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Management > Osteuropa

Produktion nach Osteuropa verlagern: Vorteile und Stolpersteine

Unternehmen erwägen oft Produktionsverlagerung nach Osteuropa. Hier sind die Chancen und Herausforderungen, die dabei zu beachten sind.

Verlockendes Osteuropa: Manche Unternehmen planen, Produktion aus Deutschland zu verlagern – zum Beispiel nach Breslau, Polen. (Foto: Shutterstock)

Produzierende Unternehmen in Deutschland haben es schwer: Arbeitskräftemangel, hohe Steuern und Sozialabgaben, eine fehlende Einwanderungspolitik für Fachkräfte, hohe Kosten und ein stetig wachsender Berg an Bürokratie sind nur die Spitze des Eisbergs. Deshalb stellen sich immer mehr Unternehmen die Frage: Lohnt es sich überhaupt noch, Produktionsstandorte in Deutschland aufrechtzuerhalten? In vielen Fällen lautet die Antwort: leider nein.

Eine Lösung ist, Produktion ins Ausland zu verlagern

Doch aus unterschiedlichsten Gründen entfallen viele Länder, die in der Vergangenheit hoch im Kurs standen, so beispielsweise China oder Russland. Manchmal liegt das Gute aber ganz nah. Wir vergessen gerne, welches Asset der EU-Binnenmarkt für uns Europäer und ganz besonders für uns Deutsche ist. Die meisten europäischen Staaten setzen EU-Recht so um, wie es gemeint ist und legen nicht, wie Deutschland, noch eine Schippe obendrauf. Zum Beispiel Osteuropa: Das Bildungs- und Qualifizierungsniveau ist gerade dort hoch. Die Steuer- und Sozialsysteme sind eher als bei uns darauf ausgelegt, Arbeit zu belohnen. All das macht osteuropäische Staaten als Produktionsstandorte interessant.

Doch bei all den Vorteilen sollte man sich nicht blind in ein Outsourcing-Projekt stürzen. Verschiedene Probleme können die Kostensenkungspotenziale schnell auffressen, die man sich vorher ausgerechnet hat. Aus meiner Erfahrung haben sich die folgenden Faktoren als kritisch für den Erfolg eines Outsourcing-Projektes erwiesen:

  • Sprachbarrieren: Suchen Sie sich einen Produktionspartner, der Ihnen einen deutschsprachigen Ansprechpartner benennen kann. Viele administrative und organisatorische Dinge kann man vorab auf Managementlevel in englischer Sprache klären. Wenn es aber dann um die Verlagerung von technischen Baugruppen oder Komponenten geht, technische Dokumentation verstanden werden muss und Rückfragen präzise geklärt werden müssen, dann ist eine gemeinsame Sprachbasis unerlässlich. In Deutschland ist das Englischniveau vieler alteingesessener Produktionsmitarbeiter vergleichsweise niedrig. Auch wenn die Verlagerungsphase vorbei ist und es „nur“ noch ums Alltagsgeschäft geht, ist es für alle Beteiligten einfacher und weniger fehleranfällig, auf Deutsch kommunizieren zu können.
  • Kulturelle Barrieren: Auch diese lassen sich durch eine gemeinsame Sprachbasis lindern. Vor allem sollte man sich aber vorher bewusst sein, dass sich auch geschäftliche Gepflogenheiten von Land zu Land unterscheiden. Auch hier hilft es, mit einem Partner zusammenzuarbeiten, der sowohl die deutsche Mentalität kennt als auch die der Kolleginnen und Kollegen im Ausland und daher vermitteln kann.
  • Unternehmenskultur: Der Partner muss hinsichtlich Unternehmenskultur, -philosophie und Größe passen. Eine Outsourcing-Entscheidung ist eine langfristige, die Konsequenzen für die mittelfristige Zukunft mit sich bringt. Diese sollte man sorgfältig prüfen. Wenn die Unternehmenskulturen nicht zusammenpassen, wird es langfristig immer Reibungsverluste geben. Ob zwischen Einkauf und Vertrieb, Produktion und Logistik – es gibt viele potenzielle Schnittstellen, die gestört sein können. Auch sollte das Produktionsvolumen so hoch sein, dass der Lieferant es gut stemmen kann. Ein zu kleiner Anteil am Gesamtumsatz des Lieferanten kann genauso wie ein zu großer langfristig zu Problemen führen.
  • Kompetenz: Der Partner muss die notwendigen Kompetenzen und Erfahrungen haben und belegen können. Bevor Sie sich für die Zusammenarbeit mit einem Partner entscheiden, fahren Sie hin und schauen Sie sich die Produktionsflächen an! Lassen Sie sich vor Ort genau zeigen, welcher Maschinenpark vorhanden ist, und stellen Sie den Mitarbeitern gezielt Fragen nach technischen Abläufen. Auch ein Blick auf die Arbeitssicherheit kann helfen: Aufgeräumte, freundliche und saubere Produktionsbereiche sind ein gutes Indiz dafür, dass auch die sonstigen Abläufe im Unternehmen sauber, ordentlich und strukturiert sind.
  • Finanzen: Der Partner muss die finanzielle Sicherheit bieten, die garantiert, dass das transferierte Produktionsvolumen auch tatsächlich über die nächsten Jahre sicher gefertigt werden kann. Damit es keine bösen Überraschungen gibt, sollten Sie sicherstellen, dass Ihr Produktionspartner nicht nur technisch, sondern auch finanziell so gut aufgestellt ist, dass einer langfristigen Partnerschaft nichts entgegensteht. Ein vertiefter Blick ins Handelsregister oder anderweitig publizierte Informationen kann nicht schaden.

 

Es gibt aber, auch etwas im eigenen Unternehmen zu tun

Häufig wird die menschliche Komponente vernachlässigt, und das kann fatale Auswirkungen haben. Aus Mitarbeitersicht ist eine gute, offene und faire Kommunikation unerlässlich. Wenn die Verlagerung von Produktion im Raum steht, werden die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen berechtigterweise Sorge um ihre Arbeitsplätze haben. Ein gut vorbereiteter Plan hilft, diese Sorgen aus dem Weg zu räumen. In der Regel kämpfen Unternehmen, die diesen Schritt gehen, schon länger mit den Problemen einer überalterten Belegschaft und damit, keine neuen Kolleginnen und Kollegen zu finden, die die älteren ersetzen könnten, wenn diese in Ruhestand gehen.

Vorruhestandsregelungen, Weiterbildungen und Übernahme in andere Unternehmensteile, aber auch eine Kooperation mit einem benachbarten Unternehmen, das sich vielleicht freut, auf einen Teil qualifizierter Fachkräfte zugreifen zu können, sind Wege, diese Sorgen zu nehmen. Denn nur dann, wenn die betroffenen Mitarbeiter davon ausgehen können, dass auch sie eine gute berufliche und damit finanzielle Zukunft haben, werden sie den Verlagerungsprozess aktiv unterstützen. Es gibt nichts Schlimmeres als eine Belegschaft, die aktiv wichtige Dokumente unterschlägt, Informationen vergisst und somit den gesamten Prozess boykottiert.

Wenn das Outsourcing also zum Erfolg werden soll, achten Sie auf Ihren Produktionspartner, aber mindestens genauso stark auf Ihre eigene Belegschaft. Es wird sich auszahlen!

 

Jeannine Budelmann ist Vice President Strategic Projects bei Hanza. Sie begleitet produzierende Unternehmen auf ihrem Weg nach Osteuropa.

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