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Personal > Vorstand

Neuer VW-Chef schafft sich ein Diversitäts-Problem

Zum 1. September übernimmt Oliver Blume, der bisherige Porsche-Chef, die Aufgabe als VW-Vorstandsvorsitzender. Zum Start will er den Vorstand verkleinern. An sich eine richtige Entscheidung – doch was dabei herauskommen kann, würde sich kein moderner Mittelständler jemals leisten.

Zum 1. September übernimmt Oliver Blume die Aufgabe als VW-VorstandsvorsitzenderBild: picture alliance

Der künftige Volkswagen-Chef Oliver Blume startet in dieser Woche seinen neuen Spitzenjob. In Lissabon versammelt er die wichtigsten Führungskräfte zur “Global Top Management Conference“. Der Konzern und seine Zulieferer erwarten vom neuen Chef so etwas wie eine Regierungserklärung. Blume ist in der Branche weithin respektiert, er gilt als integrer Mann und Erfolgsmanager von Porsche. Er soll Volkswagen nicht nur ins Elektrozeitalter und durch die aktuelle Krise führen. Er hat auch die kulturelle Mission, mehr Bescheidenheit und Integrationskraft im Führungsstil als sein Vorgänger Herbert Diess zu demonstrieren.

Nun hat Blume die Nachrichtenagentur Reuters vorab wissen lassen, dass er eine Verkleinerung des Konzernvorstands herbeiführen wolle. Die unter seinem Vorgänger auf elf Mitglieder gewachsene Unternehmensführung hätte sich als zu groß und schwer zu koordinieren erwiesen. „Auch bei den Doppelfunktionen soll einiges überdacht werden", ließ er verbreiten. Fragezeichen stehen Reuters zufolge vor allem hinter den Ressorts von Einkaufschef Murat Aksel und Vertriebschefin Hildegard Wortmann.

Im Volkswagenkonzern wird das Vorhaben grundsätzlich gutgeheißen, schlagkräftige und schlanke Entscheidungsstrukturen zu schaffen. Zugleich hört man leise Kritik daran, dass eine Vorstandsreduktion um zwei Personen keine grundlegende Reform sein könne. Laute Kritik wird hörbar, dass ausgerechnet die beiden Genannten verabschiedet werden sollen. Denn diese Veränderungen hätten zur Folge, dass just der Vorstand mit Migrationshintergrund und eine von ohnehin nur zwei Frauen im obersten Gremium betroffen wären.

Aus Betriebsratskreisen ist zu hören, dass Personal- und Truck-Vorstand Gunnar Kilian für diese ungeschickte Personalpolitik verantwortlich gemacht werde. Kilian ist nicht nur Chefpersonaler bei Volkswagen, sondern eine machtbewusste Führungsfigur, der Ambitionen nachgesagt werden, eines Tages Blume beerben zu wollen und den Vorstandsvorsitz an sich zu reißen. Kilian gilt auch als ein ehrgeiziger Drahtzieher hinter der Ablösung von Diess. Nun könnte sich Kilian mit der Verkleinerung des Vorstands ausgerechnet bei Aksel und Wortmann aber vergaloppiert haben.

„In einer Zeit, da alle Unternehmen auf mehr Diversität setzen, machen wir bei Volkswagen das Gegenteil“, wundert sich ein Spitzenmanager des Konzerns. Aksel ist erst im vorigen Jahr vom Aufsichtsrat zum Konzernvorstand für den Geschäftsbereich Einkauf berufen worden. Als Group Chief Purchasing Officer (CPO) trägt er seither die Gesamtverantwortung für den Materialeinkauf und die Bereitstellung von Dienstleistungen an allen Konzernstandorten in mehr als 70 Ländern der Welt. Aksel wurde 1972 in der Türkei geboren. Der studierte Wirtschaftsingenieur gilt im Unternehmen als umgängliche Vorzeige-Integrationsfigur, viele türkischstämmige Mitarbeiter sind auf seine Karriere stolz. Zudem ist Aksel international besonders erfahren: Er arbeitete einst für Opel in Rüsselsheim, 2001 übernahm er verantwortliche Funktionen im Supply Chain Management von General Motors und Fiat in Turin, 2008 für General Motors in Shanghai. 2009 berief die BMW Group Murat Aksel zum Bereichsleiter für Einkauf und 2017 mit Sonderverantwortung für den amerikanischen Markt. Ihm macht, was die internationale Perspektive anbelangt, so schnell keiner etwas vor.

Die Personalrochade könnte aber auch mit Blick auf Frauen im Konzern eine fatale Außenwirkung entfalten. Denn künftig wäre - sollte Hildegard Wortmann wirklich zur Seite treten müssen - mit Hauke Stars, Vorständin für IT und Organisation, nur noch eine Frau in der Konzernspitze. Dabei gilt Hildegard Wortmann nicht nur im eigenen Unternehmen als starke Führungskraft. In der gesamten Branche ist sie als die erfolgreichste Automanagerin Deutschlands hochgeschätzt. Wortmann gelang es einst bei BMW, aus einem angeschlagenen Mini-Projekt eine Erfolgsgeschichte zu machen. Bei Audi gilt sie als diejenige, die mit Audi-Chef Markus Duesmann zusammen den Dieselskandal vergessen ließ und die Audi-Erfolgsgeschichte maßgeblich weitergeschrieben hat. In Ingolstadt hat man ihr daher den Vertrag schon vorzeitig gleich bis 2027 verlängert. Wortmann gilt als eine Strategin mit analytischer Stärke und hoher Durchsetzungskraft. „Sie ist hart, aber herzlich. Nahbar, offen, wertschätzend, voller Energie“, hört man in Ingolstadt wie Wolfsburg, wo es ihr gelingt, die Kollegen und Teams hinter sich zu bringen. Sie hat in der sich rapide verändernden Branche einen herausragenden Ruf, weil sie den Typus Managerin verkörpert, der Brückenbauerin und Veränderin zugleich sein kann.

Über die Personalie Wortmann wird daher in Wolfsburg derzeit heftig diskutiert. Denn einerseits soll sie aus dem Vorstand weichen, anderseits wird sie wohl einen Sitz in der erweiterten Konzernleitung bekommen. Und mehr noch - sie dürfte oberste Vertrieblerin im Konzern bleiben und wäre damit mächtigste Frau in der deutschen Automobilindustrie. In dieser Rolle hat Wortmann bereits einen Transformationsplan für den Vertrieb bis 2030 erarbeitet. Sie will erstmals in der Geschichte des Konzerns alle Marken im Vertrieb systematisch vereinen. Kurzum: Sie soll eigentlich alles weiter machen wie bisher - nur eben ohne Vorstandsmandat. Das dürfte schwierig werden.

In Wolfsburg wird die Personalie daher so interpretiert, dass man Wortmann wie einen unbelasteten Trumpf des Aufsichtsrats an der Seite parkt, falls das Team Blume und Kilian keinen Erfolg haben sollte. Das mag personalstrategisch klug sein. In der Außenwirkung aber wird ein Vorstand, der sich just einer Frau, die sich öffentlich für „female Empowerment“ einsetzt, und eines Kollegen mit Migrationshintergrund entledigt, als Verein alter weißer Männer wahrgenommen. Blume könnte gleich zum Start ein erstes Diversity-Problem bekommen.

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