MittwochsMeinung: Der 12-Milliarden-Dollar-Mann von Apple
12 Milliarden Dollar kostet es, wenn Steve Jobs sich aus dem operativen Geschäft von Apple zurückzieht. Damit bewahrheitet sich, was viele Patriarchen fürchten: Wenn sie sich verabschieden, wird es für ihr Unternehmen schnell verdammt teuer. Die MittwochsMeinung von Chefredakteur Boris Karkowski.
Manche Chefs sind eben doch unersetzlich – was viele Chefs und Unternehmer fürchten, gestern konnte man es konkret in Zahlen ausrechnen: 12 Milliarden Dollar weniger war Apple am Dienstagmorgen wert, nachdem Steve Jobs krankheitsbedingt seinen zeitweisen Rückzug aus dem Geschäft bekannt gegeben hatte.
Auch wenn man kein internationaler Star wie Jobs ist, sind die Bedenken der Chefs trotz aller anderslautenden „niemand ist unersetzlich“-Sprüche berechtigt: Kunden vertrauen dem Patriarchen, Mitarbeiter wissen, was sie an ihm haben. Er hat das Unternehmen groß gemacht, an seinem Erfolg besteht kein Zweifel. Nachdem Jobs Apple 1985 verlassen musste, ging es dem Unternehmen schlecht, heute hat er Apple mit iPod, iPhone und iPad zu einem der fünf wertvollsten Unternehmen der Welt gemacht.
Medien, aber auch Kunden und Mitarbeiter, neigen dazu, Leistungen zu personalisieren. Egal, wie häufig ein Hollywood-Regisseur bei der Oscar-Verleihung dem Team und anderen dankt, er steht allein im Rampenlicht. Vergessen, dass es tatsächlich nicht ohne ein tolles Team funktioniert hätte. Im Unternehmen ist es nicht anders – der genialste Verkäufer ist erfolglos, wenn die Produkte Schrott sind.
Unbemerkt von der Öffentlichkeit stehen unzählige talentierte Verkäufer, Designer, Entwickler, Techniker hinter dem Erfolg von Apple. Gut möglich, dass einer darunter auch das Zeug zum Star hat. Er wird kein zweiter Jobs sein, aber auf einem anderen Gebiet über-exzellent. Nur: Solange Steve Jobs regiert (und das wird er in wichtigen Punkten auch vom Krankenbett aus), wird das Talent keine Chance haben, sich beweisen zu müssen. Denn die letzte Reife kann nur bekommen, wer im Gefecht ganz vorne mitkämpft, ohne im Notfall vom Patriarchen Beistand zu erhalten.
Hohe Messlatte
Die Gefahr ist groß, dass ein Neuer scheitert – die Messlatte liegt hoch
– aber längst nicht so groß, wie Kunden, Mitarbeiter oder Aktionäre
glauben. Alle müssen lernen, dass Veränderung unausweichlich ist. Je
früher sie sich damit anfreunden müssen – weil sie der Patriarch dazu
zwingt – desto besser stehen die Erfolgschancen des Nachfolgers.
Selbst die 12 Milliarden Dollar sind gar nicht so dramatisch wie sie
klingen: Es waren 6 Prozent des Unternehmenswerts. Das ist viel Geld,
aber nicht das Ende des Unternehmens. Und schon nach wenigen Stunden lag
der Kursverlust nur noch bei 3 Prozent. Während der letzten Auszeit von
Jobs war der Aktienkurs um 70 Prozent gestiegen.