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Personal > Digitale Weiterbildung: Schlüssel zur Zukunft für KMUs

Hier macht niemand den Bildschirm aus

Digitale Weiterbildung hat keinen guten Ruf. Dabei liegt gerade hier für kleine und mittlere Betriebe der Schlüssel für die Zukunft. Es gilt, einiges zu beachten.

Neues wagen: Noch immer wird meist in Präsenz weitergebildet. Dabei geht es billiger und effizienter digital am Rechner. Bild: Shutterstock

So mancher Teilnehmer des digitalen Kurses wirkt erschrocken, als klar wird: In diesen zwei Stunden muss der Bildschirm an bleiben. Hier kann man nicht 20 E-Mails parallel schreiben und sich bestenfalls mit halbem Ohr berieseln lassen, wie neulich bei der Cyber-Security-Schulung, an der alle einmal pro Jahr teilnehmen müssen. Der Trainer der Einheit rund um Präsentation spricht jede und jeden mit Namen an. Er war früher Ingenieur bei BMW, ein Mann aus der Praxis, und ist nun seit drei Jahren Trainer für Fähigkeiten, die alle in der Runde ein Stück weit haben. Er fragt direkt, was ihnen Sorgen macht, wovor sie Angst haben. Alle zehn Teilnehmenden antworten im Chat oder schalten ihr Mikro an.

Die Struktur des Kurses hat eine klare Logik, keine Minute ist verschwendet, das Niveau hoch, aber nicht zu anspruchsvoll. Wer sich konzentriert, kann gut mithalten. Wer nicht, fällt auf. Was der Trainer anspricht, lässt sich direkt anwenden. Immer wieder fordert er zum Mitmachen auf. Am Anfang geht es darum, seine Wünsche zu äußern. Dann muss man Antworten geben, wird bisweilen sogar aufgerufen wie in der Schule. Aber auf smarte Art, aufmunternd.

Zudem gibt es fünfminütige Breakout-Sessions, in den jeweils zwei der Lernenden einer Fünfjährigen zum Beispiel komplexe Begriffe aus dem Unternehmensalltag erklären sollen. Bei der anschließenden Reflexion in der großen Gruppe wird klar, dass es gar nicht so schwer ist, in Präsentationen komplexe Fachbegriffe und Plastikwörter zu vermeiden. Selten dauert die Frontbeschallung länger als fünf Minuten am Stück. Nach der Schulung gibt es ein Zertifikat, das jeder und jede mit einem Klick auf LinkedIn teilen kann – wenn gewünscht – und die Möglichkeit zum Feedback.

Kluge Köpfe

Diese Art der Fortbildung, kurz E-Learning genannt, ist so ziemlich das Gegenteil der alten Welt. Betriebliche Weiterbildung bedeutet häufig bis heute, seine Beschäftigten zwei Tage auf ein Seminar zu schicken. Sie gehen hin, lernen etwas Neues, finden das spannend, fahren nach zwei intensiven Tagen nach Hause und kehren zurück in den Arbeitsalltag. Dort ist viel liegengeblieben und sie haben oft keine Chance, das neu Erlernte anzuwenden. Und laut aktueller Forschung haben sie vieles vom Gelernten in ungefähr sieben Tagen wieder vergessen.

Wir leben in einer Zeit, die sich schnell dreht. In der man mit sogenannten Future Skills diesen neuen Megatrends begegnen soll. Um all die Herausforderungen zu lösen, braucht ein Unternehmen Menschen mit neuen Fähigkeiten. Im Kern ist Weiterbildung Win-win: Die Organisation benötigt klügere Köpfe und die Beschäftigten wollen am Ball bleiben und Zukunftskompetenzen aufbauen. Doch in der Realität scheitern die meisten Betriebe, gerade auch die kleineren, an der Umsetzung, mit der Folge, dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter woanders hingehen.

Jemand, der sich schon immer um die Frage kümmert, wie und warum Menschen eigentlich lernen und wie das funktioniert, ist Basti Koch. Nach dem entsprechenden Studium entschied er sich gegen eine akademische Laufbahn, sondern so ziemlich für das Gegenteil: Er reiste durch die Welt, half einem US-Geheimdienst bei der Weiterbildung mittels E-Learning, der britischen Polizei, dem thailändischen Roten Kreuz oder dem schweizerischen Lawinenforschungsinstitut. Heute ist er der Kopf des Corporate Start-ups Sparks der Haufe Akademie.

Aus seiner Sicht haben Betriebe in den vergangenen Jahren vieles ausprobiert, aber auch viel verbrannte Erde hinterlassen. „Für so machen ist E-Learning ein Drohwort, eher Pflicht und Zeitverschwendung als Chance.“ Basis für den erfolgreichen Einsatz sei ein gewisser Digitalisierungsgrad des Unternehmens nebst entsprechender Kultur. „Dann fällt es mir auch leichter, modernere Werkzeuge zu nutzen, die näher am Alltag der Beschäftigten sind.“

Wann funktioniert digitale Weiterbildung? Die Basis sei die fundierte Didaktik, sagt Koch. Doch die bringe nur die Hälfte. Denn der Teilnehmer oder die Teilnehmerin muss das Wissen anwenden und darüber nachdenken können. „Was ich da vor allem gelernt habe, ist Storytelling. Relevanz schaffen. Augenhöhe.“ Warum ist es wichtig, dieses oder jenes zu wissen? Warum ist es für mich wichtig? Dann ist da der Blick auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. „Viele Lernmethoden sind vielleicht adaptiv, aber nicht personenzentriert. Da geht es gar nicht um den Lerner, sondern vielleicht um das Unternehmen, das lehren will“, meint Koch.

Auf die Frage, wie es um Weiterbildung in Deutschland steht, antwortet Julia Kupke: „Da kann man wahrscheinlich nur die falsche Antwort geben oder jeder fühlt sich auf den Fuß getreten.“ Kupke ist Gründerin von Lotaro, dem Start-up, das unter anderem den eingangs beschriebenen Kurs anbietet. Wobei sie Lotaro nicht als klassisches Start-up sieht. „Unsere Trainer machen das seit Jahren.“ Aus ihrer Sicht fordern Beschäftigte immer mehr wirkungsreiche Weiterbildung ein, gerade über digitale Kanäle. „Aber an der Umsetzung scheitert es ganz klar.“

Lotaro will das ändern und bietet Betrieben strukturiert digitale Weiterbildung an. Kupke und ihr Team haben auf der einen Seite die Technologie und auf der anderen Seite einen Pool an guten Trainern. Vor allem Unternehmen mit viel Projektgeschäft fragen bei ihr nach, „weil die besonders merken, wie wichtig People Skills sind“.

Wo viele unter 30-Jährige mit ihren oft älteren Kunden auf Augenhöhe kommunizieren wollen, sind Fertigkeiten gefragt, die man nicht unbedingt an der Uni lernt. Lotaros Kernzielgruppe sind Unternehmen von 50 bis 500 Beschäftigten. Die großen Konzerne haben ihre Strukturen, aber wer am breiten Markt Anbieter sucht, erlebt eine enorme Intransparenz. „Es gibt immer noch viele schwarze Schafe auf dem Markt, was die Formate und die Inhalte betrifft“, meint Kupke. Coaching ist bekanntlich kein geschützter Begriff.

Bei der Weiterbildung trennt Kupke den Bereich Hard Skills von den Soft Skills – auch wenn sie die beiden Wörter nicht mag, weil sie eine gewisse Wertung in sich tragen. Bei den Hard Skills geht es um konkrete Fähigkeiten in Methoden und Programmen für den konkreten Job: Der Designer sollte Design-Tools beherrschen, der Programmierer seine Code-Sprachen. „Da gibt es viele Anbieter. Anders sieht es bei den Soft oder People Skills aus, also das, was die Person viel mehr ausmacht.“ Diese Fähigkeiten werden in vielen Betrieben eben nicht so gefördert, auch weil all das nicht ganz so klar messbar ist. Gerade bei jungen Führungskräften ist oft unklar, was sie können und wo sie Training brauchen. „Klassisches E-Learning kommt auf eine Nutzung von erschreckenderweise unter fünf Prozent im Unternehmen, da liegen wir deutlich darüber“, sagt Kupke. Idealerweise sind die Trainingsangebote in den beruflichen Alltag integriert, aber klar ist auch, dass Freizeit geopfert werden muss, im Zweifel, weil Arbeit liegenbleibt und später erledigt werden muss.

Was ein gutes Training ausmacht? Da vieles von der Qualität der Trainerinnen und Trainer abhängt, sind Kupke und ihr Team in jeder Einheit selbst dabei und machen sich ein Bild. Zudem hängt ihre Auswahl stark von Empfehlungen ab. Das kann eine vertrauenswürdige Person aus dem Netzwerk sein, aber auch Kunden, die von Trainierinnen und Trainern begeistert sind. Dann ist die Technologie wichtig, also unter anderem, wie leicht der Zugang ist. Der Weg zum Training darf keine 20 Klicks brauchen, sondern muss einfach und smart sein. Auf der anderen Seite sind Erinnerungen notwendig, zum Beispiel ein Kalendereintrag, ohne dass zahlreiche Mails nerven. Und Live-Training ist wichtig. „Ich kann mir 100 Videos anschauen, das bleibt nicht langfristig hängen und es fehlt diese emotionale Komponente, das Probieren und die Interaktivität“, sagt Lotaro-Gründerin Kupke. Sie gibt aber auch zu, dass ein persönliches Training an einem Ort in einem Raum immer besser ist als ein digitales aus der Ferne. Jedoch werden solche Schulungen immer seltener. Denn viele arbeiten zu Hause, die Reisezeit der Beschäftigten soll gering sein.

Kurzfristige Verfügbarkeit

Dann ist es gut, mit Gleichgesinnten, aber nicht unbedingt direkten Kolleginnen und Kollegen in einem Training zu sitzen. „Man sollte von außen einen frischen Blick bekommen. Wenn ich mal einen 30 Sekunden Pitch vor jemandem mache, der mich und mein Unternehmen nicht kennt, kriege ich natürlich auch anderes Feedback, als wenn ich immer mit meinem Sales-Team zusammensitze.“ Wichtig beim E-Learning ist auch, wie schnell ein benötigtes Training verfügbar ist. Wer kurzfristig eine wichtige Präsentation halten muss, braucht die entsprechende Weiterbildung am besten morgen. Lotaro will genau das als Plattform gewährleisten.

Was die Messbarkeit von Bildungsmaßnahmen angeht, sagt Gründerin Kupke: „Da muss man schon ehrlich bleiben. Wir messen viel, aber es hat Grenzen. Man kann ja auch nicht beweisen, dass die Weihnachtsfeier wirklich das Geld wert war.“ Was belegt werden kann, ist, wer ein Training nutzt, welche Kurse schlecht besucht wurden, wie viel Prozent im Unternehmen in welchen Abständen trainieren und wie die Rückmeldung hinsichtlich der Qualität aussieht. Zudem fragt Lotaro auch ab, ob Teilnehmende das Gelernte auch anwenden können.

Für Julia Kupke gibt es zwei Gründe, warum Betriebe keine oder nur wenig Weiterbildung anbieten: Geld und Personal. Kümmert sich jemand um Weiterbildung? Wird sie auch genutzt? „Bei denen, die die Bedeutung solcher Trainings noch nicht erkannt haben, hilft uns natürlich der Druck von den Beschäftigten, also wenn sie die Dinge einfordern“, gibt Kupke zu. Damit meint sie auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die den Arbeitgeber gewechselt und früher positive Erfahrungen mit Lotaro gemacht haben. Und was passiert, wenn ich jemanden für viel Geld weiterbilde und er oder sie dann wechselt? Auch dieses Argument hören die Anbieter von Weiterbildung immer wieder. Zunächst einmal sind das gute Multiplikatoren, die Positives über den ehemaligen Betrieb erzählen – zumindest im Hinblick auf Weiterbildung. Und außerdem gilt: Was ist schlimmer? Du schulst Leute und sie gehen? Oder du schulst sie nicht und sie bleiben?

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