Pausen als Produktivitätsbooster: Expertin erklärt Leistungssteigerung
Warum regelmäßige Auszeiten im Arbeitsalltag unverzichtbar sind und wie Sie diese optimal für sich nutzen können.

Warum ist es so wichtig, Pausen zu machen?
Marloes Goeke: Wer Höchstleistungen vollbringen will, muss ein hohes Energielevel haben. Dafür sind Pausen unabdingbar. Ich erlebe täglich, dass viele Menschen dazu neigen, über ihr Leistungsspektrum hinauszugehen und dann immer mehr in ein Energieloch fallen, was auf vielen Ebenen ungünstig ist.
Was ist eine Pause und was ist keine?
Marloes Goeke: Eine Pause meint immer ein Kontrastprogramm, also etwas anderes zu tun, als ich gerade tue. Das heißt: Keine Pause wäre, wenn ich den ganzen Tag am Rechner sitze und dann auf Facebook surfe oder mir online irgendwelche Dinge anschaue. Man muss eine Ablenkung von einer Pause unterscheiden. Sich Ablenkung zu verschaffen, ist selbstverständlich nicht verboten. Wichtig ist jedoch zu wissen, dass Regeneration, Erholung und damit auch Leistungsfähigkeit nicht über Ablenkung hergestellt wird. Deshalb sind Pausen so wichtig. Die Fehlerhäufigkeit sinkt. Ich bin insgesamt konzentrierter, kreativer. Ich bin schneller in Entscheidungsfindungen. Dementsprechend spare ich trotz Pausen am Ende Zeit, weil ich meine Prozesse schneller erledigt bekomme.
Häufige Fehler bei der Pausengestaltung
Wann nutzen Menschen ihre Pausen schlecht?
Marloes Goeke: Wenn ich das Gefühl habe, mich selbst unter Druck zu setzen. Wer als Pause eine Radrunde dreht und die ganze Zeit dabei ein hochgradig schlechtes Gewissen hat, weil noch fünf Sachen zu erledigen sind, wird sich nicht erholen bei seiner Radtour. Ursache dafür sind innere Saboteure, also Glaubenssätze wie „Ohne Fleiß kein Preis". Wenn ich diese Denkmuster in mir verankert habe, fällt es mir sehr schwer, überhaupt eine Pause zu machen. Und wenn ich sie gezwungenermaßen mache, gibt sie mir keine Erholung.
Social Media ist wohl der Pausenfüller Nummer eins.
Marloes Goeke: Es kommt darauf an, wie hochfrequent ich das mache. In dem Moment, wo ich soziale Medien konsumiere, kann ich nicht runterfahren, den Geist beruhigen und mich kurz wieder fokussieren. Wenn ich körperlich gearbeitet habe, kann es aber eine schöne Abwechslung sein. Hier sind wir beim übergeordneten Thema „Digitaler Stress". Es ist wichtig, für sich ein Konzept zu haben. Ich erlebe oft, dass Medien gleichzeitig genutzt werden. Da sitzt jemand vor Netflix oder ähnlichem, hat parallel Instagram auf oder versucht am Rechner etwas zu bearbeiten. Das funktioniert nicht. Wir können unsere Aufmerksamkeit nicht so aufteilen. Unser Gehirn ist dazu nicht in der Lage.
Pausen als Produktivitätsfaktor im Arbeitsalltag
Nun haben Pausen nicht den allerbesten Ruf.
Marloes Goeke: Der Ruf ist tatsächlich schlecht, besonders im Businessleben. Da gilt das Motto: Wenn meine Mitarbeitenden Pause machen, dann sind sie nicht produktiv. Oder wenn ich als Selbstständiger oder Selbstständige Pause mache, schaffe ich nicht so viel. Das ist ein Trugschluss. Pausen sind auch Arbeit. Denn es geht ja darum, unsere Leistungsfähigkeit hochzuhalten und produktiv zu bleiben. Und dafür ist es einfach notwendig, weil sonst unser Energielevel sinkt. Im Gehirn verändert sich unsere Biochemie, die Glukose geht zurück, die Konzentrationsfähigkeit leidet. Dann machen wir mehr Fehler und in der Folge müssen wir diese Fehler wieder ausbügeln. Oder wir vergessen Dinge.
Sehen die meisten Arbeitgeber Pausen gern?
Marloes Goeke: Interessanterweise erlebe ich es selten, dass Pausen unerwünscht sind. Es gibt eher Mitarbeitende, die durcharbeiten wollen und gar nicht zur Ruhe kommen, weil sie das Gefühl haben, sie müssen Abgabefristen einhalten und Dinge fertig bekommen. Es sind häufig sogar die Vorgesetzten, die sagen: Denk auch an deine Pause. Sie sind an dieser Stelle Vorbilder. Wenn sie ihre Pausen regelmäßig nehmen, schaut sich das Team das ab.
Was ist eine richtige Pause?
Marloes Goeke: Es beginnt bei einer Bildschirmpause für die Augen, die aus dem Arbeitsschutz heraus empfohlen wird. Wenn wir die ganze Zeit vor dem Rechner sitzen, ist eine richtige Pause, aufzustehen, sich einen Moment lang zu bewegen, den Blick schweifen zu lassen. Kurz zum Horizont zu schauen, bringt eine enorme Erholung.
Obwohl es nur um Sekunden geht?
Marloes Goeke: Die Forschung hat herausgefunden: Wenn wir fünfmal über den Tag verteilt eine Pause von ungefähr zehn Sekunden machen, gehen wir nennenswert erholter in den Feierabend. Kurz runterfahren, den Geist beruhigen, einmal wieder bei uns ankommen und einen Moment innehalten. Gern auch den Atem einsetzen: Wer ein bisschen tiefer atmet, reguliert automatisch das Nervensystem und aktiviert so den Parasympathikus, was direkt zur Regeneration beiträgt. Man muss nur seine Gedanken im Griff haben.
Das heißt?
Marloes Goeke: Wir neigen dazu, uns Sorgen zu machen oder nachzudenken, was man noch alles erledigen muss. Oder wir ärgern uns über Dinge, die in der Vergangenheit liegen. Es hilft, stärker im Hier und Jetzt achtsam zu sein. Deswegen bedeutet eine Pause auch nicht zwangsläufig, dass ich Zeit verliere, denn das kann ich auch tun, wenn ich beispielsweise auf dem Weg zum Postkasten bin oder in die Teeküche oder irgendwelche Unterlagen hole. Wenn ich diese Momente nutze und kurz aufhöre zu denken, bin ich schon in der Phase, in der ich regeneriere.
Ist es Erholung, sich in der Mittagspause mit ein paar Kolleginnen und Kollegen zum Essen zu verabreden und intensiv zu diskutieren?
Marloes Goeke: Das kommt darauf an, was ich persönlich brauche. Es gibt Menschen, die sich erholen, wenn sie ganz viel Interaktion haben, wenn sie ganz viele Impulse bekommen. Und es gibt wieder andere, die brauchen auch mal Ruhe. Das muss sich jeder und jede selbst klären. Ideal ist immer ein Kontrastprogramm: Wer im Job viel spricht und in Meetings sitzt, möchte in der Mittagspause vielleicht eher für sich sein und schweigend essen.
Was gibt es am Wochenende zu bedenken?
Marloes Goeke: Da muss man unterscheiden, um wen es geht. Ich arbeite viel mit Selbstständigen zusammen. Für die gibt es diese klassische Abgrenzung von Arbeitszeit und Freizeit häufig nicht. Dennoch empfiehlt es sich auch hier, einen Tag pro Woche den Job zu pausieren und bewusst den Kopf freizumachen. Belastung kann jedoch gleichermaßen im Job wie in der Freizeit auftreten. Sobald ich das Gefühl habe, etwas machen zu müssen, kann es eine Belastung sein.
Freizeitstress?
Marloes Goeke: Genau. Entscheidend ist, ob Druck dahintersteckt oder nicht. Wir müssen Energie auftanken und uns Kraft zurückholen. Und das ist für jeden und jede unterschiedlich. Der eine braucht die Natur und die Ruhe, der andere braucht Action und freut sich, wenn er irgendwas körperlich tun kann – im Auto herumschrauben oder sportlich aktiv sein zum Beispiel. Wir müssen uns Fragen stellen wie: Wie viel Ruhe brauche ich wirklich? Was gibt mir Kraft?
Kann man einen Job so gestalten, dass man das Wochenende gar nicht als Erholung braucht?
Marloes Goeke: Das ist eine schwere, aber interessante Frage. Vielen macht der Job mehr Spaß als viele Pflichten im Haushalt wie Kochen oder Putzen. Deswegen bin ich auch kein Fan des Begriffes Work-Life-Balance. Denn manchmal gibt mir auch die Arbeit Energie und die Freizeit ist anstrengender. Das liegt an der Lebenssituation. Wenn ich Sorgen habe oder einen kranken Angehörigen pflege, dann ist das wahrscheinlich sehr belastend.
Und die längste aller Pausen: Urlaub. Sollte jeder und jede drei Wochen in Sommerurlaub gehen?
Marloes Goeke: Ich glaube, dass diese Regel nicht gilt. Allerdings ist es wichtig zu prüfen: Was habe ich vorher, was brauche ich? Natürlich ist das schön, drei Wochen Urlaub zu machen und dann richtig runterzufahren. Ich kenne viele Menschen, die sagen: Nach einer Woche fahre ich so langsam runter, in der zweiten komme ich in der Erholung an und dann geht es mir nach drei Wochen wieder gut. Es gibt aber auch andere, die sagen: Ich hatte jetzt drei Wochen Urlaub und ich fühle mich genauso gerädert wie vorher. Dann ist auch die Frage, was ich in dieser Zeit gemacht habe. In einem solchen Fall wird der Kopf nicht frei gewesen sein, dann würden auch sechs Wochen Urlaub nicht reichen.
Das Gespräch führte Thorsten Giersch.
Infobox: Effektives Pausenmanagement im Unternehmen
Pausenmanagement ist ein wichtiger Faktor für die Produktivität und das Wohlbefinden von Mitarbeitern. Richtig implementiert, kann es die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens signifikant steigern.
- Gesetzliche Grundlagen: In Deutschland schreibt das Arbeitszeitgesetz bei mehr als 6 Stunden Arbeitszeit mindestens 30 Minuten Pause vor. Bei über 9 Stunden sind es 45 Minuten. Diese können in kürzere Pausen aufgeteilt werden.
- Produktivitätssteigerung: Studien zeigen, dass regelmäßige Kurzpausen die Produktivität um bis zu 20% steigern können. Besonders effektiv sind 5-10 minütige Pausen alle 90-120 Minuten.
- Gesundheitsförderung: Regelmäßige Pausen reduzieren Stress und das Risiko von Burnout. Sie fördern die körperliche und geistige Gesundheit der Mitarbeiter, was langfristig Krankheitstage reduziert.
- Implementierung im Unternehmen: Erfolgreiche Unternehmen schaffen Pausenräume und -zonen, die zur Erholung einladen. Sie fördern eine Pausenkultur durch Vorbildfunktion der Führungskräfte und integrieren Pausenzeiten in den Arbeitsalltag.

Marloes Göke
Weniger Hamsterrad, mehr unternehmen: Betriebswirtin und Psychologin Marloes Göke berät vor allem Selbständige. Neben einem Blog schreibt sie auch Bücher.