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Luft nach oben bei der Weiterbildung

Der Bedarf nach Expertise in den Bereichen IT-Sicherheit, KI und emissionsfreie Produktion wird in der Metall- und Elektroindustrie bis Ende der Dekade um mehr als 50 Prozent ansteigen.

Doch aus dem Untertürkheimer E-Campus soll noch mehr hervorgehen. Mercedes entwickelt hier alle Bestandteile rund um den E-Antriebsstrang. Gemeint sind Batterie, Leistungselektronik, Software, E-Achsen und der Elektromotor selbst. „Wir steigen hier wesentlich tiefer ein als beim Verbrennungsmotor“ betont Schäfer. Die Stuttgarter wollen so in allen Bereichen die Kosten für ein E-Fahrzeug beeinflussen und möglichst drücken. „Die sind heute noch wesentlich höher als beim Verbrenner“, erklärt Schäfer. Das bedeutet konkret: Mercedes fertigt künftig wesentliche Teile des künftigen Autos wieder selbst, statt sie wie bisher von Zulieferern zu beziehen. „Das verändert die Lieferbeziehung“, räumt Schäfer ein. So sei nun mal der Wettbewerb.

Die Zulieferer dürften den Kurswechsel von Mercedes als eine Kampfansage verstehen. Große Unternehmen wie Bosch, Mahle oder ZF haben in den vergangenen Jahren hohe Beträge in die Fertigung von Produkten für die Elektromobilität investiert. So hat Mahle seine E-Motoren auch an Mercedes geliefert. Das ist nun vorbei. Im neuen CLA kommt ein Antrieb aus dem eigenen Haus zum Einsatz. Michael Häberle, Stellvertretender Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates, sieht in der Strategie des Konzerns eine Absicherung der eigenen Arbeitsplätze. Der Vertretung der Belegschaft quält schon lange die Erkenntnis, dass für die Produktion von „Stromer mit Stern deutlich weniger Menschen benötigt werden. „Antriebe müssen aus Untertürkheim kommen“, betont er deshalb. Und wenn eines Tages Mercedes fliegen sollen, kommen die Düsen von hier.“ Es sei nicht einfach, den technologischen Wandel den Kollegen zu vermitteln. Drum brauche es Zuversicht und den Willen etwas Neues wagen zu wollen.

Diesen Mut wünscht auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Die Autoindustrie des Landes sei immer der entscheidende Schrittmacher gewesen. Mit dem E-Campus werde der Weg für neuen Innovationen bereitet, damit der erreichte Wohlstand auch erhalten werden kann. Die Forschungseinrichtung hat sich bis nach Berlin herumgesprochen. So verfolgt auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Eröffnung vor Ort. Es sei wichtig am eingeschlagenen Kurs hin zur Elektromobilität festzuhalten. „Eine Achterbahnfahrt der Politik führt am Ende nur an den Ausgangspunkt zurück. Deshalb habe die Bundesregierung im neuen Haushaltsentwurf auch eine neue Förderung von E-Dienstwagen bis zum Preis von 95.000 Euro geplant. Die soll bis 2028 gelten. Er hoffe, dass dies für einen neuen Impuls sorgen werde.
Konzernchef Källenius hält ebenfalls am eingeschlagenen Kurs fest. Allerdings hat er den Verbrenner längst nicht mehr auf die Resterampe gestellt wie noch vor einem Jahr. „Wir entwickeln beides bis in die 30er Jahre weiter“, lautet die neue Losung aus der Stuttgarter Konzernzentrale. Doch als eine Abkehr der bisherigen Pläne will Källenius das nicht verstanden wissen. Mercedes sehe in der Elektromobilität den Antrieb der Zukunft. Dem E-Campus, der in Sichtweite von Källenius‘ Vorstandsbüro nun den Betrieb aufnimmt, gibt der Konzernchef ein Motto vor, das er aus dem benachbarten Fußballstadion entnommen hat: „Chance nutzen und auf Sieg spielen.“

Das geht aus einer Studie hervor, die von AgenturQ und dem Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) erstellt wurde. „Viele Weiterbildungsmaßnahmen sind immer noch zu sehr rückwärtsgewandt, statt die Themen anzugehen, die künftig benötigt werden“, erklärt Stefan Baron, Geschäftsführer der AgenturQ, einer Beratungsgesellschaft, die von Südwestmetall und IG Metall getragen wird und die sich vor allem um die Weiterbildung in der Transformation kümmert. Die Autoren der Studie haben hiterfragt, welche Kompetenzen in den Schlüsselbranchen Auto- und Zuliefererindustrie, Maschinenbau sowie Metall und Elektro benötigt werden. Dabei wurden unteranderem knapp eine Million Stellenanzeigen ausgewertet, die von Unternehmen im Südwesten zwischen 2018 und 2023 veröffentlicht wurden. Zudem wurden Trends in der Branche analysiert.

Spitzenreiter der besonders gefragten Kompetenzen ist die IT-sicherheit, dessen Bedarf bis 2030 um 54 Prozent ansteigen wird. Es folgen Künstliche Intelligenz, Emissionsfreie Produktion, Resilienz, Data Management, IT-Infrastruktur sowie Projektmanagement und Datenanalyse. Insgesamt haben die Autoren der Studie rund 12.000 Qualifikationen in 39 Themenfelder untersucht und hinterfragt, welch ein Bedarf in den kommenden Jahren bestehen wird. „Die Studie ist ein wichtiger Hinweis vor allem für kleine und mittlere Unternehmen, die selbst nicht die Kapazität für umfassende Analysen haben, wie dies in den Konzernen der Fall ist.“, betont Oliver Barta, Hauptgeschäftsführer von Südwestmetall. So geht die Studie davon aus, dass in Baden-Württemberg bis 2040 rund 40.000 Stellen allein im Fahrzeugbau und weitere 20.000 Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe wegfallen werden.

Der Arbeitskräftemangel zeige, wie wichtig es sei, dass die Beschäftigten nicht verlogen gehen, so Barta. „Wir müssen alles dafür tun, damit der richtige Mensch am richtigen Platz ist.“ Daher sei es wichtig, dass alle Mitarbeiter in dem Transformationsprozess mitgenommen werden. Hier sieht Barbara Resch, Bezirksleiterin der IG Metall Baden-Württemberg „noch Luft nach oben.“ In vielen Betrieben werde in Zeiten der Unterauslastung die Gelegenheit verpasst, mehr für die Weiterbildung zu tun. Sie mahnt aber auch Betriebsräte und Beschäftigte sich aktiv um entsprechende Kurse zu bemühen: „Das ist nicht nur ein Thema für die Arbeitgeber.“

Henry Goecke von IW Consult und Mitautor der Studie hat einen Wandel in den nachgefragten Kompetenzen festgestellt. Der Grundlegende Umgang mit IT werde inzwischen als gegeben unterstellt. Der Fokus liege nun vor allem in den Bereichen Digitalisierung, Datenanalyse sowie dem Management von Produktionsprozessen, Personal, Dokumentationen und Logistik deutlich gestiegen. Hingegen werden heute Wissen auf den Feldern Die vorliegenden Daten aus den Stellengesuchen würden die künftige Nachfrage nach Experten rund um KI oder „Green Skills“ hingegen nur erahnen lassen. Goecke sieht in der Studie eine wichtige Grundlage aus der dann die unternehmen ihren bedarf passgenau entwickeln können.

Diese Hinweise sollten aus Sicht der AgenturQ weit über die Betriebe hinaus genutzt werden. „Darum ist diese Studie so ein wichtiger Kompass, was künftig wirklich gebraucht wird“; betont Baron. Auf dieser Basis sollte man auch hinterfragen, ob denn die heutigen Inhalte für die Ausbildung noch auf dem richtigen Stand sind. Der ermittelte bedarf sei auch ein wichtiger Hinweis für die Beratung der Bundesagentur für Arbeit. Die Studie sowie weitere Begleitmaterialien stehen unter www.futureskills-bw.de zur Verfügung.

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