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Neuer Mann an der Spitze des VDMA

Bertram Kawlath heißt der neue VDMA-Präsident. Der Spezialist für Mittelstandsfragen folgt auf Karl Haeusgen. Er ist seit Jahrzehnten im Verband aktiv und gilt als sehr gut vernetzt.

Portrait Bertram Kawlath,
Bertram Kawlath, im Oktober 2024 für vier Jahre zum Präsidenten des VDMA gewählt (Foto: VDMA).

„Wachstum ist nicht das Maß aller Dinge“ Bertram Kawlath lächelt zufrieden, wenn er so etwas sagt. Der geschäftsführende Gesellschafter des Ingolstädter Ventilherstellers Schubert & Salzer empfängt im schmucken Kundencenter der seines Unternehmens. Hier zeigt der Maschinenbauzulieferer, was man kann: Flexible Lösungen für alle Branchen auch in kleinster Stückzahl. Massenfertigung und rasant anwachsende Umsätze überlässt man den anderen. Eine konsistente Firmenentwicklung ist dem 53-Jährigen lieber. Er weiß, dass große Zahlen heute viel Schall erzeugen können, um sich dann morgen rasch in Rauch aufzulösen.  

Bescheidenheit und Weitblick gehören zu den auffälligen Wesenszügen Kawlaths, dem neuen Präsidenten des Verbands des Deutschen Maschinen- und Anlagenbaus (VDMA). „Ich gehe lieber mit Worten um als mit Zahlen“, meint der Historiker und verhinderte Diplomat schmunzelnd. Blickt man auf seinen Werdegang, ist das allerdings eine ziemliche Untertreibung. Als die Familie 2004 jemand benötigt, der im Erzgebirge die eigene Eisenwerke Erla führen sollte, gibt er den Traum eine Laufbahn im Auswärtigen Amt auf und nimmt die Aufgabe an. Später führt er noch zwei weitere Gießereien in Thüringen. Es ist Geschäft, das „einige schlaflose Nächte“ verursacht, wie er rückblickend einräumt. Kawlath muss beispielweise erleben, dass die extremen Schwankungen der Rohstoffpreise vermeintlich gute Aufträge schnell verhageln können. Da gilt es, mit spitzem Bleistift zu kalkulieren. 

Lange ist Kawlath zwischen Nürnberg und Thüringen gependelt. „Das war auf Dauer doch eine ziemliche Belastung.“ Heute führt er den Zulieferer Schubert & Salzer, den die Familie schrittweise übernommen hat. Dem modernen Standort seht man nicht an, dass die Historie des Ingolstädter Unternehmens sogar bis ins Jahr 1883 zurückreicht. Begonnen hat die Firma in Chemnitz als Hersteller von Textilmaschinen und später als Geschützgießerei. Im Laufe der Zeit wurden die Teile immer kleiner, dafür technisch anspruchsvoller. Lange gehörte auch eine Automotiv-Sparte zum Unternehmen, die alleine mit 400 Mitarbeitern 100 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftete. Doch der Familie war die stake Ausrichtung auf nur eine Branche nicht geheuer. Deshalb wurde der Bereich 2006 verkauft. 

„Lieber klein und unabhängig bleiben, ist unsere Devise“, betont Kawlath während er durch das Unternehmen führt. Das ist heute vor den Toren Ingolstadt angesiedelt - in den modernen Räumen eines früheren Autozulieferers. „Der hat einen Großkunden verloren und ist in die Insolvenz geraten“, erklärt Kawlath und der Asterix-Fan lächelt vielsagend. Dann doch lieber klein und beharrlich seinen eigenen Weg gehen, soll das wohl heißen. Anfangs hat Schubert & Salzer nach dem Umzug aus der der Ingolstädter Innenstadt ein Großteil der Räumlichkeiten vermietet. Doch schrittweise breitet sich der Ventilhersteller immer mehr selbst in den eigenen Gebäudeteilen aus.  

Jeder vierte Autoreifen auf der Welt ist bei der Vulkanisierung an einem Ventil von Schubert & Salzer vorbeigekommen

Die Spezialität des Unternehmens: Individuell zugeschnittene Ventile. Mal fünf oder sechs. Oft aber auch nur ein einziges. Dabei gilt es 500 verschiedene Zulieferer zu steuern. Im eigenen Haus wird für 10.000 verschiedene Kunden lediglich entwickelt und montiert. Die laufenden Aufträge entnehmen die Mitarbeiter in der Montage von einem Monitor über ihren Köpfen: Conti folgt auf Hallertauer Hopfen. Dann Ventile für Nereus, MAN und Zentis. Immer kleine Stückzahlen. „An manchen Tagen fertigen wir bis zu 30 noch nie zuvor gemachte Produkte“, erklärt Kawlath. Insgesamt verlassen jedes Jahr rund 100.000 Ventile den 200 Mitarbeiter-Betrieb. Den Umsatz beziffert der neue VDMA-Chef mit 60 Millionen Euro. Der Ertrag sei „stabil“.

Zu den Spezialventilen gehört eine Eigenentwicklung, die wesentlich leichter ist, als Produkte der Konkurrenz. Beim Einbau und der Wartung – beispielsweise in einer weiter produzierenden Brauerei - sei es schon ein Unterschied, ob so ein Ventil 300 oder nur 30 Kilogramm wiege. Zu den Sonderanfertigungen gehört auch Hochdruckventile für die Wasserfontänen im Hotel Bellagio in Las Vegas, die eine Höhe von bis zu 140 Metern erreichen. Aber auch jeder vierte Autoreifen auf der Welt ist bei der Vulkanisierung an einem Ventil von Schubert & Salzer vorbeigekommen. Das Unternehmen agiert in einem Markt, das weltweit ein Volumen von 73 Milliarden Dollar hat. Dabei setzen die Ingolstädter weiter auf Nischen: „Von Größe allein können wir uns nichts kaufen“, betont der Firmenchef.
 

„Kontinuität durch Wandel“, lautet vielmehr die Devise bei den Kawlaths. Wo nötig alte Pfade verlassen und immer für neue Möglichkeiten offen sein. „Wenn wir uns von etwas trennen, nennen wir das Strategie“, erklärt Kawlath, warum Ende vergangenen Jahres auch die letzte Edelstahlgießerei verkauft wurde. Der Firmenchef baut im Gegenzug eine eigene IT-Tochter aus. Mit der eigenen Software können Daten von den Ventilen erfasst und ausgewertet werden. Das ist zunehmend in vielen Prozessen der Kunden von Bedeutung. Inzwischen trägt die Einheit zehn Prozent des Umsatzes. Dabei streicht seine Hand über ein buntes Sparschwein aus Ton. Davon sind im Unternehmen etliche zu sehen. Sie gehören indirekt auch zur Familie: Sonja Kawlath – Bertrams Schwester – gestaltet und fertigt die Schweinchen, die in vielen Haushalten Münzen und Scheine für die Sparer verwahren.   

Mit einer Mischung aus „Angst und Freude“ gehe er das neue Amt an. Dabei ist dem neuen VDMA-Präsidenten die Arbeit in den Verbänden nicht neu. So ist er schon lange im Mittelstandsausschuss des BDI aktiv. Seit 2011 gehört er dem bayrischen VDMA-Vorstand an und ist seit vier Jahren Vize-Präsident des Bundesverbandes. Seine bisherigen Schwerpunkte waren hier die Mittelstandspolitik und der Außenhandel. Er gilt in den Gremien und in der Politik als sehr gut vernetzt. „Ich führe gerne politische Gespräche. Da kann man etwas bewegen“, erklärt Kawlath und man merkt ihm an, dass das beharrliche Bohren dicker politischer Bretter tatsächlich Freude bereitet. Da kommt dann doch der verhinderte Diplomat durch. Das gehe aber nicht mehr in Hinterzimmern. Die offenen Themen müsse man heute breit und offen angehen.

An Gesprächsbedarf mangelt es dem neuen Verbandschef nicht. Neben dem notorischen Fachkräftemangel und den hohen Energiekosten treibt Kawlath „der exponentielle Anstieg“ an staatlicher Regulierung Sorgen. So sei der Freihandel völlig überfrachtet. Hier müsse die deutsche Politik aktiver handeln und „nicht alles dem EU-Parlament übertragen“. Gleichwohl sieht Kawlath die Wachstumschancen in einem Ausbau Europas mit einheitlicheren regeln. Entsprechend will er auch den verband weiterentwickeln, der schon heute viele Mitgliedsunternehmen außerhalb Deutschlands in seinen Reihen zählt. Trotz der vielen Themen will der neue VDMA-Präsident nicht auf den Tisch hauen. Das wäre wohl auch nicht sein Stil. „Wir müssen nicht lauter sondern erfolgreicher sein“, gibt er – ganz Diplomat - die Marschrichtung vor. Möglicherweise geht er dann auch neue Wege. Auf seinem Rechner prangt ein Aufkleber der NASA-Mission Apollo: „Das ist ein Symbol, wie man mit unkonventionellen Mitteln ein Problem lösen kann.“  

Die jüngsten Wahlergebnisse beobachtet der passionierte Hobbyfotograf mit großer Sorge. Obwohl er selbst lange in Sachsen und Thüringen gelebt hat, kann er sich nicht erklären, dass manche Menschen Putin so nahestehen. Vielleicht würden die Bürger dort empfindlicher auf Veränderungen reagieren. hätte man den Menschen aber auch ehrlicher sagen sollen, wie die Lage wirklich ist. Für den Verband hat sich Kawlath jedenfalls vorgenommen, die Präsenz des VDMA im Osten zu verstärken. Ein breites Aufgabenfeld für den umtriebigen Macher, der nichts mehr fürchtet als Langeweile. Seinen grundsätzlichen Optimismus soll in seinem Büro ein Bild der Comic-Figur Popeye symbolisieren. Darunter steht: „The best is still to come.“
 

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