Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Management > Unternehmensnachfolge

"Ich war Herr aller Reußen"

Unternehmer Karl Girrbach hat den Betrieb seines Vaters groß gemacht und dann fast verloren. Die Banken schickten einen Interim Manager. Das Unternehmen wurde gerettet, doch Girrbach musste gehen. Verwunden hat er das bis heute nicht.

In Pforzheim, wo die Goldschmiede- und Uhrmacherzunft lange Tradition hat, gründete Herbert Girrbach 1936 ein Geschäft,  das mit Produkten der Zahntechnik handelte. Das Arbeitsmaterial war Gold. Sein Sohn und Nachfolger Karl Girrbach hat aus dem Ein-Mann-Betrieb seines Vaters einen Betrieb mit 140 Mitarbeitern geschaffen, der Produkte für die Dentaltechnik erforschte, entwickeln ließ und vertrieb. "Ich habe mir einen guten Ruf hart erarbeitet, hatte eine 70-Stunden-Woche und 15 Jahre lang weitestgehend auf Urlaub verzichtet."

Das Ende des Mittelständlers

Doch in den neunziger Jahren misslangen ihm Investitionen, die viel Geld verschlangen. Die Banken schickten zuerst einen Berater, dann einen Interim Manager. Das Unternehmen wurde restrukturiert und mit einem langjährigen Partner im Jahr 2004 fusioniert. Der UnternehmerGirrbachselbst musste sein Amt als Geschäftsführer aufgeben. Doch es war nicht alles verloren. Heute arbeitet die Amann Girrbach AG erfolgreich. Die Familie Girrbach hält 37 Prozent, den Rest die Familie Amann und der Investor Hypo Equity, beide aus Österreich.

 

Unternehmer Girrbach gibt sich einsichtig. Er spricht weder von Pech noch von der Schuld oder vom Unvermögen der anderen. "Ich habe viele Jahre erfolgreich gearbeitet. Wenn man erfolgsverwöhnt ist, wird man übermütig. Ich habe nur die Chancen gesehen, nicht die Risiken." Er habe Entscheidungen getroffen, bei denen er im Vorfeld auf seine Frau und auf seine Prokuristin hätte hören sollen. "Die beiden waren immer mein Korrektiv gewesen."

Fehler des Unternehmers

Da waren zwei Versuchungen, denen Unternehmer Girrbach erlag. Zum einen hatte er in ein Unternehmen investiert, das eine zukunftsweisende Technologie entwickelte. Beim Zahnersatz sollte die Frästechnik die sehr aufwendige Gießtechnik ablösen - heute Standard, vor 15 Jahren aber noch nicht gereift. Geschäftsführer Girrbach finanzierte die Entwicklung und gab zudem Abnahmegarantien. Doch Rückschläge in der Entwicklung führten dazu, dass der Mittelständler immer mehr Geld nachschoss, ohne dass die Firma das lieferte, was sie versprach. Zum anderen hatte Girrbach ein ostdeutsches Unternehmen von der Treuhand gekauft. Das Unternehmen stellte Möbel und Laborgeräte her. Somit wäre Girrbach der Sprung vom reinen Händler zum Hersteller gelungen. Doch auch das ging schief. Das Unternehmen war drei Jahre später insolvent.

 

Das Eigenkapital schmolz dahin. "Die Banken waren sehr nervös", erinnert sich Tochter Jutta Girrbach. Sie ist gemeinsam mit Oliver Amann Vorstand der fusionierten Amann Girrbach AG. Ein Bankenpool, bestehend aus Deutsche Bank, Commerzbank, Volksbank und Sparkassen, empfahl zunächst einen Berater, dann einen Interim Manager, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Keine leichte Aufgabe. Noch heute sagt Karl Girrbach: "Da haben mir die Banken einen Pfleger vor die Nase gesetzt. Mich hat man kastriert. So jedenfalls empfand ich diesen unfreundlichen Akt." Und setzt noch einen drauf: "Aus Erfahrung, Neigung und Prinzip lehne ich Berater ab."

Interim Manager steuert den Mittelständler

Keine vergnügliche Ausgangssituation für Holger Groß. Er hatte als Interim Manager zwei Jahre Zeit, um das Unternehmen zu restrukturieren, einen Eigenkapitalpartner zu finden - so verlangten es die Banken - und die Beratungsresistenz des Unternehmers Girrbachzu knacken. Was die Banken nervös gemacht hatte, war nicht nur die geringe Eigenkapitalquote. "Karl Girrbach war Denker und Lenker in einer Person", sagt Groß. Es gab kein richtiges Controlling und daher kaum Transparenz, ein Albtraum für jeden Banker, dem zu jener Zeit die Basel-II-Kriterien ins Haus flatterten. Zu den schnell umgesetzten Maßnahmen zählte die Neuausrichtung des Managements. Ein Finanzmann wurde geholt, ein Controllingsystem eingeführt, Aufgabenbereiche klar definiert und regelmäßige Treffen der Führungskräfte gehalten, zu denen Girrbach noch gehörte. All das hatte Unternehmer Girrbach noch gutgeheißen. "So etwas habe ich nicht gelernt. Ich war 13, als ich bei meinem Vater anfing zu lernen. Ich hätte mir gerne schon früher mehr Profession, mehr Intelligenz ins Haus geholt."

 

Dann kam der große Einschnitt, die sogenannte Geschäftsfeldbereinigung. "Alles wurde auf einmal in Frage gestellt, das kannte er nicht", sagt seine Tochter. Die Kooperation mit dem Technologieunternehmen, mit dem sich Girrbachin der Frästechnik eine Vorreiterrolle ersehnt hatte, sollte gestoppt werden. "Girrbach wollte unbedingt die technologische Führerschaft. Mit einem anderen Partner hätte er es vielleicht auch geschafft", sagt Groß. Aber die Situation war ausweglos. "Ich musste ihm vermitteln, dass es überhaupt keinen Spielraum gab. Auch deswegen, weil die Banken ein klares Signal gesendet hatten. Er hat sich sehr schwergetan."

Der Unternehmer gibt auf

Irgendwann hat der Unternehmer sich seinem Schicksal ergeben. Es war ein schleichender Prozess, in dem Girrbach schließlich alle Maßnahmen bei der Erneuerung des Unternehmens mitgetragen hat. Groß vermutet, dass er Girrbachpeu à peu ins Boot holen konnte, weil er ihn in alle wichtigen Sitzungen, Gespräche und Entscheidungen miteinbezogen hatte. So blieb er nicht außen vor.

 

Beide sprechen zwar nicht von Freundschaft, aber von Ehrlichkeit und Respekt, wenn sie ihr Verhältnis beschreiben. Groß, der seit mehr als 15 Jahren mit Familienunternehmen arbeitet, musste UnternehmerGirrbach schließlich mitteilen, dass er aus der Geschäftsführung ausscheiden sollte. Und bot ihm einen schwachen Trost: Er solle immerhin der Vorsitzende des Aufsichtsrates der neuen AG werden. Das habe ihm sehr zugesetzt, erinnert sich Jutta Girrbach. "Im letzten halben Jahr vor seiner Pensionierung war die Zusammenarbeit eher schwierig." Nach seinem Gemütszustand zu jener Zeit befragt, zitiert Girrbach Joseph von Eichendorff: "Die Jahre wie die Wolken gehen und lassen mich hier einsam stehn."

Tochter tritt Nachfolge an

Und doch hat Girrbach letztendlich den Wandel mitgetragen. Warum? "Mal ehrlich: Ich hatte doch keine Wahl. Ich wollte retten, was zu retten war. Schließlich war meine Tochter im Unternehmen. Ihr wollte ich keinen Scherbenhaufen hinterlassen", sagt Girrbach. Eines habe ihm aber besonders geholfen, "den stillen Abgang besser zu ertragen." Er habe in der Zeit viel an seinen Vater gedacht und sich erinnert, dass er nicht die gleichen Fehler begehen wollte wie er: nicht abzugeben.

 

Heute blickt er gelassener zurück. Das Unternehmen steht gut da. Seine Tochter und Nachfolgerin ist stolz auf ihn: "Mein Vater ist immer noch ein Vorbild für mich. Er hat Werte geschaffen, die wir in der Firma weiterleben." Doch überwunden hat Girrbach noch nicht alles. Immer wieder kommen die Ressentiments gegen die Banken hoch. Warum jetzt, wo doch alles gut ausgegangen ist? Unternehmer Girrbach hält inne. Nach einer Zeit sagt er: "Das Aberkennen der Leistung, das war für mich demütigend. So etwas tut man doch nicht."

AMANN GIRRBACH AG


Die Girrbach Dental GmbH wurde 1936 von Herbert Girrbach gegründet. Karl Girrbach baute den Betrieb in zweiter Generation aus. Dietmar Amann gründete 1973 seinen Ein-Mann-Betrieb in der Garage des eigenen Wohnhauses. Im Jahr 2004 fusionierten die beiden Dentaltechnikunternehmen. Die Amann Girrbach AG beschäftigt 220 Mitarbeiter, setzt 40 Millionen Euro um und ist weltweit mit Vertriebsbüros vertreten.