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Homeoffice-Trend belebt Immobilienmarkt: Büroflächen schrumpfen, Wohnraum wächst

Wie verändert Homeoffice den Immobilienmarkt? Weniger Bürofläche, flexible Räume und steigender Wohnraumbedarf prägen den Wandel.

Industriehaus mit Arbeits- und Wohnraumfabrik
Industriehaus mit Arbeits- und Wohnraumfabrik (Foto: Shutterstock)

Es gibt gute Gründe, aus denen Unternehmer ihre Mitarbeiter gern wieder häufiger im Büro hätten. „2020 sind Leute ins Homeoffice gegangen, die sich gut kannten und ein eingespieltes Team waren“, erinnert sich Tobias Hertwig, Geschäftsführer der Garbe Immobilien Projekte in Hamburg.

„Die Abläufe waren gut eingespielt aus Office-Zeiten.“ Doch dann änderten sich Prozesse und Geschäft. „Wir haben neue Projekte, es gibt eine Fluktuation und dann setzt auch so etwas wie Vergessen ein“, berichtet Hertwig. Einfach die Mitarbeiter ins Büro zurückzuordern, ging allerdings nicht. „Wir haben Vertrauensarbeitszeit in jeder Hinsicht“, sagt er. Die Mitarbeiter entscheiden selbst, wann und wo sie arbeiten und könnten daher auch weiterhin voll von außerhalb arbeiten. „Wir motivieren unsere Mitarbeiter, ins Büro zu kommen und die meisten sind auch tatsächlich ein bis zwei Tage im Homeoffice und drei Tage wieder im Büro“, sagt Hertwig. Freiwillig.

Arbeitgeber müssen ihren Beschäftigten heute schon etwas bieten, wenn sie sie wieder mehr im Büro haben möchten.

Dass Hertwig als Diplom-Ingenieur und Geschäftsführer eines Immobilienprojektentwicklers hierfür auf die Kraft der Räume setzt, verwundert nicht. „Die Vernetzung ist sehr ausgeprägt geworden, die Flexibilität im Arbeitsleben ist groß und es sind eben nicht immer alle vor Ort“, weiß er. Wenn die Mitarbeiter dann schon ins Büro kommen, müssen die Räume daher besonders kommunikativ sein, um attraktiv zu sein. „Dafür brauchen Sie Kollaborationsflächen“, sagt er. „Also Besprechungs- und Meetingräume – aber nicht klassisch mit großen Tischen und Stühlen drumherum, sondern große und offene Räume mit Lounge-Bereichen, in die man sich zu zweit oder dritt zurückziehen kann.“ Auch mehr Ruheflächen sind nötig statt der klassischen Einzel-, Doppel- oder Großraumbüros.

Der Büromarkt leidet

Und so bringt der Trend zum Homeoffice auch die Immobilienmärkte in Bewegung und bricht regionale Strukturen um, weil sich die Nachfrage örtlich und zeitlich gewandelt hat. Es gibt mehrere, teils gegenläufig aussehende Trends. So profitieren Gastronomie und Handel in den Speckgürteln der Städte, während der Büromarkt dort leidet. Derweil steigen in den Innenstädten die Mieten – trotz wachsender Leerstände und ­sinkender Immobilienpreise.

Konsumverschiebungen: Der Donut-Effekt

Weil mehr Menschen von zu Hause aus arbeiten, hat sich der Konsum von der Innenstadt weg in die Wohngebiete an den Stadträndern verlagert. Simon Krause vom Münchener Ifo-Institut spricht von einem Donut-Effekt. „Besonders ausgeprägt sind die Konsumverschiebungen in den Millionenstädten Berlin, München und Hamburg“, sagt Krause, „und an Wochentagen stärker als am Wochenende.“ Für das Ifo-Institut hat Krause die Einzelhandelsumsätze in fünf deutschen Großstädten anhand tagesaktueller, anonymisierter Kartenzahlungsdaten von Mastercard untersucht.

Rund zehn Prozent der Umsätze in Handel und Gastronomie ging in den Zentren verloren, während die Wohngebiete am Stadtrand 20 Prozent Umsatzwachstum verzeichneten. Krause konnte die Verschiebungen anhand der Einzelhandelsumsätze in fünf deutschen Großstädten anhand tagesaktueller, anonymisierter Kartenzahlungsdaten gut nachvollziehen. „An Samstagen ist in den Innenstädten zwar kein Konsumrückgang im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie zu erkennen“, stellt er fest. „Aber das gleicht nicht den Umsatzverlust an Wochentagen gegenüber vor der ­Pandemie aus.“

Rund 11,5 Millionen Quadratmeter überflüssige Bürofläche

Auch auf den Markt mit Büroimmobilien wirkt sich der Trend zum Homeoffice aus. Das Ifo-Institut hat zusammen mit der Immobilienberatung Colliers den Büroimmobilienmarkt in Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt/Main, Stuttgart und Düsseldorf untersucht. Langfristig werde es weniger Bedarf an Büroflächen geben, erwarten die Autoren. Der Ifo-Konjunkturumfrage zufolge gibt es wegen Homeoffice inzwischen dreimal mehr unbelegte Arbeitsplätze in den Büros der Unternehmen als vor der Pandemie. In den bürolastigen Branchen IT, Werbung und Marktforschung, Unternehmensberatung sowie in der Pharmaindustrie sind bis zu 40 Prozent der Arbeitsplätze quasi verwaist.

Jedes elfte Unternehmen insgesamt und jedes vierte Großunternehmen gibt an, deswegen seine Büroflächen verringern zu wollen. In einzelnen Branchen lägen die Anteile bei bis zu 40 Prozent, hält Krause fest. Auch die Leerstände steigen. Krause hält eine Abnahme der Büroflächen um etwa zwölf Prozent für wahrscheinlich, was in den Top-7-Großstädten bei einer gleichbleibenden Zahl von Bürobeschäftigten rund 11,5 Millionen Quadratmeter überflüssige Bürofläche bedeutet.

Stresstest auf Raten - wegen der langen Laufzeit bei Büromietverträgen

Bis der Effekt sich voll zeigt, wird es dauern. „Büromietverträge haben im Durchschnitt eine Laufzeit von etwa sieben Jahren“, sagt Krause. „Etwa 15 Prozent der Verträge werden jedes Jahr erneuert.“ Er sieht hier einen Stresstest auf Raten für die derzeit unter hohem Druck stehende Immobilienbranche. „Insgesamt hat die Nachfrage nach Bürofläche leicht abgenommen“, stellt der Forscher fest. „Das wird die Krise am Immobilienmarkt auch wohl verschärfen, der wegen gestiegener Zinsen und Baukosten ohnehin unter Druck steht.“

Untervermietungen verdreifacht

Doch der Homeofficeeffekt auf dem Markt für Büroimmobilien zeigt sich auch kurzfristig. So hat sich die Zahl der Untervermietungen auf acht Prozent vervierfacht. Etwa bei Here in Berlin. Das Unternehmen stellt hochauflösende Karten für die Autoindustrie her und hat große Flächen im Zentrum Berlins gemietet. Seit Corona und der ein oder anderen Sparrunde ist der Bedarf gesunken. Und so haben sich Start-ups auf einigen Etagen angesiedelt. Ein ähnliches Modell hat schon seit Jahren mancher Großverlag, der Büros an Dienstleister oder gleich Fremdfirmen untervermietet. Und in Frankfurt hat sogar die ein oder andere Kanzlei bereits Räume, die sie nicht mehr benötigt, an andere Unternehmen weitergegeben.

Trotz der vielfach weniger ausgelasteten Bürogebäude und teils hoher Leerstände ist die Immobiliensuche in einer Stadt wie Frankfurt oder wie Stuttgart nicht einfach. „Insgesamt sind die Umsätze auf dem Vermietungsmarkt auf das Niveau der Corona-Krise gefallen und die Leerstandsquote gestiegen“, sagt Andreas Trumpp, Head of Market Intelligence & Foresight von Colliers in Deutschland. „Eine schnelle Erholung zeichnet sich derzeit noch nicht ab.“

Doch das Gesamtbild täuscht, denn gerade in Innenstädten steigen die Büromieten – obwohl die Nachfrage insgesamt sinkt. „Unternehmen legen sehr viel Wert darauf, dass die Wahl auf zentrale Lagen fällt – selbst, wenn die Miete höher ist“, erklärt Trumpp. „Zumindest für die stark nachgefragten, moderneren Gebäude mit Ruhezonen und vielfältig nutzbaren Flächen.“

Wer seine Mitarbeiter wieder ins Büro locken will, braucht attraktive, moderne und flexible Räume, das zeigen Krauses Studie zufolge die Daten der Mietvertragsabschlüsse auf dem Markt für Büroimmobilien. Der Hamburger Projektentwickler Garbe liegt da voll im Trend. Zusätzlich wird immer wichtiger, dass Bürogebäude den nötigen grünen Umweltstandards entsprechen. Trumpp und Krause sprechen von einer Flucht in die Qualität.

Nadelfilz ist ein aussterbendes Modell

Für alte Gebäude stellt sich dagegen mehr und mehr die Frage nach Umnutzung oder Abriss und Neubau. „Alte Gebäude aus Beton mit starren Wänden, am besten noch mit Nadelfilzboden und abgehangenen Flächen und festen Plätzen für die Mitarbeiter, das ist ein aussterbendes Modell“, ist Garbe-Geschäftsführer Hertwig überzeugt. Ihre Berechtigung haben die seiner Ansicht nach vielleicht noch in weniger attraktiven Lagen. An attraktiven städtischen Standorten sei die Zeit dieser Art Bürogebäude vorbei. „Und es gibt da kein Kochrezept, was man mit diesen alten Gebäuden stattdessen machen kann“, sagt Immobilienexperte Hertwig.

Umbau zu Wohnraum oder Hotels

Naheliegend und auch oft gefordert ist der Umbau zu Wohnraum oder Hotels. Garbe hat selbst ein altes Bürogebäude im Frankfurter Stadtteil Niederrad erworben, Verfahren zur Umnutzung mit Wohnen durchlaufen und das Grundstück dann verkauft. „Das hat gut funktioniert und war aus unserer Sicht ein großer Erfolg“, freut sich Hertwig.

In Niederrad sind auf diese Weise tausende Wohnungen entstanden. Doch einige Hindernisse stehen im Weg. Da sind zum Beispiel technische Hürden, etwa, wenn man beim Umbau auf problematische Baumaterialien stößt. Solch ein Fund kann das Vorhaben stark verteuern. Projektspezialist Hertwig hält technische Probleme für meist leichter lösbar als regulatorische Anforderungen. „Wenn der Bebauungsplan ausschließlich eine Büronutzung vorsieht, kann man zwar eine Wohnnutzung beantragen, aber das Planverfahren dauert dann auch rasch sieben bis zehn Jahre“, sagt Hertwig. „Mit viel Glück und wenn sich alle einig sind, vielleicht auch mal drei Jahre.“

Und nach der Umwidmung müssen Projektträger in die alten Gebäude auch Wohnungen nach aktuellen energetischen Standards bauen, wie Hertwig sagt. Auch das treibt die Kosten, was für manchen Entwickler zu teuer ist.

Ein Bebauungsplanverfahren geht über mehrere Runden und stets können Politiker, Anwohner oder Wohnungskäufer Pläne verzögern und Unsicherheit bringen – vor allem, wenn der Bauträger auch noch schwächelt.

Kürzlich gewann ein Eigentümer vor dem Berliner Landgericht ein Verfahren gegen den Bauträger, der in den Sockel des Gebäudes statt der als Sondereigentum geplanten Stellplätze Gewerbeeinheiten einbauen wollte – und im Gegenzug Nutzungsrechte an anderen Stellplätzen anbot.

Urban living: Mikroappartments für Wochenendpendler und Berufseinsteiger

Gesellschaftlich schwierig an solchen ­Projekten, die Büros umwandeln: Sie schaffen meist eher teuren Wohnraum und nicht die gewünschten und dringend benötigten günstigen Wohnungen. So entstehen durch die Umnutzung vielleicht sehr viele möblierte Mikroappartements, wie etwa die von „Urban Base“. Die Fondsgesellschaft Union Investment bietet sie in Städten wie Berlin, Dresden, Düsseldorf und Wiesbaden in zentraler Lage zu hohen Mieten an. Zielgruppe: Wochenpendler oder Berufseinsteiger. Die waren zuletzt vielleicht im fernen Homeoffice tätig und sind dank attraktiver, wenn auch teurer Wohnmöglichkeit nun leichter zu gewinnen, in die Büros am Firmensitz zu kommen.

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