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Management > Betriebswirtschaft

Moral ist kein Geschäftsmodell – warum Unternehmen Rationalität brauchen

| Andreas Engelen

Moral ist wandelbar, unbestimmt und subjektiv. Unternehmen brauchen klare Regeln und ökonomische Rationalität statt moralischer Maßstäbe.

Moral - Waagschale
Moralische Orientierung klingt nobel, doch stabile Wertschöpfung entsteht nur durch klare betriebswirtschaftliche Regeln. (Foto: MuM/Ki)

07.10.2025 von Andreas Engelen für Markt und Mittelstand

Die Betriebswirtschaftslehre hat einen klaren Auftrag: Sie soll Unternehmen helfen, Ressourcen effizient einzusetzen, Prozesse zu optimieren und Wertschöpfung zu sichern. Doch schiebt sich eine andere Erwartung in den Vordergrund: Unternehmen sollen moralische Instanzen werden. Auf den ersten Blick wirkt das nobel. Auf den zweiten zeigt sich: Moral ist ein schlechtes Kriterium für betriebswirtschaftliches Handeln. 

Moral ist unbestimmt. Was „richtig“ und „falsch“ ist, entzieht sich einer einheitlichen Definition. Während etwa Aktivisten moralisch fordern, sofort aus Kohle, Öl und Gas auszusteigen, betrachten andere es als moralische Pflicht, die Energiepreise stabil zu halten und Arbeitsplätze in der Industrie zu schützen. Beide Seiten beanspruchen Legitimität. Für Unternehmen ergibt sich daraus aber kein klarer Handlungsrahmen, sondern ein Dilemma. 

Moral ist wandelbar. Was gestern als tugendhaft galt, kann morgen als verwerflich gelten. Unternehmen, die sich nach moralischen Maßstäben richten, drohen, wechselnden Erwartungen hinterherzulaufen. Beispiel Modeindustrie: Noch vor wenigen Jahren galt „Fast Fashion“ als Erfolgsmodell, das Konsumentenwünsche nach günstiger, trendiger Kleidung erfüllt. Heute ist Inbegriff von Ausbeutung und Ressourcenverschwendung. Wer sich allein an moralischen Kategorien orientiert, verliert die Stabilität, die verlässliches Wirtschaften erfordert. 

Warum Moral keine betriebswirtschaftliche Strategie ersetzt – und Unternehmen gefährdet, die sie zum Maßstab machen

Moral ersetzt keine betriebswirtschaftliche Kalkulation. Sie beantwortet nicht, welche Investition sich rechnet oder wie Risiken zu steuern sind. Ein Unternehmen, das eine hochmoralische, aber unrentable Technologie fördert, gefährdet nicht nur seine Profitabilität, sondern auch seine Existenz. Damit werden Aktionäre, Mitarbeiter, Zulieferer und Kunden enttäuscht. Eine moralisch motivierte Fehlentscheidung kann genau den Menschen schaden, denen man dienen wollte. 

Das heißt nicht, dass Unternehmen bedenkenlos handeln sollen. Selbstverständlich gibt es Grenzen: Gesetze, regulatorische Vorgaben und Marktdisziplin legen sie fest. Wer Kinderarbeit nutzt, Emissionen verschleiert oder Korruption betreibt, handelt nicht nur unmoralisch, sondern auch ökonomisch töricht. Denn die rechtlichen Risiken, der Reputationsschaden und die damit verbundenen Kosten sind enorm. Diese Grenzen sind präzise definiert, justiziabel und überprüfbar. Moral hingegen ist oft vage. 

Und: Moral ist subjektiv. In pluralistischen Gesellschaften existieren unterschiedliche Vorstellungen davon, was ein gutes Unternehmen ausmacht. Soll es viele Frauen im Vorstand haben oder vor allem hohe Steuern zahlen? Soll es in lokale Projekte investieren oder globale Initiativen unterstützen? Jedes moralische Ziel schließt andere aus. Über betriebswirtschaftliche Kennzahlen hingegen lässt sich nicht streiten. 

Ein moralischer Fokus lenkt Unternehmen von ihrem wahren gesellschaftlichen Beitrag ab. Der Kernnutzen von Unternehmen liegt darin, Wertschöpfung zu erzeugen. Profitable Unternehmen schaffen Arbeitsplätze, finanzieren Forschung, zahlen Steuern und eröffnen der Gesellschaft insgesamt den Spielraum, über politische Prozesse ihre moralischen Präferenzen umzusetzen. 

Die klare Botschaft lautet: Moral gehört in Politik, Zivilgesellschaft, das persönliche Handeln – aber nicht in die Betriebswirtschaftslehre. Unternehmen brauchen Regeln, klare Kennzahlen und wirtschaftliche Rationalität. Nur auf dieser Basis können sie stabil handeln, Innovation fördern und die Ressourcen erwirtschaften, die dann in moralische Projekte fließen können. Wer Moral selbst zum Kriterium macht, läuft Gefahr, ökonomisch und gesellschaftlich zu scheitern. 

Der Kernnutzen von Unternehmen liegt darin, Wertschöpfung zu erzeugen.

Prof. Dr. Andreas Engelen, Lehrstuhlinhaber

Der Autor

Die Forschung schafft Wissen, die Praxis nutzt es – wenn dazwischen nur nicht immer so viel Interessantes verloren ginge. Unser Kolumnist Professor Andreas Engelen setzt sich für den gezielten Wissenstransfer von den Hochschulen in die Unternehmen zu betriebswirtschaftlichen Themen ein. Der Inhaber des Lehrstuhls für Management an der Heinrich HeineUniversität in Düsseldorf forscht mit seinem Team erfolgreich über Fragen des strategischen Managements, der Innovation und des digitalen Managements. Aktuell schlägt er in Projekten mit mehr als 20 Unternehmen die Brücke zwischen Theorie und Praxis – für seine Studierenden wie für Firmen.

Faktenbox: Moral und Betriebswirtschaft

  • BWL-Auftrag: Effizienter Ressourceneinsatz, Prozessoptimierung, Sicherung der Wertschöpfung.

  • Moral unbestimmt: Unterschiedliche Definitionen von „richtig“ und „falsch“ – kein klarer Handlungsrahmen.

  • Moral wandelbar: Was heute tugendhaft gilt, kann morgen verwerflich erscheinen (Beispiel Fast Fashion).

  • Moral subjektiv: Pluralistische Gesellschaft → konkurrierende Vorstellungen von „gutem Unternehmen“.

  • Klare Grenzen: Gesetze, Regulierung, Marktdisziplin sind überprüfbar – im Gegensatz zu moralischen Maßstäben.

  • Kernnutzen von Unternehmen: Der Kernnutzen von Unternehmen liegt darin, Wertschöpfung zu erzeugen.

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