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Arbeitgeber der Herzen: So punkten Mittelständler trotz Krise im Kampf um Talente

| Thorsten Giersch

Trotz Wirtschaftskrise bleibt Fachkräftemangel Thema. Wie Mittelständler Jobsuchende gewinnen – mit Sinn, Nähe, Fairness und Hähnchen mit Pommes.

Gute Leistung: Wenn es rund läuft, spendiert der Arbeitgeber manchmal auch eine Runde Brathähnchen mit Pommes extra für alle. (Foto: K&S Seniorenresidenz Schwerin)

Von Thorsten Giersch

Jahrelang hieß es, der deutsche Arbeitsmarkt habe sich gewandelt, hin zu einem Bewerbermarkt: Talente können sich aussuchen, wo sie hingehen. Die Arbeitgeber müssen sich anstrengen, um gute Leute anzulocken. Doch gerade sieht es so aus, als ob sich diese Entwicklung zurückdreht. Nur sehr wenige Unternehmen wollen in diesem Jahr wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten mehr Beschäftigte neu einstellen als 2024. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln hat ermittelt, dass 38 Prozent der Firmen in Deutschland Stellen abbauen wollen. So war es zuletzt 2009 während der Finanzkrise und 2020 zu Beginn der Coronapandemie. Ende 2022 waren knapp zwei Millionen Stellen in der Wirtschaft unbesetzt, jetzt sind es nur noch 1,3 Millionen.

Das ist immer noch eine sehr hohe Zahl im langfristigen Vergleich. Es sei ein Fehler, dem Personalmangel von morgen nicht rechtzeitig vorzubeugen, sagen Arbeitsmarktexperten und Ökonomen. In den nächsten 15 Jahren gehen dem deutschen Arbeitsmarkt sieben Millionen Beschäftigte verloren, weil die Boomer in Rente gehen. Und das sind überproportional viele Facharbeiter. Es bleibt auf Dauer strukturell ein Arbeitnehmermarkt. Helfen können den Unternehmern und Führungskräften einige neue Studien. Die Beschäftigten wollen mehr verdienen, vor allem aber zufrieden sein mit der Arbeit. Und hier bieten sich Chancen für viele Mittelständler, die sonst Sorge haben, dass die Konzerne ihnen die besten Mitarbeiter wegschnappen.

Gerade wird es etwas enger für Arbeitnehmer. Die Personalmarktforschung Index Research ermittelte, dass 2024 bundesweit nur rund 11,6 Millionen Stellen öffentlich ausgeschrieben waren. Besonders stark gefragt waren Bauarbeiter, Handwerker, technische Profile wie Ingenieure und Architekten sowie Gesundheits- und Pflegepersonal. Aber die Nachfrage schrumpfte in vielen Branchen. Den stärksten Rückgang gab es im Personalwesen mit einem Minus von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Stellenangebot schrumpft

Bewerber und Beschäftigte sollten deshalb etwas vorsichtiger auf dem deutschen Arbeitsmarkt vorgehen. Die Job-Plattformen messen, dass Bewerber aktiver und länger nach einem neuen Job suchen müssen. Und sie werden ihre langen Wunschlisten nicht mehr so gut los. Je nach Branche gilt das sogar auch für Top-Fach- und Führungskräfte. In der Industrie und auf dem Bau herrscht längst Blues. Während das Gesamtstellenangebot in Deutschland über alle Hierarchieebenen um vier Prozent zurückging, blieb die Nachfrage nach Mittel-Managern stabil. Dazu zählen Bereichsleiter, Hauptabteilungsleiter, Abteilungsleiter, Gruppenleiter und Projektleiter. Besonders gefragt waren mittlere Führungskräfte im Projektmanagement.

Doch wo wollen die Deutschen überhaupt arbeiten? Wer glaubt, dass junge Menschen entweder in Start-ups oder weltbekannten Unternehmen anheuern wollen statt bei einem mittelständischen Betrieb, sollte die Zahlen des Stepstone-Mittelstandsreports 2025 ganz genau lesen: Kleine und mittelständische Unternehmen punkten bei Arbeitnehmenden. 80 Prozent der befragten Beschäftigten haben sich schon einmal bei einem Mittelständler beworben.

So liegt ein zentraler Vorteil von KMU in ihrer lokalen Verwurzelung. 56 Prozent der Befragten nennen die Nähe zum Wohnort als entscheidendes Argument für eine Bewerbung bei einem mittelständischen Arbeitgeber. Beruf und Privatleben lassen sich allem Anschein nach besser vereinen. Nicht jeder möchte in eine Metropole ziehen oder kann sich die hohen Mieten leisten. 44 Prozent der Befragten geben zudem an, dass sie in KMU die Chance sehen, etwas Sinnvolles zu bewirken und direkte Ergebnisse ihrer Arbeit zu bekommen. Bei 41 Prozent punkten KMU besonders mit ihren flachen Hierarchien und 39 Prozent schätzen zudem die familiäre Arbeitsatmosphäre, die für viele ein entscheidender Faktor für das Wohlbefinden ist – Aspekte, bei denen Mittelständler oft Vorteile gegenüber Großkonzernen haben.

Hoher Gestaltungsspielraum, kurze Entscheidungswege und die familiäre Atmosphäre schaffen ein Arbeitsumfeld, in dem sich viele Arbeitnehmende besonders wohlfühlen. Die Studie zeigt jedoch auch die Grenzen auf: 42 Prozent der KMU-Beschäftigten geben an, dass die Bezahlung und Sozialleistungen ihres Arbeitgebers unter ihren Erwartungen geblieben sind. Bei Großunternehmen sagt das nur rund ein Viertel.

Vom Jobwechsel profitieren

Denn gute Leute zu verlieren, ist die Schreckensvorstellung vieler Geschäftsführenden von kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Eine gemeinsame Studie von der Bertelsmann-Stiftung mit dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen zeigt, wie attraktiv der Wechsel eines Arbeitgebers sein kann. Die Analyse zeigt, dass Jobwechsel das Einkommen merklich steigern. Die Forscher unterscheiden drei Formen: Bei einem horizontalen Wechsel geht es um die Veränderung der fachlichen Ausrichtung. Bei einem vertikalem geht es um ein neues Anforderungsniveau bei gleichbleibender fachlicher Ausrichtung. Und bei einem diagonalen Wechsel passiert beides gleichzeitig. Finanziell lohnen sich vor allem die diagonalen Wechsel. Auch Fachkräfte können stark von einem Berufswechsel profitieren, zum Beispiel von einem Wechsel aus einem Beruf in der Gastronomie zu einem Bürojob. Personen mit einem Migrationshintergrund scheinen durch Jobwechsel besonders hohe Einkommenszuwächse realisieren zu können.

Doch es geht nicht nur um Geld: Auch die Zufriedenheit steigt, wobei eine gewisse Unzufriedenheit auch ein wichtiger Grund dafür ist, überhaupt einen neuen Job zu suchen. Individuelle, betriebliche und berufliche Faktoren spielen offenbar nur eine untergeordnete Rolle für Änderungen der Arbeitszufriedenheit.

Ein attraktives Gehalt ist für Jobsuchende entscheidend. 63 Prozent der Talente nennen es das wichtigste Kriterium bei der Jobsuche, wie der Gehaltsreport 2025 von Stepstone belegt. Das ist wenig überraschend, ein anderer Aspekt aber schon: Nicht nur die Höhe ist ausschlaggebend, sondern auch, wie transparent Unternehmen mit dem Thema umgehen. Offenheit beeinflusst die Zufriedenheit von Mitarbeitenden und die Attraktivität von Arbeitgebern. 86 Prozent der Befragten geben an, dass konkrete Gehaltsangaben ihre Meinung über ein Unternehmen positiv beeinflussen, und 82 Prozent wünschen sich mehr Transparenz, zum Beispiel durch Gehaltsspannen in Stellenanzeigen. 87 Prozent sagen, dass ein besseres Verständnis ihres Marktwertes ihnen hilft, ihre Jobzufriedenheit zu bewerten. Gleichzeitig gewinnt das Thema Gehalt als Entscheidungskriterium zunehmend an Bedeutung – 91 Prozent der Befragten sagen das.

Unternehmen, die Gehaltstransparenz praktizieren, steigern ihre Attraktivität im Wettbewerb um die besten Talente. 86 Prozent der Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich mit höherer Wahrscheinlichkeit auf Stellenanzeigen, die konkrete Gehaltsangaben enthalten. Dabei bevorzugt rund jede und jeder Zweite die Angabe von Spannen. Transparenz stärkt jedoch nicht nur die Mitarbeiterzufriedenheit, sondern auch Fairness und das Vertrauen in interne Strukturen – zentrale Bausteine für eine moderne Unternehmenskultur.

Neben dem Gehalt sind die zusätzlichen Gehaltsbestandteile ein wichtiger Faktor. „Ein attraktives Benefitportfolio trägt signifikant zur Arbeitgeberattraktivität bei und stärkt die Retention. „Wer hier nichts bietet, verliert gute Leute“, sagt Holger Jahn, Vergütungsexperte bei der Management- und Personalberatung Kienbaum. Dabei sei es jedoch sehr wichtig, dass die Arbeitgeber die Bedarfe ihrer Arbeitnehmenden richtig verstehen und mit dem Benefitportfolio bedienen. „Nicht zuletzt ist eine gute Kommunikation von hoher Relevanz, da viele Arbeitnehmende das Portfolio ihres Arbeitgebers gar nicht richtig kennen“, erklärt Jahn.

Hohe indirekte Kosten

Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, Mitarbeiter zu halten. Fluktuation erzeugt Kosten, die über die für die Suche von Kandidaten hinausgehen. Rechtliche Kosten, Abfindungen und Kosten durch Folgen für die Unternehmenskultur, wenn jemand geht oder gehen muss. Oder Produktivitätsverluste während der Trennungsphase. Für die Zeit der Vakanzen wird vielleicht Umsatz verpasst. Zusätzlich entstehen indirekte Kosten durch Wissensverlust und fehlendem Kundenkontakt. In der Phase der Einarbeitung einer Nachfolgerin kosten Onboarding und Training. Und dann müssen sich die Mitarbeitenden an die Kollegin gewöhnen, was möglicherweise zunächst mit Produktivitätsverlusten einhergeht.

„Vermeidbare freiwillige Fluktuation durch Mitarbeitende kann durch den richtigen Mix an Angeboten bewusst reduziert werden“, sagt Jahn. „Gerade während einer Restrukturierung oder Transformation können es sich Unternehmen kaum leisten, ihre Schlüsselspieler zu verlieren.“ Bindung werde in erster Linie über das Zusammenspiel verschiedener Komponenten erzielt. „Bei der Vergütung geht es sehr viel um die empfundene Fairness im Vergleich zu direkten Kollegen“, erklärt Jahn.

Zusätzliche Benefits gilt es abzustufen mit der Relevanz für die persönlichen Lebensumstände der jeweiligen Beschäftigten. Dazu gehört auch das Thema Flexibilität, wie gut Mitarbeitende das Arbeits- und Privatleben aufeinander abstimmen können. Wichtig auch, ob jemand einen Sinn in dem sieht, was er oder sie tut, und wie jemand sich in den nächsten drei bis fünf Jahren entwickeln kann. Die gewünschte Wirkung könne aber nur erzielt werden, wenn das Angebot der Arbeitgeber auch intelligent kommuniziert werde, sagt Jahn. „Die Angebote muss der Mitarbeiter dabei als freiwillig, zusätzlich und relevant für das eigene Leben wahrnehmen.“

Für mehr Zufriedenheit der Mitarbeitenden ist auch wichtig, dass Arbeitgeber und Führungskraft Gerechtigkeit walten lassen. Was logisch und einfach klingt, ist in der Realität ein Balanceakt. Auf der einen Seite will man Teamarbeit fördern, auf der anderen überdurchschnittliche Leistungen belohnen. Doch wie sieht ein gutes Leistungsmanagement aus? Grundsätzlich sollte im Unternehmen klar sein, was richtig gut ist und was durchschnittlich. Führungskräfte brauchen Instrumente, mit denen sie Leistung bewerten können. Doch die fehlen häufig. Nach einer Studie von Kienbaum bietet nur jedes dritte Unternehmen seinen Führungskräften Hilfsmittel für ein gutes Performance-Management. Dabei ist die SMART-Regel an sich bekannt: Spezifisch bedeutet, dass das Ziel klar und einfach verständlich formuliert sein muss. Messbar muss es sein anhand von Kennzahlen oder Faktoren wie Zufriedenheit. A steht für Attraktivität, es muss ein konkreter Nutzen für die betroffenen Beschäftigten ersichtlich sein. Dann ist Realismus wichtig für die Erreichbarkeit und schließlich ist eine Terminierung nötig.

Leistet ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin zu wenig, sollten Führungskräfte nicht sofort die Keule schwingen, sondern die Gründe präzise kennenlernen. Es mag private Gründe geben oder solche, die nicht offensichtlich sind. Aber Fachleute meinen, irgendeinen Grund gebe es fast immer. Sensibilität braucht es auch im positiven Fall. Immer wieder dieselben zu loben, schürt Unzufriedenheit. 

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