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Vergütung > Kreativwirtschaft

Große Produktionen, schlanke Budgets: Die Herausforderung der fairen Vergütung im Milliardenmarkt Filmindustrie

Neue Tarifverträge in der deutschen Filmindustrie erfordern höhere Schauspielergehälter und beeinflussen die Kostenstruktur für Filmproduzenten.

Frau auf rotem Teppich im Blitzlicht
Der Glamour der Filmschaffenden verspricht Blitzlichtgewitter, rote Teppiche und jede Menge Aufmerksamkeit – doch die schockierende Wahrheit ist: Viele Schauspieler weltweit werden kläglich unterbezahlt. Währenddessen machen die großen Filmproduktionsfirmen und Streaming-Dienste Milliarden. (Foto: shutterstock)

 

 

 

Unrühmliche Unterbezahlung von Schauspielern

Inmitten der glitzernden Welt von Hollywood, zwischen Glamour, roten Teppichen und Blitzlichtern, verbirgt sich eine brutale und oft übersehene Realität: die erschütternde und beschämende Unterbezahlung von Schauspielern. Während die Schlagzeilen die rekordverdächtigen Gagen der großen Stars feiern, kämpft die überwältigende Mehrheit der Schauspieler häufig ums Überleben.

Oft genug sind aufstrebende Talente gezwungen, mehrere Nebenjobs anzunehmen, nur um über die Runden zu kommen. Die Kluft zwischen den Millionenbeträgen, die in blockbustergroße Produktionen fließen, und den kärglichen Summen, die tatsächlich bei den Talenten ankommen, ist ebenso riesig wie blamabel.

All das geschieht unter den Augen einer Industrie, die trotz globaler Krisen und wirtschaftlicher Herausforderungen Milliardengewinne einfährt - und zwar angetrieben durch die Explosion von Streaming-Diensten und die unermüdliche Nachfrage nach frischen Inhalten. Doch während diese Unternehmen florieren und ihre Marktanteile erweitern, bleibt ein bitterer Beigeschmack: Die überwältigende Mehrheit der Schauspieler, die das Herzstück dieser boomenden Industrie bilden, sieht von den enormen Gewinnen nur einen Bruchteil. Statt eines gerechten Stücks vom Kuchen werden weltweit viele mit unsicheren Verträgen und unzureichenden Gagen abgespeist, weit entfernt von den glitzernden Versprechen, die die Leinwand ihnen vorhält.

In Deutschland soll sich das nun ändern - durch den neuen Tarifvertrag für Filmschaffende.

Filmbranche als Wirtschaftsfaktor

Die Filmindustrie gehört zu den größten Unterhaltungsmärkten der Welt und stellt einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. Allen voran ist Hollywood weltweit die profitabelste Filmindustrie. In den USA schafft und sichert die Film- und Fernsehproduktion 2,74 Millionen Arbeitsplätze sowohl vor als auch hinter der Kamera und gilt gleichzeitig als ein wertvolles und gefragtes Exportgut weltweit. Zu den unterstützten Berufen zählen Spezialeffekttechniker, Maskenbildner, Drehbuchautoren, Bühnenbauer und Ticketverkäufer. Diese Arbeitsplätze generieren jährlich Löhne in Höhe von über 242 Milliarden Dollar.

Mit bis zu 1000 Filmen pro Jahr ist Bollywood jedoch der größte Filmmarkt, gefolgt von Nollywood, der enorm schnell wachsenden nigerianischen Filmindustrie, die dank Streamingdiensten wie Netflix immer mehr an Bedeutung gewinnt. Aber auch in Deutschland ist die Filmindustrie ein wichtiger Wirtschaftszweig.

Ranking nach Umsatzerlösen

  • Platz 1: USA
  • Platz 2: China
  • Platz 3: Japan
  • Platz 4: Vereinigtes Königreich
  • Platz 5:  Deutschland

In der deutschen Filmbranche wurden 403,5 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2024 erzielt, was einem Rückgang von 11,3 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2023 entspricht. Laut der Filmförderanstalt wurden etwa 42 Millionen Kinotickets verkauft, 7,3 Prozent weniger als im Vorjahr. Trotz der Umsatzeinbußen sehen Experten keine Anzeichen für ein Kinosterben.

Die deutsche Filmproduktionsindustrie

Branchenprodukte

  • Unterhaltungsfilme und -serien
  • Werbefilme
  • Trick- und Animationsfilme
  • Informationen und Dokumentation
  • Sonstige Filme

Wer die meisten TV-Minuten produziert

  • Banijay (rund 56.300 Minuten)
  • All3Media (rund 55.800 Minuten)
  • UFA (rund 49.100 Minuten)

Das Ende der TV-Ära: Der Wechsel zu digitalen Plattformen als Rettungsanker

Der Bedeutungsverlust der traditionellen deutschen Fernsehsender als Hauptabnehmer von Filmen wird sich in den kommenden Jahren weiter verstärken und die Filmproduzenten zu einer notwendigen Anpassung zwingen. Der rapide Aufstieg von Internet-Videoformaten und Streamingdiensten, die insbesondere während des Lockdowns einen regelrechten Abonnentenboom erlebten, bringt die Branche in Bewegung und erfordert eine radikale Neuausrichtung der Geschäftsmodelle.

Streaminggiganten wie Netflix, Amazon Prime und seit Neuestem auch heimische Anbieter haben den Produktionsfirmen bereits neue Vertriebswege eröffnet. Der Innovationsdruck zwingt die Branche zur Entwicklung kreativer Inhalte, die sich im internationalen Wettbewerb behaupten können. Dadurch ergeben sich für die deutsche Filmindustrie immense Chancen, sich weltweit zu vernetzen, Kooperationen einzugehen und diverse kulturelle Erzählweisen in ihren Produktionen zu integrieren.

2024: Tarifabschluss für Filmproduktionen

Nach einem Jahr Verhandlungen haben sich die Produktionsallianz Film und Fernsehen und die Gewerkschaften ver.di und BFFS im Oktober 2024 in Berlin auf einen neuen Tarifvertrag für Filmschaffende geeinigt. Das Paket bringt einige Verbesserungen mit sich: Kürzere Arbeitszeiten, eine betriebliche Altersvorsorge, höhere Gagen und sogar erste Regelungen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz stehen auf dem Plan.

„Die Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf maximal 12 Stunden, Zuschläge für Überstunden und ein freier Tag je 20 Drehtage – das sind große Fortschritte“, so Matthias von Fintel von ver.di. Dazu kommt eine Altersvorsorge mit vier Prozent vom Arbeitgeber ab nächstem Jahr. „Arbeitszeitverkürzungen, mehr Freizeit, ein Gagenplus, eine Altersversorgung auch bei Streaming und Kinoproduktionen sowie Regelungen für KI-Einsatz setzen für Filmproduktionen historisch neue Maßstäbe und verbessern die Arbeit am Filmset.“

Die Arbeitszeitbegrenzung auf 12 Stunden pro Tag tritt zusammen mit den neuen Überstundenregelungen und einer für lange Arbeitszeiten entschädigenden 4-Tage-Woche ab Mai 2025 in Kraft. Auch die Gagen, inklusive Erhöhungen und höherer Berufseinstiegsgagen für Schauspieler, verbessern sich ab Mai 2025 von bisher 850,- Euro auf 1050 Euro pro Drehtag (allerdings sind Kostüm-, Masken und Leseproben, Regiebesprechungen und andere vorberitenden aufgaben damit abgegolten). Diese Veränderungen gelten bis Ende 2026, während der Manteltarifvertrag bis August 2027 läuft.

Mitteilung des Bundesverbands Schauspiel e.V. (BFFS)

Erhöhung der Einstiegsgage und der Tarifgagen

Für Schauspieler*innen wird die Gagenuntergrenze für die ersten fünf Drehtage künftig auf 1.050 Euro je Drehtag angehoben. Ab dem sechsten Drehtag sinkt diese Gagenuntergrenze dann auf 900 Euro. Mit dieser Vergütung, die sich nur nach Anzahl der zu leistenden Arbeitstage vor der Kamera berechnet, werden alle von der Schauspieler*in zusätzlich zu leistenden Arbeitstage, die vor allem für Vor- und Nachbereitungsarbeiten wie bspw. Kostüm- und Maskenproben, Regiebesprechungen und das Lernen von Texten, Nachsynchron anfallen, abgegolten (...)

Betriebliche Altersvorsorge

(...) Künftig wird durch die Tarifeinigung die betriebliche Altersvorsorge nicht nur bei Produktionen für öffentlich-rechtliche Sender greifen, sondern auch bei solchen für private Sender, Streamingdienste und für Kinoproduktionen. Ziel der Tarifpartner ist es, diesen Tarifvertrag zur betrieblichen Altersvorsorge durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales für allgemeinverbindlich erklären zu lassen (...)

eCasting-Standardregeln

Die nunmehr tariflich vereinbarte Einführung von Standardregeln zum eCasting im Schauspieltarifvertrag soll Schauspieler*innen in Zukunft vor ausufernden eCasting-Anforderungen bewahren.

Nachwuchsfilm-Tarifvertrag

Nachwuchsfilme, also Produktionen, bei denen Regisseur*innen als Debütant*innen zum ersten oder zweiten Mal die Regie übernehmen, werden künftig zu besonderen tariflichen Standards ermöglicht. Damit wird bei derartigen „Debüt-Produktionen“ ein Mindestmaß an fairen Arbeits- und Vergütungsbedingungen sichergestellt. Ein Arbeiten unterhalb aller tariflicher Mindeststandards für solche Filmproduktionen wird damit ein Riegel vorgeschoben. Schauspieler*innen, die in solchen Produktionen, die unter dem Nachwuchstarifvertrag hergestellt werden, engagiert werden, dürfen nicht unter der für diese Produktionen einzuhaltenden Gagenuntergrenze von 850 Euro je Drehtage vergütet werden.

Familienfreundlichere Arbeitszeiten
Künftig wird die tägliche Arbeitszeit uneingeschränkt nicht länger als zwölf Stunden dauern. Eine tägliche Arbeitszeit von über zehn Stunden soll beim Team mit 25 Prozent und eine Wochenarbeitszeit von über 50 Stunden mit 50 Prozent zusätzlich vergütet werden. Je 21 Drehtagen erhalten Teammitglieder einen bezahlten freien Tag. (...)

 

bwk

 

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