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Die besten Köpfe sind schon da

„Gut 20 Prozent unserer Mitarbeiter werden in den kommenden Jahren nicht mehr den gleichen Arbeitsplatz haben.“

Oliver Sehorsch, Personalchef beim Elektrowerkzeughersteller Metabo im schwäbischen Nürtingen, macht deutlich, wie sich selbst bei einem traditionellen Mittelständler die Aufgaben einschneidend ändern können. Bei dem vor genau 100 Jahren gegründeten Unternehmen spielt die Zusammenarbeit mit der japanischen Konzernmutter Koki eine immer größere Bedeutung. Entwickelt wird global. Auch Erfahrungen in der Fertigung tauscht man sich über acht Zeitzonen hinweg aus. Zudem koordiniert Metabo in Europa die Vermarktung der Produkte aus Fernost. Das alles beschert vielen Mitarbeitern neue Zuständigkeiten und erfordert neue Kompetenzen. „Dazu bieten wir unter anderem Kurse für Englisch, Interkulturelle Kompetenzen oder Zeitmanagement an“, erklärt Bernhard Schanz, der bei Metabo für die Aus- und Weiterbildung der rund 1700 Beschäftigten zuständig ist.

Die umfassende Weiterbildung ist Teil einer intensiven Personalpolitik beim Nürtinger Elektrowerkzeughersteller. „Marken werden von Menschen gemacht und die bestimmen unser Tun“, lautet ein Credo bei der „Metallbohrerfabrik“ Damit baut sich Metabo aus den eigenen Reihen die nächste Generation von Fach- und Führungskräften auf. Um dieses Potenzial schöpfen zu können, werden beispielsweise regelmäßige Mitarbeitergespräche geführt. Die koordiniert Bernadette Pfitzmaier, die selbst von dem internen Entwicklungsprogramm profitiert hat. Sie hat in Nürtingen als Sachbearbeiterin angefangen und leitet nun ein gesamtes Team. Wie viel Metabo – zuletzt wurde ein Umsatz von 506 Millionen Euro erzielt – in die Weiterbildung investiert, verrät das Unternehmen nicht. Betaten werden die Nürtinger von der „Agentur Q“ - einer Institution, die Südwestmetall und IG Metall ins Leben gerufen haben, um Transformationsprozesse zu begleiten.

„Wichtig ist natürlich, dass sich die Menschen auch etwas zutrauen“, betont Sehorsch. Das hat auch bei Tobias Weißhaar geklappt, der 2010 als Industriemechaniker bei Metabo angefangen hat. „Man muss Interesse zeigen und sich auch anbieten“, bestätigt er. Heute ist der 30-Jährige für Personaleinsatz und Ablauf einer ganzen Fertigungslinie verantwortlich. „Gerade bei Zeitarbeitern ist es wichtig einschätzen zu können, wo man sie am besten einsetzt und wo nicht“, erklärt er selbstbewusst. Zu Weißhaars Aufgaben gehört aber auch die Optimierung von Prozessen in seinem Produktionsbereich. Ebenfalls als Industriemechaniker hat David Gross begonnen. Er koordiniert mit der Entwicklung, welche Erwartungen die Kunden an die künftigen Bohrer oder Winkelschleifer setzen. Die Ergebnisse durchlaufen dann seine Testwerkstatt. Gross ist damit zu tragendenden Säule bei Metabo herangereift. Wir integrieren in unseren regelmäßigen internen Fachaustausch auch die Auszubildenden“, erklärt Schanz. Die jungen Leute bekommen nach einem Gespräch mit IT-Spezialisten dürfen sie beispielsweise die Gelegenheit nach Möglichkeiten suchen, wie Künstliche Intelligenz im Betrieb eingesetzt werden kann.

Das ist ganz im Sinne von „The Chänce“ einer Kampagne der Landesregierung in Stuttgart, für die auch Schanz als Werbeträge auf Plakaten zu sehen ist. Mit einer zweiten Kampagnenwelle will der Südwesten die Bemühungen von Unternehmen und Verbänden flankieren, die sich um die berufliche Weiterbildung stark machen. Angesprochen werden diesmal vor allem Menschen die bisher Aufstiegschancen nicht genutzt haben. Konkret seien damit Erwerbstätige von kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie Erwerbstätige ab 45 Jahren gemeint.  „Unsere Unternehmen können nur erfolgreich sein, wenn sie die nötigen Fachleute haben. Wir müssen alles tun, damit sie diese auch bekommen“, betont Wirtschafts- und Arbeitsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU).
Tatsächlich ist der Mangel an Fachkräften zu einem bedeutenden wirtschaftlichen Faktor geworden. Im vergangenen Jahr konnten 570.000 Stellen nicht besetzt werden, heißt es in einer Studie das Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), in der das Produktionspotenzial berechnet wurde. Für die Unternehmen im Land bedeute das: Eigentlich könnten sie mehr produzieren, doch dafür fehlen Mitarbeiter. Laut IW gehen der deutschen Wirtschaft dadurch Produktionskapazitäten im Wert von 49 Milliarden Euro verloren. Folgekosten des Fachkräftemangels, wie beispielsweise Stress durch Mehrarbeit oder entgangene Innovationen, sind in dieser Summe noch gar nicht enthalten. Für 2027 wird ein Ausfall von 74 Milliarden Euro befürchtet. Auch beim IW ist man überzeugt, dass viele Fachkräfte schon da sind. Sie gelte es aber auch zu halten, damit keine neuen Lücken aufreißen. „Besonders effektiv wäre es außerdem, wenn ältere Beschäftigte länger arbeiten würden“, sagt Studienautor und Ökonom für Fachkräftesicherung, Alexander Burstedde. „Unternehmen könnten ihre erfahrenen Mitarbeiter mit passenden Angeboten länger im Betrieb halten.“

Vor allem kleine und mittelständische Betriebe haben allerdings oft nicht die notwendigen Kapazitäten, um wie bei Metabo in Nürtingen vielfältige Fortbildungsprogramme aus eigener Kraft zu stemmen. Das müssen sie aber auch nicht alleine in Angriff nehmen. In Baden-Württemberg haben sich beispielsweise gut 40 Fortbildungsverbünde formiert, die vom Land gefördert werden. Hier schießen sich kleine und mittelständische Unternehmen zusammen und erstellen ein gemeinsames Programm – beispielsweise für angehende Führungskräfte. Die Teilnehmer bekommen über Praktika einen Einblick in andere Unternehmen und erfahren so, wie dort Prozesse in der Produktion, Logistik oder Vertrieb angegangen werden. Der künftige Führungsnachwuchs tauscht sich auch mit den jeweiligen Geschäftsführungen aus und lernt so aus erster Hand, wie die Chefetage der verschiedenen Unternehmen die Strategie definiert und umsetzt. Beraten werden die interessierten Betriebe von Arbeitgeberverbänden Südwestmetall und Südwesttextil, der Regionalagentur für Arbeit und dem Wirtschaftsministerium in Stuttgart. Projektträger ist das Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft.

Fortbildung ist auch in mittelständischen Handwerksbetrieben ein Dauerbrenner. Die teils rasant voranschreitende technische Entwicklung stellt zunehmend auch die „Alten Hasen“ vor völlig neue Fragen und Probleme. Das gilt beispielsweise auch für die Elektriker einer Autobahnmeisterei in der Pfalz. Solche gestandenen Profis werden von Marie Therese Leisner und ihren Kollegen beraten und fortgebildet. Im Fall der Autobahnspezialisten geht es um Versorgungsleitungen entlang der Strecke und Besonderheiten bei der Ausstattung von Tunnels. Zusammen mit den Experten geht es darum, Probleme aus der Praxis intensiv zu besprechen und Hintergründe zu beleuchten. Ohne Prüfungsstress – das sorgt für eine sichtlich entspannt-konzentrierte Atmosphäre unter den Autobahn-Spezialisten.  

Rund 25 Millionen Euro haben Bund und Land in den vergangenen zwei Jahrzehnten in den Aufbaut des Elektrotechnischen Zentrums in Stuttgart-Bad Cannstatt investiert. Auf dem Gelände der ehemaligen Gießerei Streicher – in Stuttgart sind deren Gullideckel immer noch präsent – sind Schulungsräume für Azubis und Profis entstanden. Mehr 12.000 Frauen und Männer bekommen hier wesentliche elektrotechnische Grundlagen vermittelt oder bilden sich in fachspezifisch weiter. Der Andrang belegt, wie groß der Bedarf nach Fortbildung im Alltag ist. Die Nachfrage nach Kursen die Marie Therese Leisner hält, reicht bis in den Kölner Raum. Sie ist übrigens eine von nur drei weiblichen Dozentinnen in ganz Deutschland. „Wenn die jungen Damen für unseren Beruf einsteigen, dann sind sie meist besonders erfolgreich“, stellt Thomas Bürkle fest. Der Vizepräsident des Zentralverbandes des deutschen Elektrohandwerks hofft deshalb, dass sich noch mehr weiblicher Nachwuchs für diese Fachrichtung begeistern lässt.

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