menschen mit Elfenohren, hellen Haaren und hellblauer Kleidung. Auf der anderen Seite der Glasscheibe Menschen mit spitzen Nasen, dunklen Haaren und dunkelroter Kleidung, die einander misstrauisch beäugen. Kein Kontakt, nur zwei Mädchen, die Tag und Nacht versuchen, durch Schneekunststückchen und Lichtsignale zueinander zu finden. Zu Weihnachten packt jede das Geschenk für die jeweils andere selbst aus. Ein Ziegelstein und ein großer Steinbrocken. Mit denen werfen sie die Glaswand ein, die ihre beiden Schneekugeln, wie sich im Zoom-out zeigt, voneinander getrennt hatten. „80 Prozent unserer Shopbetreiber haben einen Migrationshintergrund“, sagt Klenke. „Die sind nach dem Viewing aufgestanden und haben applaudiert.“

Es reicht nicht, über die eigene Bubble nur hinauszuschauen, zeigt sich Martorell Naßl überzeugt und greift den Film ihres Vorredners auf: „Lassen Sie uns die Bubbles zum Platzen bringen.“

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