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Personal > Ausbildungsberufe

Jede zweite Lehrstelle im Südwesten noch offen

Der Südwesten gilt als Jobmaschine. Doch viele Lehrstellen bleiben unbesetzt, obwohl es genügend Schulabgänger und junge Ungelernte gibt. Corona hat den Kontakt zwischen Unternehmen und Schule unterbrochen. Oft fehlt es an der gezielten Ansprache der möglichen Kandidaten.

Viele Lehrstellen bleiben unbesetzt: „Noch nie war die Chance so gut eine Lehrstelle zu bekommen“ Bild: Shutterstock

Die Ratlosigkeit ist bei der Stuttgarter Landesregierung, Bundesagentur für Arbeit und den Wirtschaftsverbänden groß: In Baden-Württemberg ist jede zweite Stelle für das im September beginnende Ausbildungsjahr immer noch unbesetzt. „Noch nie war die Chance so gut eine Lehrstelle zu bekommen“ folgert Wirtschafts- und Arbeitsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Mit verschiedenen Initiativen wird nun versucht, die Jugendlichen und ihre Eltern verstärkt anzusprechen, um die Lücke doch noch zu schließen. Derzeit sind noch 38.000 Lehrstellen im Südwesten unbesetzt.

Die industrie- und Handelskammern animieren ihre Mitgliedsunternehmen verstärkt Praktika anzubieten, damit sich die jungen Leute vor Ort ein Bild machen können, welcher Beruf für sie in Frage kommt. Bisher beteiligen sich zwischen Mannheim und Konstanz 3000 Betriebe, die 180.000 Praktikumstage anbieten. Wo solche Stellen zu finden sind, erfahren interessierte Jugendliche auf dem Portal www.praktikumswoche.de. In Ulm haben sich bei einer bundesweit einmaligen Aktion mehr als 1.000 Schülerinnen und Schüler bei Betrieben des Industriegebiets Donautal umgesehen. Der Tag wurde von der Agentur für Arbeit, der IHK Ulm sowie der Unternehmer-Initiative Donautal Connect veranstaltet.

Wer noch gar nicht weiß, welchen Weg er einschlagen soll, der kann im Netz den Orientierungstest www.was-studiere-ich.de durchlaufen. „Das Portal ist um die Ausbildungsberufe erweitert worden und bietet so eine umfassende Orientierung“, betont Hoffmeister-Kraut. Eltern können sich auch über die Seite www.gut-ausgebildet.de informieren und ihrem Nachwuchs Hinweise geben.

Während der coronabedingten Schulschließungen sei der Kontakt zur Außenwelt verloren gegangen, räumt Kultusministerin Theresa Schopper (Bündnis 90/Die Grünen) ein. „So konnten die Berufsberater nicht an die Schulen kommen.“ Für die Vizepräsidentin des Deutschen -Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Marjoke Bräuning müssten die Betriebe von sich aus mehr Präsenz an den Schulen zeigen. „Die Lehrer sind damit überfordert, die Vielfalt der Berufe zu beschreiben.“ Aus Gesprächen mit Unternehmern haben Hoffmeister-Kraut und Bräuning die Botschaft bekommen, dass sich die Betriebe nicht mehr streng an den Noten orientieren. „Die Jugendlichen sollen sich also ruhig trauen. Die Chancen sind in allen Berufen derzeit noch sehr gut“, so die Wirtschaftsministerin.

Eigentlich hatten Experten wie Christian Rauch, Leiter der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in Stuttgart, mit einem wahren Ansturm gerechnet, denn 2021 hatten viele Schulabgänger wegen Corona auf eine Bewerbung verzichtet und sind auf weiterführende Kurse oder Schulen gegangen. Somit war mit einem Doppeljahrgang an Bewerbern gerechnet worden. „Doch wir haben die demografische Entwicklung unterschätzt“, räumt Rauch ein. Er rät den Jugendlichen, sich die Option einer Lehre genauer anzusehen: „Dann stehen immer noch alle Möglichkeiten offen.“ Angesichts von 30 Prozent Studienabbrechern wäre das der sinnvollere Weg.

Gleichwohl könnten die Betriebe aus einem großen Reservoir schöpfen. Der DGB Baden-Württemberg verweist auf 200.000 Ungelernte zwischen 20 und 35 Jahren allein im Südwesten. „Diesen Menschen muss man auch die Chance auf eine Ausbildung geben“, fordert Vize-Chefin Maren Diebel-Ebers. Die Bundesagentur in Stuttgart rechnet zudem mit mehr als 100.000 Jugendlichen, die jetzt ins Berufsleben starten müssten. Wenig Linderung für den Ausbildungsmarkt verspricht sich Rauch durch den Zuzug der Flüchtlinge aus der Ukraine: „Das sind meistens ältere Menschen und viele Kinder. Zudem ist bei vielen nicht klar, wie lange sie bei uns bleiben werden.“

Die Ausbildungsmisere in Baden-Württemberg unterstreicht einen Trend, der sich bereits 2021 bundesweit abgezeichnet hat. So konnte der Deutsche Maschinen- und Anlagenbau im laufenden Ausbildungsjahr lediglich 27.000 der insgesamt 80.000 Lehrstellen besetzen. Und der Trend wird sich fortsetzen. Laut IW Köln wird das jährliche Neuangebot an MINT-Fachkräften in den nächsten Jahren voraussichtlich nur etwa die Hälfte des Bedarfs abdecken. „Die Babyboomer gehen in den nächsten Jahren in Rente. In Kombination mit zurückgehenden Ausbildungszahlen ist das für unsere Unternehmen eine große Herausforderung“, mahnt Jörg Friedrich, Leiter Bildung beim Fachverband VDMA. Unternehmen dürften in ihren Ausbildungsanstrengungen daher nicht nachlassen und sollten junge Menschen frühzeitig über die Möglichkeiten und Chancen einer technischen Ausbildung informieren. Der VDMA unterstützt seine Mitglieder beispielsweise durch die „Nachwuchsstiftung Maschinenbau“, oder das Portal www.talentmaschine.de

auk

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