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Personal > KI-Jobs in Deutschland

KI auf dem Abstellgleis? Warum Deutschlands Jobmarkt den Anschluss verpasst

Trotz wachsender Bedeutung bleibt der KI-Arbeitsmarkt in Deutschland zurück. Experten warnen vor Verlust der Wettbewerbsfähigkeit.

Trotz wachsender technischer Möglichkeiten stagniert die Nachfrage nach KI-Fachkräften in Deutschland – eine gefährliche Lücke zwischen Innovation und Anwendung. (Foto: KI-generiert chatgpt)

Der deutsche Arbeitsmarkt für Künstliche Intelligenz (KI) zeigt Anzeichen einer Stagnation. Trotz des enormen Potenzials dieser Technologie für Produktivitätssteigerungen und Innovationen bleibt die Nachfrage nach KI-Experten auf einem überraschend niedrigen Niveau. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung und des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) offenbart diese besorgniserregende Entwicklung.

Entwicklung der KI-Stellenangebote seit 2019

Die Analyse von rund 60 Millionen Online-Stellenanzeigen zwischen 2019 und 2024 zeigt eine zunächst positive Entwicklung: Die Zahl der KI-bezogenen Stellenausschreibungen stieg von 97.000 im Jahr 2019 auf 180.000 im Jahr 2022 - fast eine Verdopplung. Doch seitdem stagniert der Anteil bei lediglich 1,5 Prozent aller Stellenanzeigen. Im Jahr 2023 war sogar ein leichter Rückgang auf knapp 152.000 Anzeigen zu verzeichnen.

Dieser Trend setzt sich laut ersten Analysen auch 2025 fort. Trotz des allgemeinen Rückgangs des Jobangebots in der aktuellen Rezession blieb der Anteil von KI-Jobs in den letzten beiden Jahren stabil bei 3,8 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen, dass der KI-Arbeitsmarkt in Deutschland noch weit von einer Durchdringung der Gesamtwirtschaft entfernt ist.

Regionale Verteilung der KI-Jobs in Deutschland

Die Studie zeigt deutliche regionale Unterschiede bei Stellenangeboten im Bereich Künstliche Intelligenz (KI). Besonders auffällig ist die Konzentration von KI-Jobs in bestimmten Regionen:

Regionen mit hoher Dichte an KI-Stellenangeboten:

  • München: Spitzenreiter mit einem Anteil von 4,5 % aller KI-Stellenanzeigen in Deutschland.

  • Süd- und Südwestdeutschland: Starke Präsenz der Automobilindustrie und Zulieferer sorgt für einen klaren KI-Schwerpunkt.

  • Rhein-Ruhr-Region: Überdurchschnittliches Angebot an Jobs im Bereich Künstliche Intelligenz.

  • Großraum Berlin: Ebenfalls ein Zentrum mit hoher Nachfrage nach KI-Fachkräften.

Regionen mit geringem KI-Potenzial:

Im Gegensatz dazu gibt es zahlreiche ländliche Regionen, in denen KI kaum eine Rolle spielt. Die Hauptursachen hierfür sind:

  • Fehlende technologische Infrastruktur

  • Unzureichender Ausbau von Glasfaser-Internet (FTTH)

  • Mangel an leistungsfähigen Datenzentren

„Was im ländlichen Raum fehlt, ist eine hochleistungsfähige FTTH-Glasfaserinfrastruktur.“

Hannes Ametsreiter, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung

Diskrepanz zwischen KI-Einsatz und Fachkräftenachfrage

Ein paradoxes Bild zeichnet sich ab: Während die Schlagzeilen voll sind von Künstlicher Intelligenz und ihrem transformativen Potenzial, herrscht auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine seltsame Ruhe. Unternehmen investieren zwar zunehmend in KI-Technologien – doch die Nachfrage nach Fachkräften, die diese Systeme im Alltagsgeschäft anwenden und verankern könnten, bleibt auffallend gering. Gesucht werden vor allem Entwickler, insbesondere Experten für maschinelles Lernen. Wer hingegen Kompetenzen in der praktischen Nutzung von KI in Marketing, Vertrieb oder Kundenservice mitbringt, findet sich oft am Rand des Interesses wieder.

Diese Schieflage wirft ein Schlaglicht auf eine tiefer liegende Problematik: Viele Unternehmen betrachten KI offenbar noch als technologische Spielwiese, nicht als Werkzeug für strukturelle Erneuerung. Die Integration in bestehende Prozesse – also die eigentliche Arbeit, die über Erfolg oder Misserfolg entscheidet – scheint auf der Prioritätenliste weit unten zu stehen. Der Eindruck entsteht, als würde man moderne Maschinen anschaffen, ohne das Personal entsprechend zu schulen.

Die Folgen dieses zögerlichen Vorgehens könnten gravierend sein. Hannes Ametsreiter bringt es auf den Punkt: „Wenn KI in Unternehmen nicht stärker eingesetzt wird, verlieren wir an internationaler Wettbewerbsfähigkeit.“ Diese Warnung ist kein Einzelruf. Eine Umfrage des Branchenverbands Bitkom belegt: Immer mehr Firmen sehen sich selbst im internationalen Vergleich als Nachzügler. Manche fühlen sich bereits abgehängt – in einer Disziplin, die in Zukunft maßgeblich über Marktanteile entscheiden könnte.

Dabei ist das wirtschaftliche Potenzial längst kein Geheimnis mehr. Studien zufolge könnte KI die gesamtwirtschaftliche Produktivität in Deutschland um bis zu 16 Prozent steigern. Und dennoch: Die Diskrepanz zwischen theoretischem Nutzen und tatsächlicher Nutzung klafft weiter auseinander.

Was bleibt, ist das ungute Gefühl, dass Deutschland in Sachen KI nicht an fehlender Technologie scheitert – sondern an der Strategie zu ihrer Anwendung. Es braucht nicht nur Programmierer, sondern auch Brückenbauer: Menschen, die die Technologie verstehen und zugleich wissen, wie sie in der Realität von Unternehmen funktioniert. Ohne diesen Perspektivwechsel droht das nächste große Innovationsversprechen erneut im Silo der IT zu versanden.

Produktivitätspotenzial und notwendige Maßnahmen

Um das volle Potenzial von KI auszuschöpfen und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, sind gezielte Maßnahmen erforderlich. Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, fordert Unternehmen auf, ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand zu stellen. Zudem seien verstärkte Investitionen in die Kompetenz der Mitarbeiter und eine bürokratiearme Umsetzung der KI-Verordnung notwendig.

Für eine flächendeckende Nutzung von KI in Deutschland ist der Ausbau der digitalen Infrastruktur, insbesondere in ländlichen Regionen, unerlässlich. Nur mit einer leistungsfähigen Glasfaserinfrastruktur und ausreichenden Rechenzentrumskapazitäten können Unternehmen das volle Potenzial von KI-Anwendungen ausschöpfen.

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