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Personal > Metall-Tarifverhandlungen

Lohnkampf in der Metallbranche: Heiße Phase der Tarifverhandlungen beginnt

Die Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie stehen vor einem explosiven Konflikt, da Gewerkschaften und Arbeitgeber deutlich auseinanderliegen.

Tausende Menschen nahmen am 11.9.2024 mit Plakaten und Fahnen an einer Auftaktdemonstration der Tarifverhandlungen für die bayerische Metall- und Elektroindustrie teil. (Foto: picture alliance, Peter Kneffel)

„Das wird diesmal schwierig.“ Diesen Satz hört man oft, wenn man mit Vertretern von Südwestmetall und IG Metall über die jetzt angelaufene Tarifrunde spricht. Ganz Deutschland blickt auf diese Gespräche, denn in Baden-Württemberg entstehen traditionell die Pilotabschlüsse für die gesamte Metall- und Elektroindustrie.

Der Grund: von den 3,6 Millionen Beschäftigten der Branche arbeitet jeder Dritte im Südwesten. Auch der jetzt noch geltende Tarifvertrag wurde Anfang November 2022 hier ausgehandelt. Mit Signalwirkung für viele andere Branchen. Wir sind keinen Schritt vorangekommen“, erklärt Barbara Resch, Bezirksleiterin der IG Metall Baden-Württemberg nach der ersten Runde, die noch auf ein Angebot der Gegenseite wartet. Wir brauchen eine moderate Lohnerhöhung“, kontert Harald Marquardt Verhandlungsführer des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall. In der Analyse der Lage sei man sich einig. Nur in der Wahl der Rezepte liege man noch auseinander.

Die Positionen sind also noch weit voneinander entfernt: Sieben Prozent mehr Geld für die kommenden zwölf Monate lautet die Forderung der Gewerkschaft. Es ist die dritthöchste überhaupt. „Entscheidend ist, dass die Kaufkraft der Beschäftigten gestärkt wird“, argumentiert Resch, der seit März die IG Metall in Baden-Württemberg anführt. So könne man die Binnennachfrage stärken. Ferner sollen die Auszubildenden 170 Euro mehr Geld bekommen. Hingegen spielt in dieser Runde ein Gewerkschaftsbonus wohl keine Rolle. Den hat die Chemiebranche im Sommer vereinbart. Für die Metallarbeitgeber ist dieser Punkt ein rotes Tuch. Sie halten die Forderung der Gewerkschaft für völlig überzogen, wie Resch nach der ersten Runde einräumt. So rechnen die Arbeitgeber vor, dass schon jetzt ein Mitarbeiter im Schnitt jährlich 81.000 Euro koste. Gerade in der Krise sei das nicht viel Spielraum.
 

 

Lohnforderungen vs. Arbeitsplatzsicherheit

In Baden-Württemberg zählt die IG Metall mehr als 400.000 Mitglieder. Die jubelten den Forderungen ihrer Gewerkschaft im Frühjahr noch begeistert zu.  Nach den Sommerferien dürften aber vor allem in den kleineren Betrieben sichere Arbeitsplätze mehr im Fokus stehen als ein Aufschlag in der Lohntüte. Dem stehen die Metaller von Mercedes, Porsche und Audi gegenüber. Deren Arbeitgeber spüren zwar auch die Krise, doch sie verdienen weiter bombig. Das weckt Begehrlichkeiten. So pocht man auch bei Daimler Truck auf mehr Geld obwohl viele Beschäftigte in Kurzarbeit sind. Betriebsratschef Michael Brecht sitzt genauso am Verhandlungstisch wie sein ZF-Kollege Achim Dietrich. In seinem Konzern sollen 14.000 Stellen wegfallen. Das ist jeder vierte ZF-Arbeitsplatz in Deutschland.

Die neue Gewerkschaftschefin Resch muss also aufpassen, dass Anspruch und Wirklichkeit ihre Organisation nicht tief spalten. Schon ihr Vorgänger Roman Zitzelsberger hatte 2022 seine Mühe die unterschiedlichen Interessen unter einem Hut zu halten. Seinerzeit galt die Tarifrunde als besonders knifflig, denn so manches Unternehmen hatte die Einbußen aus der Pandemie noch nicht verdaut. Andererseits hatte der Maschinenbau aber noch volle Auftragsbücher und war über viele Monate hinweg voll ausgelastet. Auch die Autoindustrie spürte Aufwind.

Davon kann heute keine Rede mehr sein. Vor allem kleinere Zulieferer sprechen von Umsatzeinbrüchen zwischen 20 und 30 Prozent. „Wir liegen in diesem Jahr rund ein Fünftel unter dem Produktionsvolumen des Spitzenjahrs 2018“, beschreibt Oliver Barta, Hauptgeschäftsführer von Südwestmetall die Lage. Die Arbeitgeber haben im Vorfeld der Gespräche sogar eine Nullrunde ins Spiel gebracht. Vor allem die kleineren Mitgliedsunternehmen verweisen darauf, dass es nichts zu verteilen gibt. So sind beispielsweise mehr als 80 Prozent der meist mittelständischen Mitgliedsbetriebe des Wirtschaftsverbands industrieller Unternehmen in Baden (wvib) nicht mehr ausgelastet. Die Bundesagentur für Arbeit in Stuttgart registriert Kurzarbeiterzahlen wie seit Jahren nicht mehr. Hier liegt Baden-Württemberg sogar weit über dem Durchschnitt.

Krise bei Volkswagen und schwächelnde Auftragslagen belasten den Mittelstand

Verhandlungsführer Marquardt, ist selbst Chef eines Familienunternehmens in Rietheim-Weilheim bei Tuttlingen. Der gleichnamige Autozulieferer hat viel in Produkte für die E-Mobilität investiert - doch jetzt bleiben die Aufträge aus. Als Vertreter des Mittelstands hat Marquardt bereits 2022 die Verhandlungen geführt. Ihm gegenüber saß bereits damals Resch, die als große Tarifexpertin gilt. Man kennt sich also. Und schon seit Monaten gibt es immer wieder Kontakte und lotet vorsichtig die Stimmung auf der gegenüberliegenden Seite aus. So verlaufen auch die Gespräche während der ersten Runde „in einer guten Atmosphäre“, wie Resch im Anschluss versichert.

Überschattet werden die Verhandlungen von der Krise bei Volkswagen. Der Konzern hat eigentlich einen eigenen Tarifvertrag, der jetzt gekündigt wurde. Damit fällt auch die Beschäftigungsgarantie die deutschen Standorte weg. Der VW-Vorstand schafft so die Voraussetzungen für eine Kündigungswelle. Die Rede ist von zwei Werksschließungen. „Nicht mit uns“; droht die IG Metall mit einem Arbeitskampf. Die Gewerkschaft ist also in diesem Herbst an zwei Fronten intensiv gefordert. Das sehen auch die Arbeitgeber im Südwesten. Unter ihnen werden deshalb Stimmen laut, die zu einem Abschluss drängen, bevor die Lage in Wolfsburg eskaliert. „Dort scheint die Situation wirklich dramatisch zu sein“, meint der Chef eines Zulieferers.

Es brauen sich also stürmische Zeiten an der Tariffront zusammen. Im Gegensatz zu 2022 haben viele Unternehmen keine vollen Auftragsbücher. Die Perspektiven vor allem in der Autoindustrie sind lausig. Von Zulieferern ist zu hören, dass die Durststrecke bis Anfang 2026 andauern könnte. „Kommen jetzt zusätzliche Belastungen aus der Politik oder der Tarifpolitik, wird sich die prekäre Lage weiter verschärfen“, mahnt Barta. Aus Sicht vieler Betriebe besteht diesmal kein Grund einen Streik zu vermeiden. Aus Kreisen der Arbeitgeber ist sogar das Wort „Aussperrung“ zu hören, sollte es zum Streik kommen. Der ist prinzipiell nach dem 28. Oktober möglich. Da endet die Friedenspflicht. Zwei Wochen davor ist die zweite Verhandlungsrunde angesetzt. Dann könnten die Arbeitgeber tatsächlich ein Angebot vorlegen. „Das ist noch nicht entschieden“, bewegt sich Marquardt weiter im Ungefähren.

 

Besonders kreative Lösungen gesucht

Die Tarifrunde müsse einen Beitrag leisten, damit die Unternehmen besser durch die Transformation kommen, fordert der Verhandlungsführer von Südwestmetall. Die Tarifexperten beider Seiten werden also diesmal besonders kreativ nach Lösungen suchen müssen, die nach viel aussehen aber möglichst wenig kosten. Denkbar ist beispielsweise ein Abschluss, der sich an der wirtschaftlichen Lage des Betriebs orientiert. Das ist heute schon in 100 der 800 Unternehmen der Fall, die bei Südwestmetall organisiert sind. Auch eine längere Laufzeit ist eine beliebte Stellschraube. Zudem könnte die Möglichkeit von Arbeitszeitkonten ausgeweitet werden.

Während Südwestmetall höhere Kosten verhindern will, muss die Führung der Gewerkschaft liefern. Neben Resch ist auch Christiane Benner in der Frankfurter Zentrale erst seit Anfang des Jahres neu an der Spitze. Wie die Stuttgarter Kollegin muss sie ebenfalls beweisen, dass die IG Metall hohe Forderungen durchsetzen kann. Doch je länger ein Arbeitskampf dauert, desto höher die Erwartungen der Basis. Auch darum argumentiert Resch: „Einen Streik kann keine Seite wirklich wollen.“

 

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