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Personal > Schafft Diversität und Zusammenarbeit

Generationenmanagement in Unternehmen

Ob absichtlich oder nicht: Alte werden gegen Junge ausgespielt – zum Schaden der Unternehmen. Wie Generationen-Management in Betrieben funktionieren kann.

Baby-Boomer Vorstellungsgespräch
Hallo Praktikant: Manchmal sind neue Mitarbeiter überraschend etwas älter.Bildquelle: © Shutterstock

Die HR-Chefin steht mit Blumen und Abteilungsleiter um 9 Uhr morgens am Empfang, um die neue Kollegin willkommen zu heißen. Es war kein leichter Weg, bis die Vertreterin der Generation Z den Vertrag unterschrieben hatte. Am Ende des ersten Bewerbungsgesprächs fragte sie zum Beispiel: „Warum sollte ich mich für Sie entscheiden?“ Doch solcherlei kann die Personalerin inzwischen nicht mehr schocken. Was sie bis dato aber noch nicht erlebt hatte, war, dass eine „beinahe“ neue Kollegin ohne irgendeine Nachricht am ersten Arbeitstag schlichtweg nicht erscheint. Doch diesmal ist es so. Die Blumen wandern in die Gemeinschaftsküche, die Personalsuche geht von vorne los. Bewerbungen von Menschen über 50 werden dabei selten berücksichtigt: Der deutsche Arbeitsmarkt mag einer für Bewerberinnen und Bewerber sein, aber nicht zwingend für die jeden Alters. Wer älter als 50 ist, hat es bei Recruitern überdurchschnittlich schwer.

Die eine ist eine „alte Schachtel“, der andere ein „Grünschnabel“. Mal wird in Stellenbeschreibungen Erfahrung gesucht, mal möge man bitte „jung und dynamisch“ sein. Rechtens ist vieles davon nicht, aber immer noch Realität. Beim Thema Geschlecht wird Sprache sehr intensiv betrachtet – Stichwort gendern. Beim Alter gehen wir dagegen in aller Regel oberflächlich über gewisse Unhöflichkeiten hinweg. Hier fällt uns seltener auf, wenn wir diskriminieren. Überhaupt spricht die Unternehmenswelt bei Diversität viel häufiger über die Dimension Geschlecht als über die Dimension Alter. Dabei ist letztere ähnlich wichtig.

Platt gesagt: Die Jüngeren fühlen sich in Schubladen gesteckt, viele Alte vermissen Wertschätzung, weswegen sie möglichst schnell in Rente wollen. Der Umgang zwischen Boomern und der Generation Z ist häufig von Missachtung geprägt, bestenfalls Missverständnissen. „Wir denken oftmals nur daran, dass ältere Mitmenschen diskriminiert werden, aber den Jungen passiert das genauso“, sagt Irène Kilubi. Die 38-Jährige hat für ihr Buch „Du bist mehr als eine Zahl“ mehr als 100 Interviews geführt und fasst all das Gesagte zusammen: „Ich habe festgestellt, dass wir als Menschen nie im richtigen Alter sind. Wir sind entweder immer zu jung oder zu alt.“ Menschen würden wegen ihres Alters gewisse Chancen und Rechte vorenthalten. Dabei gebe es keinen Beweis, dass es etwas mit dem Alter zu tun hat, ob Menschen mit überraschenden Krisen besser oder schlechter umgehen könnten. Dafür sei eher wichtig, wie sie durch die Umbruchphase begleitet würden. Nicht zu vergessen ist dabei, dass die Jungen in Betrieben auch immer jünger werden. War der durchschnittliche Hochschulabsolvent 2012 noch 26,3 Jahre alt, lag das Alter 2022 bei 23,6 Jahren.

Elan ausgebremst

Dennoch oder gerade deshalb: „Den jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird bisweilen keine Führungsverantwortung zugetraut oder man bremst sie aus, wenn sie vor lauter Ideen sprühen“, sagt Kilubi. Das „Mach-mal-piano-Prinzip“ heißt Adultismus. Eine ältere Person behandelt einen jungen Menschen wie ein Kind. Kilubi hat Diskriminierung in mehrerlei Hinsicht erlebt. Sie kam in jungen Jahren als Kriegsflüchtling nach Deutschland. Die promovierte Wirtschaftsingenieurin ging den harten Weg in die Welt des Technischen, leitete Digitalisierungsprojekte und boxte sich in großen Unternehmen durch: Siemens, BMW, Deloitte.

Wie sie als Frau und Zugezogene diskriminiert wurde, war das eine. Aber dass man sie wegen ihres jungen Alters nicht als Fach- und Führungskraft akzeptierte, machte ihr am meisten zu schaffen. Sie fragte sich, ob es nur ihr so ging und fing über Social Media und andere Plattformen die Stimmungslage ein. Dann folgten wissenschaftliche Literatur und Interviews. Irgendwann machte sie sich selbstständig. Heute berät sie nun Firmen unter anderem dabei, Alte und Junge optimal im Betrieb einzusetzen. „Wir müssen uns fragen, warum wir diese Generationenkategorien überhaupt haben. Weil wir einfach davon ausgehen, dass jede Altersgruppe so eine gewisse Identität prägt.“

Was hilft, ist Generationenmanagement – ein Begriff, den Kilubi permanent verwendet, der aber in weiten Teilen des Mittelstandes bestenfalls halbherzig umgesetzt wird. Gemeint ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was Deutschland in der Frühverrentungswelle der 1980er- und 1990er-Jahre erlebt hat. „Es reicht nicht, ein nettes Generationencafé einzurichten oder ein jährliches Pensionärstreffen. Personaler und Führungskräfte sind gefragt, Altersdiversität zu managen und Konsistenz zu beweisen“, sagt Kilubi. Nötig sei ein aktiver Umgang mit Vorurteilen. Das theoretische Wissen, dass diverse Teams besser funktionieren, reiche nicht aus.

Einige Maßnahmen helfen, Jung und Alt zusammenzubringen.

  • Reverse Mentoring: Junge erklären Älteren, wie die Dinge laufen, von denen sie mehr Ahnung haben. Das Senioritätsprinzip wird also aufgebrochen. Der oder die Junge ist fit bei digitalen Tools, der Ältere beim internen Stakeholder-Management: Erfahrung hilft, im Unternehmen an Geld, Freigaben oder IT-Kapazitäten zu kommen. Studien haben festgestellt, dass viele klassische Mentoringprozesse scheitern, vor allem wenn junge Menschen Angst haben, nicht ernst genommen zu werden, wenn sie jetzt einer erfahrenen Person etwas mitteilen. Und bei den älteren Personen ist es so, dass sie sich immer in der Verantwortung fühlen. Glauben, schlauer sein und den Takt vorgeben zu müssen. „Eben darin liegt der Charme beim Reverse Mentoring: Die beiderseitige Angst wird durchbrochen“, sagt Kilubi.
  • Jobcrafting: Beschäftigte können ihren Job gemäß ihrer individuellen Stärken proaktiv mitgestalten. Das steigert die Motivation vor allem der Älteren, was wesentlich dafür ist, dass sie mindestens bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter an Bord bleiben, wenn nicht sogar darüber hinaus. Derzeit liegt das reale Renteneintrittsalter fast zwei Jahre unter dem gesetzlichen – und dafür sorgen beileibe nicht nur Dachdecker und andere Menschen, denen körperlich in ihrem Berufsleben alles abverlangt wurde. Viele wollen nicht mehr und müssen finanziell betrachtet auch nicht mehr. Das durchschnittliche Alter, wo der oder die Deutsche ein Erbe erhält, liegt übrigens bei Ende 50 – auch das spielt eine Rolle. Was viele frustriert, ist auch, dass ihre über Jahrzehnte aufgebauten Fähigkeiten im Alltag nur bedingt als realer Vorteil spürbar sind. Erfahrungswissen kann man kaum messen. In den USA ist es üblich, ältere Mitarbeiter in ihren letzten Berufsjahren mit der Kamera zu begleiten, sprich zu filmen, wie sie Herausforderungen meistern.
  • Shadow Boards: In solchen Schatten-Aufsichtsräten äußern sich junge Nicht-Entscheidungsträger über die Ideen der älteren Managerinnen und Manager. Diese Verjüngungskur führt im besten Fall auch dazu, dass der Nachwuchs Einblick in die Unternehmensführung bekommt. Er muss aber auch damit rechnen, dass die Bemerkungen ignoriert werden. Unternehmen wie Gucci haben damit gute Erfahrungen gemacht, erkannten sie so mehrmals Veränderungen am Markt früher als der Wettbewerb. „Älter zu werden ist ein biologischer Prozess, kein Verdienst“, hat die ehemalige Digitalchefin von Bosch einmal gesagt. „Ich möchte an meine Generation die Bitte richten, sich mit jungen Menschen auszutauschen.“ Eng mit dem Prinzip der Shadow Boards verwandt sind das Job-Shadowing, wo junge Kollegen erfahrene begleiten. Die gesteigerte Form ist eine Job-Rotation, also ein systematischer Arbeitsplatzwechsel.

Basis jeglichen Generationenmanagements ist ein Grundverständnis, wie die jeweils andere Generation geprägt wurde. Der junge Teil der Generation Y sowie die Generation Z sind in einer Multioptionsgesellschaft groß geworden. Für sie ist es normal, mehrere Möglichkeiten zur Auswahl zu haben – das kann man ihnen genauso wenig vorwerfen wie den Umstand, dass die deutsche Gesellschaft in den vergangenen 20 Jahren noch nie so vermögend war. Aber das Schubladendenken ist bei uns allen nicht auszublenden. „Was mir in unserer Gesellschaft sehr fehlt: Wir haben verlernt, Fragen zu stellen“, sagt Buchautorin Kilubi. „Wir gehen immer von irgendwelchen Annahmen aus und projizieren sie auf unser Weltbild.“ Junge Menschen wollen lieber aus der Ferne arbeiten? Die Älteren sind überfordert mit den digitalen Kommunikationsmedien? Mag manchmal so sein, oft aber eben auch nicht.

Außerdem hilft Empathie. Bewiesenermaßen ist die Aufmerksamkeitsspanne der jungen Generation kürzer. „Aber statt sich darüber zu beschweren, könnten sich die Älteren fragen, ob sie selbst gegen all die sozialen Medien immun gewesen wären“, rät Kilubi. Es ist eben der Kontext, in dem sie aufgewachsen sind, mit all den vielen Einflüssen und der großen Reizüberflutung. „Genauso müssen junge Menschen verstehen, dass ältere vielleicht mit all ihren Abkürzungen nicht zurechtkommen.“

Mehr Spaß gefragt

An dieser Stelle setzt auch Susanne Nickel an, die sich als Kritikerin der Generation Z deutschlandweit einen Ruf erarbeitet hat. Gerade ist ihr Buch „Verzogen, verweichlicht, verletzt“ erschienen, in dem sie aber nicht nur die jungen Leute angreift, sondern um Lösungen bemüht ist. Nickel hat eine Erklärung für das Verhalten der Jüngeren. Ihre Eltern, die zumeist den Babyboomern oder der Generation X angehörten, „haben sich oft zu Tode gearbeitet“. Bei Mama oder Papa ist Arbeit etwas, da muss man hingehen. Arbeit ist eher Pflichterfüllung als Selbstverwirklichung. „Diesen Mangel an Spaß und Sinn haben viele junge Leute verinnerlicht und sagen jetzt: ,Dieses Konzept lehne ich ab. Rette sich, wer kann.‘“, sagt die Beraterin. „Wenn wir weiter vor der Generation Z buckeln, dann kriegen wir in Deutschland ein gesamtwirtschaftliches Problem.“

Einige der oft wohlbehütet aufgewachsenen jungen Menschen hätten gar nicht richtig gelernt, mit Kritik oder Herausforderungen umzugehen, sagt Nickel. Viele ihrer Kunden berichteten, „dass sie bei der zweiten Äußerung von Kritik dann eben wieder weg sind und das Firmenhopping losgeht.“ Nach ein paar Jahren werden die vermeintlich schlechten Erfahrungen mit den Arbeitgebern wie Rabattmarken gesammelt und die eigene negative Hypothese bestätigt sich.

Nickel sieht die Gründe für die meisten Sorgen der jungen Generation schwinden. Denn in vielen Unternehmen wandelt sich die Kultur erheblich. Der Trend geht weg von Kontrolle mit Weisung und Gehorsam hin zu agilem Arbeiten. Führung verstehe sich auch mehr als Dienstleistung, mit Coaching, sagt sie. „Chefinnen und Chefs sind nicht mehr so schlimm wie bei Mama und Papa damals. Das könnte man den jungen Leuten guten Gewissens auch heute schon sagen.“

Kern des Problems ist für Nickel das Verhalten des Führungspersonals. „Das antiquierte Konzept, den fachlich besten zur Führungskraft zu machen, muss beerdigt werden.“ Bei der Fehlerkultur liegt der Königsweg vermutlich zwischen der Haltung der Boomer – darüber redet man nicht – und dem häufig erlebten Verhalten der Generation Z – Ich danke meiner Chefin, wenn sie mich auf einen Bock hinweist, aber zu Herzen nehme ich mir nicht, dass er passiert ist. „Ein großer Fortschritt wäre, wenn Führungskräfte kapieren würden, dass Feedback eben nicht heißt: Das hast du gut gemacht.“ Rückmeldung ist mehr als Lob oder Kritik, sie braucht Tiefe und eine wertschätzende Grundhaltung. Selbst wenn der Inhalt negativ ausfällt, kann Wertschätzung transportiert werden.

Die Königsdisziplin ist für den Arbeitgeber ein Modell, das Nickel Nachbeelterung nennt. Vertreter des Unternehmens oder eingesetzte Coaches holen Versäumnisse der Eltern der jungen Menschen auf. Dass es die zuhauf gibt, ist unbestritten. Mal wurde sich zu wenig gekümmert, mal alles aus dem Weg geräumt, was nach Herausforderung klingen könnte. Diese Nachbeelterung soll vor allem Stoppschilder aufstellen und dafür sorgen, dass sie akzeptiert werden. „Junge Menschen müssen dazu bewegt werden, innerlich und äußerlich einem angemessenen Ausgleich zwischen ihren Bedürfnissen und denen des Unternehmens zuzustimmen“, sagt Nickel.

Für sie ist die Generation X, die Jahrgänge 1965 bis 1979, ideal dafür geeignet, zwischen Jung und Alt zu vermitteln – wegen ihrer Erfahrungen und Soft Skills. „Die Xler sind im Unternehmen extrem gut vernetzt und gut darin, Schnittstellen und Stakeholder zu managen. Sie wissen, wie man Dinge geschickt kommuniziert und adressiert und Projekte intern ins Rollen bringt“, sagt Nickel. „Auf der anderen Seite kennen sich die Jüngeren mit den digitalen Tools sehr gut aus. Deswegen ist ein Duo zwischen Alt oder Mittelalt und Jung sicherlich eine günstige Variante.“

Hilfe vom Ruheständler

Idealerweise fühlen sich die Älteren bis nach dem Renteneintritt so wertgeschätzt, dass sie nicht aufhören wollen zu arbeiten. Diese Unruheständler zu vermitteln, ist das Fachgebiet von Oliver Schubotz und Michael Käßberger. Die Geschäftsführer von Sentaris helfen Mittelständlern, Kapazitätslücken zu schließen, wenn Gewerke und Projekte beaufsichtigt oder Aus- und Weiterbildungsteilnehmer betreut werden müssen. Oft fehlt im Unternehmen auch Hilfe bei Aufgaben, die Branchenerfahrung oder spezielles Know-how erfordern, wie Arbeitszeugnisse zu schreiben oder Angebote nachzuverfolgen. Ältere, die über den Ruhestand hinaus tätig bleiben wollen, gebe es immer mehr, sagt Schubotz. „Eine Motivation ist das Bedürfnis, Wissen weiterzugeben, anstatt ihre Erfahrungen verkommen zu lassen. Dazu kommt die soziale Komponente des Austausches und des Gefühls, noch gebraucht zu werden.“

Der Einstieg beginnt mit dem Ruhestand oder auch dem Vorruhestand, also etwa um die 60 herum. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt. „Es gibt eine Reihe von vitalen über 80-Jährigen, die wertvolles Wissen mitbringen, das gefragt ist“, sagt Schubotz. Vom Schichtleiter oder Lageristen bis zum promovierten Chemiker ist alles dabei. „Schließlich kann jeder ein volles Berufs- und Arbeitsleben mitbringen. Wir wissen ja heute noch nicht, welche Kompetenz morgen gefragt ist.“

Damit Unternehmen und Unruheständler zueinander passen, ist es wichtig, die Profile möglichst umfassend zu erheben. Um einen nahezu optimalen Abgleich zu den Aufgabenanfragen der Unternehmen zu erreichen, helfen KI-Systeme. Dabei ist eine komplette Integration in die Betriebe nicht die Regel. „Die Unruheständler leisten in der Regel Transfer von Wissen und Kompetenz und sind nur rudimentär in die Strukturen der Unternehmen eingebunden“, sagt Schubotz. „Sie sollen ja keine Angestellten ersetzen, was sie im Übrigen auch gar nicht wollen, sondern sollen begleiten, anleiten, coachen und beraten.“

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