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Notwendiges Ende der Vier-Tage-Woche

Die IG-Metall nimmt die Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich von ihrer gewerkschaftlichen Forderungsliste. Das macht Hoffnung für den Standort Deutschland. Aber nicht, weil wir mehr arbeiten sollten.

(Foto: ki-generiert MuM)

Von Thorsten Giersch

Worte schaffen Wirklichkeiten und erzeigen Symbole, die eine vernünftige Diskussion kaum mehr zulassen. Das gilt auch für den Begriff Vier-Tage-Woche. Das Thema bietet Sprengkraft ohne Ende. Deshalb ist es so wichtig, dass die IG-Metall die Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich von ihrer aktuellen gewerkschaftlichen Forderungsliste genommen hat. Die Metaller sehen die unbequeme Wahrheit: Weniger zu arbeiten und dabei gleich viel zu verdienen macht den Standort noch unattraktiver und führt nur zu Abwanderung.  

Zuletzt haben sich die Fronten verhärtet: Auf der einen Seite – scheinbar – das Gros der Arbeitnehmenden mit den Gewerkschaften an ihrer Seite. Auf der anderen die Arbeitgeber. Letztere unterstützt von Ökonomen und der CDU: Zitat Kanzler Friedrich Merz: „Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können.“ Auf der anderen Seite die SPD, so dass der Riss für Dauer-Zundstoff in der Regierung sorgen könnte, was keinem nützt. 

Deutschland arbeitet weniger – aber nicht fauler

Was die Diskussion erschwert ist, dass die Datenlage unklarer ist als es scheint. Auf den ersten Blick scheint die Sache klar zu sein, denn das Arbeitsvolumen sinkt: Laut IAB wurden 2024 erstmals weniger Stunden gearbeitet als im Vorjahr. 

Ein durchschnittlicher Erwerbstätiger in Deutschland arbeitete 1036 Stunden, ein Pole 1304 Stunden. Bei der OECD sehen die Zahlen ähnlich aus. Doch sie trügen, denn hierzulande steigt die Zahl der Erwerbstätigen und ist überdurchschnittlich hoch: Wenn sich 1000 Stunden auf 100 Erwerbstätige verteilen, die die durchschnittliche natürlich höher, als wenn sie von 150 Erwerbstätigen geleistet werden. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass der Standort unproduktiver wird. Dennoch wäre es gut, wenn Teilzeitkräfte mehr Stunden arbeiten oder sich nebenbei selbstständig machen würden inklusiver entsprechender Rahmenbedingungen, dass solcherlei attraktiv und möglich wird. 

Es geht um die Arbeitsmoral

So oder so: Die Diskussion sollte sich nicht um geleistete Stunden drehen, sondern warum Menschen weniger arbeiten wollen. Es geht um die Arbeitsmoral. Und hier gibt es ein paar Dinge, die Politik und Unternehmen verbessern sollen: Es gibt zu viele schlechte Chefinnen und Chefs, die oftmals großartige Fachkräfte sind, aber in Führungsfragen nicht ausreichend geschult wurden oder aus anderen Gründen ungeeignet sind, die Motivation und Effektivität ihrer Direct Reports hochzuhalten. 

Die Politik überzieht Unternehmen, aber gerade auch Kleinstunternehmen, mit unnötiger Bürokratie, was nicht nur Zeit, sondern auch Nerven kostet. Unproduktiv genutzte Zeit macht uns müde und da ist es erklärbar, dass der Wunsch nach mehr Sinn und im Zweifel auch mehr Freizeit laut wird. Zweiens könnte die Politik mehr Arbeitsanreize liefern und klar machen: Wer mehr arbeitet, wird am Ende auch nennenswert mehr verdienen. Doch stattdessen wird die Differenz zwischen Transferleistungen und Erwerbseinkommen kleiner und undurchsichtiger. Heißt auch: Das Bürgergelds gehört reformiert. Drittens braucht es mehr Betreuungsangebote, damit Eltern länger arbeiten können.  

Das Ende der verminten Diskussion würde auch das Management der Alters-Diversität erleichtern. Auf den großen Business-Events klingt es immer so, als ob nur die jüngere Generation flexiblere und kürzere Wochenarbeitszeiten wünschen. Dabei zeigen seriöse Umfragen, dass es Alter bei diesem Wunsch keine Rolle spielt: Alte wir Junge würden gleichermaßen effektiver, dann aber auch weniger arbeiten.  

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