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Management > Wie geht es bei AUDI weiter?

Inside Audi: Der neue CEO gibt Vollgas

In der deutschen Autoindustrie braut sich ein Sturm zusammen.

Die Umstellung auf E-Mobilität ist teuer und riskant, der Wettbewerb aus China wird immer aggressiver, die Politik fährt einen Schlingerkurs.

Bei Audi hat der neue CEO Gernot Döllner entschieden, dem Sturm mit konsequenter Modernisierung, neuen Modellen und Technik zu trotzen. Nach einem Wirbeljahr im Amt hat er sich in Ingolstadt Respekt erarbeitet. Es geht um viel, gesteht der zupackende CEO im Interview.

Herr Döllner, sind Sie zum großen Aufräumen zu Audi gekommen?
Döllner: Ich bin nach Ingolstadt gekommen, um Audi wieder nach vorne zu bringen. Audi steht zwar robust da, das zeigen die Zahlen des letzten Jahres. Doch durch die aktuellen und absehbaren Herausforderungen, die auf uns zukommen, müssen wir eine Mischung aus Transformations- und Strategieprogramm fahren, das die Voraussetzungen für eine kraftvolle Neuausrichtung schafft.
 
Das schlechte Finanzergebnis im ersten Quartal spricht eine andere Sprache…
Döllner: Als wir im März unser Ergebnis für 2023 verkündet haben, haben wir für das laufende Jahr bereits die Erwartungen gedämpft und von einem herausfordernden Übergangsjahr gesprochen. Jetzt spüren wir das Übergangsjahr und die Herausforderungen mit voller Wucht. Doch wir haben Audi eine Agenda für die entscheidenden Handlungsfelder gegeben, klarer Fokus auf unsere Produkte und Technologien, die Marke und unsere Aufstellung in den Weltregionen. Die Umsetzung geht mir noch nicht schnell genug und manche Maßnahme greift noch nicht weit genug. Wir müssen auch die Themen stärker angehen, die unbequem sind.
 
Unbequem ist vor allem der verschärfte Wettbewerb aus China, der nun auch zunehmend mit E-Modellen auf den europäischen Markt drängt. Wie ernst nehmen Sie den?
Döllner: Ende April war ich auf der Auto Show in Peking, um unseren Audi Q6 L e-tron, eine spezifische Variante für den chinesischen Markt, vorzustellen. Wir haben für China eine klare Strategie entwickelt: Modelle, die in China und für China entwickelt werden, die Produktion unserer Elektromodelle in unserem neuen Werk in Changchun und eine erweiterte Zusammenarbeit mit unseren lokalen Partnern. Die Messe hat mit Vehemenz die enorme Innovationsgeschwindigkeit Chinas deutlich gemacht. Keine neue Erkenntnis, aber Tempo und Innovationskraft des Wettbewerbs sind wirklich beeindruckend. Wir stellen uns diesem Wettbewerb.

 

Herr Döllner, Geschwindigkeit ist ein gutes Stichwort: Sie haben zum Thema Verkürzung von Entwicklungszeiten promoviert. Wie wollen Sie bei Audi Tempo in die Entwicklung neuer Modelle bringen?
Döllner: Es geht nicht nur um schnellere Innovationen, sondern um alle internen Abläufe und Prozesse: die Art und Weise, wie wir entscheiden, entwickeln  und wie wir Fahrzeuge auf die Straße bringen. Da sind wir heute zu komplex. Alte Strukturen hindern uns daran, Tempo aufzunehmen. Wir arbeiten für die Produktentstehung bereits an einer Matrix-Organisation, die Entscheidungsprozesse beschleunigt und klare Verantwortlichkeiten festlegt. Wir beginnen mit den Baureihen, es folgt die Technische Entwicklung und nach und nach richten wie alle Geschäftsbereiche auf die neuen Abläufe und Prozesse aus. Die Matrix-Organisation ist das Fundament für die Neuausrichtung.
 
Reicht das, um bei Software und Connectivity mitzuhalten?
Döllner: Wir haben da Aufholbedarf und vollziehen gerade einen radikalen Paradigmenwechsel hin zu „Software first“. Das Auto von morgen wird von der Software definiert. Zunächst wollen wir zwei Fahrzeuge mit der neuen Software-Architektur auf den Markt bringen. Danach werden wir das auf alle Produkte übertragen. Damit entkoppeln wir Innovation von der Skalierung. Darum kümmert sich Geoffrey Bouquot, unser neuer Vorstand für Innovation und Software Defined Vehicle (SDV). Er hat große Entwicklungs- und Softwareteams geleitet und wird mit mir gemeinsam die Fahrzeugentwicklung grundlegend verändern. Wir bauen eine Software-zentrierte Organisation.
 
Geoffrey Bouqout ist nicht die einzige personelle Veränderung seit Ihrem Start bei Audi. Massimo Frascella haben Sie gerade als neuen Chef-Designer geholt. Mangelt es bei Audi an klugen Köpfen?
Döllner: Aber nein. Wir befinden uns in einem strukturellen Veränderungsprozess, mit dem wir uns auf die wichtigsten Aufgaben der kommenden Jahre fokussieren. Da suchen wir die besten Köpfe für die anstehenden Aufgaben. Denjenigen im Unternehmen, die Audi nach vorne bringen wollen, eröffnet das die besten Chancen. Die Transformation wird zum Großteil von innen heraus geschehen, wie gerade bei der Neubesetzung der Baureihen-Leitungen oder des Führungsteams von Audi in China geschehen.
 
Der Absatz bei E-Modellen schwächelt. Ihre Wettbewerber setzen zunehmend wieder auf Verbrenner. Steht bei Audi auch ein Strategieschwenk an?
Döllner: Unser klares Ziel ist ein rein elektrisches Portfolio. Dabei bleibt es und daran möchte ich keinen Zweifel aufkommen lassen. Damit haben wir Klarheit für das Unternehmen, unsere Partner und unsere Kunden geschaffen. Für die Übergangszeit wird es drauf ankommen, zusätzlich hocheffiziente Verbrenner und Plug-in-Hybride anzubieten. Wir erneuern in den kommenden zwei Jahren unser gesamtes Verbrenner- und Plug-in Hxybrid-Portfolio und sind damit gut aufgestellt. So können wir weiterhin flexibel auf unterschiedliche Kundenanforderungen und gesetzliche Regelungen reagieren.
 
Im Europawahlkampf machten sich vor allem konservative Kräfte für eine Abkehr vom Verbrenner-Aus im Jahr 2035 stark. Wie verfolgen Sie diese Debatte?
Döllner: Wir dürfen uns durch die Diskussionen, die derzeit geführt werden, nicht verunsichern lassen. Ich halte sie für schädlich – aus mehreren Gründen. Zum einen braucht die Autoindustrie verlässliche und klare Rahmenbedingungen, um gezielt in die Zukunft zu investieren. Zum anderen sollten wir den Markt für E-Autos nicht amerikanischen und chinesischen Herstellern überlassen. Und drittens haben wir uns richtigerweise als europäische Staatengemeinschaft zur CO2-Neutralität bis 2050 verpflichtet. Der E-Antrieb ist die effizienteste technische Lösung, die wir aktuell kennen, um Mobilität CO2-neutral zu machen.
 
Da spricht der Ingenieur aus Ihnen. Es heißt, Sie agieren sehr produktnah und bringen sich stark in die Entwicklung ein. Was ist Ihr Plan für mehr „Vorsprung durch Technik“ in Audi-Modellen?
Döllner: Im Rahmen der Audi Agenda haben wir eine klare Technologiestrategie entwickelt. „Vorsprung durch Technik“ definieren wir Schritt für Schritt in relevanten Feldern neu. Vor zehn Jahren bedeutete „Vorsprung durch Technik“ etwas anderes als heute. Schwerpunkte werden in Zukunft für uns zum Beispiel sein: Design, Effizienz und die gesamte User Experience. Mit den neuen Modellen Audi Q6 e-tron, A6 e-tron sowie A5 und Q5 zeigen wir klar, wohin die Reise geht.
 
Wenige Wochen nach Ihrem Start als CEO waren viele bei Audi überrascht, einige überrumpelt, wie schonungslos Sie Baustellen benennen. Es heißt, Sie seien autoritär. Wie ist Ihr Führungsstil?
Döllner: Man sollte Klarheit nicht mit Autorität verwechseln. Ich pflege eine offene Diskussionskultur und habe sicherlich selbst eine klare Meinung. Aber meine Meinung bringe ich als Hypothese ein. Ich habe dann auch Spaß daran, wenn diese Hypothese im Dialog widerlegt wird.  Vor allem, wenn daraus eine bessere Lösung für Audi entsteht. Feedbackkultur und kritischer Dialog sind mir für das gesamte Unternehmen wichtig. Es ist zentral, dass wir aussprechen, wenn etwas nicht passt. Das mag für manchen anstrengend sein, aber wir müssen uns selbst und einander wieder mehr zumuten. Nur so werden wir und damit das Unternehmen besser.

Sie waren vor ihrem Start bei Audi noch nie Vorstand und gleichzeitig steht die vielleicht größte Transformation im Konzern an. Bringen Sie da die notwendige Erfahrung mit? Vorher hat man ja noch nicht so viel über Sie gehört.
Ich habe mein Berufsleben vor über dreißig Jahren auch mitten in einer Zeit der Transformation begonnen. Sei es die Zeit bei VW, oder später bei Porsche, die relevanten Schwerpunkte waren auch da die Transformation, ideale Prozesse, eine entsprechende Organisation und natürlich Digitalisierung. In meinen unterschiedlichen Rollen habe ich zum Beispiel den Umbau des Entwicklungsbereiches mitgestalten können, als Baureihenleiter mit ressortübergreifender Verantwortung die Produkte maßgeblich geprägt und die Elektrifizierung im Premium- und Luxussegment gestaltet. Als Chairman von Scout Motors durfte ich dann dieses Unternehmen und die Marke neu in den USA mit aufbauen. Mein Schwerpunkt war und ist die Veränderung, der Aufbau von Neuem und damit die Transformation. In der Veränderung habe ich meinen optimalen Betriebspunkt.
 
Mit Audi ist es wie mit der deutschen Wirtschaft im Ganzen. Rekordergebnisse waren fast selbstverständlich. Krisenerfahrung: Fehlanzeige. Wie bringt man ein erfolgsverwöhntes Team dazu, sich zu verändern?
Döllner: Wir brauchen in der aktuellen Situation ein Maß an Veränderung, das vielleicht nicht allen gefällt, am Ende aber allen hilft. Skepsis gegenüber Neuem und Veränderungsresistenz können wir uns nicht leisten. Deshalb brauchen wir ein gemeinsames Ziel, wo wir hinwollen. Ein Ziel, das begeistert und motiviert, auch unbequeme Dinge anzupacken. Das gilt für Audi genauso wie für unser Land und seine politische Führung. Wir haben an diesem Zielbild in den vergangenen Monaten intensiv gearbeitet. Damit geben wir Audi eine klare Orientierung für die Zukunft. Das wünsche ich mir auch für Deutschland.
 
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Döllner.

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