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Personal > Fachkräftemangel

Gender-Gap im MINT-Bereich

Warum immer noch zu wenige Frauen in naturwissenschaftlichen Berufen arbeiten, weiß Rosemarie Kay vom Institut für Mittelstandsforschung Bonn. Sie untersuchte die Berufsbereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (sogenannte MINT-Berufe).

Sie haben vor circa einem Jahr eine Studie zur Beschäftigungs- und Einkommenssituation junger Frauen in MINT-Berufen veröffentlicht. Was sind die drei wichtigsten Ergebnisse?

Erstens: In Kleinstbetrieben mit maximal neun Beschäftigten und in großen Unternehmen arbeiten mehr junge Frauen in MINT-Berufen als in Klein- und Mittelbetrieben. Zweitens: Je mehr Frauen es in der Belegschaft und in der Geschäftsführung gibt und je aktiver das Unternehmen in Sachen Gleichstellung ist, umso mehr zieht es weibliche Fachkräfte in diese Betriebe. Und drittens: Der Gender-Pay-Gap zwischen jungen MINT-Beschäftigten ist geringer als zwischen jungen Frauen und Männern in der Privatwirtschaft insgesamt.

MINT ist ja ein Sammelbegriff, der unterschiedliche mathematisch-naturwissenschaftlichen Berufsfelder umfasst. In welchen Bereichen sind Frauen besonders stark unterrepräsentiert?

Klar unterrepräsentiert sind sie vor allem in den Bereichen Informatik (15,7 Prozent der Beschäftigten) und Technik (14,3 Prozent). Wenn Sie hingegen auf die Berufsgruppen Mathematik und Naturwissenschaften schauen (40,8 Prozent), stellen Sie fest: Hier gibt es fast genauso viele junge Frauen wie in der Privatwirtschaft insgesamt.

Wie erklärt sich dieser Unterschied?

Dazu können wir nur Mutmaßungen anstellen. Ein Grund dafür könnte darin liegen, dass auch Arbeitsplätze im Labor zu den Berufsgruppen Mathematik und Naturwissenschaften zählen. Diese werden aufgrund der Arbeitsbedingungen als weniger „männertypisch“ empfunden als beispielsweise Tätigkeiten in Werkhallen. Eine Rolle spielt aber auch die Frage der Teilzeitarbeit: In den Berufsgruppen Mathematik und Naturwissenschaften bieten sich offenbar bessere Möglichkeiten hierzu als in den Bereichen Informatik und Technik.

 

Sie haben erwähnt, dass in großen und in ganz kleinen Betrieben mehr junge Frauen in MINT-Berufen arbeiten als im kleinen und mittelgroßen Mittelstand. Woran liegt das?

In erster Linie dürfte es daran liegen, dass gerade in diesen Betriebsgrößenklassen bestimmte Qualifikationen und Berufsgruppen benötigt werden, in denen die jungen Frauen per se stärker präsent sind. Allerdings sind die Unterschiede eher geringfügig.

Lässt sich sagen: Der deutsche Mittelstand insgesamt leidet unter Frauenmangel?

Nein, im Gegenteil: Der Mittelstand findet immer mehr ausgebildete Frauen vor – und erkennt auch zunehmend deren Potential.

Sie haben auch den Bereich Recruiting untersucht. Dabei sind Sie zum Ergebnis gekommen, dass im MINT-Sektor Frauen eher Frauen und Männer eher Männer einstellen. Wie erklären Sie sich das?

Bei der Rekrutierung von jungen MINT-Fachkräften folgen offenkundig sowohl Frauen als auch Männer dem Auswahlmechanismus der „sozialen Homophilie“. Das heißt: Sie neigen dazu, Bewerber des eigenen Geschlechts einzustellen, weil sie unbewusst erwarten, dass diese sich ähnlich wie sie selbst verhalten – und auch ähnliche Wertevorstellungen besitzen.

Noch ein Befund aus Ihrer Studie: Nur jede fünfte Frau aus dem MINT-Bereich arbeitet Teilzeit. Das sind deutlich weniger als die 33 Prozent branchen- und sektorübergreifend. Was sind die Gründe dafür?

Es könnte verschiedene Gründe haben: Möglicherweise lässt sich im MINT-Bereich die Arbeit nicht so gut in Teilzeit organisieren. Vielleicht sind Frauen in MINT-Berufen aber auch seltener an Teilzeit interessiert. Eventuell herrscht in den jeweiligen Unternehmensbereichen eine Kultur vor, die Teilzeitarbeit als wenig akzeptiert erscheinen lässt. Und nicht zuletzt könnten Fachkräfteengpässe, die in den MINT-Berufen tendenziell stärker ausgeprägt sind als in anderen Berufen, die Arbeitgeber veranlassen, vorrangig Vollzeitarbeitsplätze anzubieten.

Kommen wir zum heiklen Thema Gehalt: Auch bei MINT-Berufen klafft ein Gender-Pay-Gap. Das heißt, dass Frauen trotz vergleichbarer Qualifikation weniger verdienen als ihre männlichen Pendants. Verhandeln Frauen schlechter?

Das würde ich so nicht sagen. Der Gender-Pay-Gap zwischen jungen MINT-Beschäftigten ist eindeutig geringer als zwischen jungen Frauen und Männern in der Privatwirtschaft generell. Am geringsten ist er übrigens in den Kleinst- und Kleinbetrieben. Also scheinen Frauen in MINT-Berufen so schlecht nicht zu verhandeln.

Hier geht es zur IfM-Studie "Die Beschäftigungs- und Einkommenssituation von Young Women MINT Professionals im Mittelstand".

Wenn Sie ein Fazit aus Ihrer Studie ziehen: Wie können mathematisch-naturwissenschaftliche Berufe für junge Frauen attraktiver gemacht werden?

Immer noch gilt eine Vielzahl von MINT-Berufen als nicht frauentypisch. Dieses Image lässt sich am ehesten dadurch ändern, dass sich mehr junge Frauen für diese Berufe entscheiden. Attraktiver werden diese Berufe durch Arbeitsbedingungen, die eine leichtere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erlauben.

Ist auch die Politik gefordert?

Sicherlich sind noch weitergehende Angebote an öffentlicher Kinderbetreuung erforderlich. Zugleich sollten die Anreize dafür erhöht werden, dass Familien- und Erwerbsarbeit gleichmäßiger zwischen den Geschlechtern verteilt wird.

Werfen Sie zum Schluss einen Blick in die Glaskugel: Wird sich die Situation im Jahr 2030 gebessert haben?

Ja! Zum einen werden sich die Unternehmen aufgrund des demographischen Wandels noch mehr um Fachkräfte bemühen müssen als bisher. Stichwort: Fachkräftemangel. Davon profitieren auch die Frauen in den MINT-Berufen. Zum anderen gehe ich davon aus, dass das Interesse von Frauen an MINT-Berufen langsam, aber stetig steigen wird. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gab es vielfältige Initiativen, junge Frauen im MINT-Bereich zu fördern. Diese Maßnahmen werden ebenso dazu beitragen, dass sich die Situation verbessert, wie die sich wandelnde Arbeitskultur in diesen Berufen.

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