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Management > Fachkräftemangel Gesundheitswesen

Krise im Gesundheitssystem: Wie Deutschland den Fachkräftemangel bekämpfen will

Der Fachkräftemangel im deutschen Gesundheitssystem spitzt sich zu. Wie Digitalisierung und Zuwanderung die Krise lösen sollen.

Ärzte-Team am OP
Schon bald nicht mehr genügend Ärzte in Deutschland? Das deutsche Pflegesystem ächzt unter dem Fachkräfte-Mangel. (Quelle: Shutterstock)

In deutschen Krankenhäusern und Laboren herrscht Alarmstufe Rot: Trotz steigender Zahlen an Vollzeitkräften klaffen immer mehr Lücken im Personalplan. Dieses Paradox wirft einen langen Schatten auf die Zukunft unseres Gesundheitssystems. Experten warnen: Bis 2035 könnten 1,8 Millionen Stellen unbesetzt bleiben. Was steckt hinter dieser Besorgnis erregenden Entwicklung und welche Lösungen zeichnen sich ab?

Gesundheitsversorgung bundesweit gefährdet

Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen nimmt dramatische Ausmaße an. Während der Versorgungsengpass heute bereits bei etwa sieben Prozent liegt, prognostizieren Experten für das Jahr 2035 einen Anstieg auf 35 Prozent.

Laut einer Studie der Unternehmensberatung PwC steuert Deutschland auf einen derart großen Fachkräftemangel im Gesundheitswesen zu, dass unsere Gesundheitsversorgung bundesweit gefährdet ist. Hier einige der alarmierenden Ergebnisse aus dieser Studie:

  • Lediglich 30 % aller befragten Ärzte und Pflegekräfte stellen sich vor, ihren Beruf bis zum Renteneintritt auszuüben

  • Bis zum Jahr 2035 werden etwa 1,8 Millionen offene Stellen im Gesundheitswesen nicht besetzt werden

  • Zirka 70 % der befragten Ärzte und Pflegekräfte klagen über die körperliche Belastung ihres Berufs

  • 50 % der Gesundheitsfachkräfte fehlen die gesellschaftliche Anerkennung ihres Berufs

Die Situation in den Laboren ist nicht minder kritisch. Dr. Oliver Zschenker, Schulleiter der School of Life Science Hamburg, berichtet: “Wir verzeichnen seit fünf Jahren rückläufige Bewerberzahlen.” (Quelle: Roche.de).

Bereits 2018 meldeten 24 Prozent der Krankenhäuser Probleme bei der Besetzung von Stellen für medizinisch-technische Laboratoriumsassistenten (MTLA).

Ursachen und Auswirkungen für Patienten

Die Gründe für den Fachkräftemangel sind vielschichtig. Einerseits führt der demographische Wandel zu einer Verknappung des Arbeitskräfteangebots. Andererseits klagen 70 Prozent der Ärzte und Pflegekräfte über die körperliche Belastung ihres Berufs, fast 60 Prozent über die psychische. Diese harten Arbeitsbedingungen schrecken potenzielle Nachwuchskräfte ab.

Hier sind einige der wichtigsten Auswirkungen:

  • Überlastung und Burnout des medizinischen Personals.
  • Längere Wartezeiten für Behandlungen und Arzttermine.
  • Eingeschränkte Versorgung: In einigen Fällen, insbesondere in ländlichen Gebieten, können bestimmte medizinische Dienstleistungen oder Fachärzte schlichtweg nicht mehr verfügbar sein. Dies kann besonders problematisch für Patienten mit chronischen Erkrankungen oder akuten Gesundheitsproblemen sein, die eine schnelle Versorgung benötigen.
  • Qualitätsverlust: Der Druck, große Patientenzahlen zu bewältigen, kann die Qualität der medizinischen Versorgung verringern. Es bleibt weniger Zeit für individuelle Betreuung und gründliche Diagnosen, was das Risiko von Fehlern erhöht.
  • Kostensteigerungen: Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen müssen möglicherweise mehr Geld ausgeben, um freie Stellen zu besetzen, sei es durch höhere Gehälter, Zeitarbeit oder internationale Rekrutierung. Diese Kosten werden letztlich auf die Patienten umgelegt.
  • Ethische und moralische Dilemmata: Gesundheitsfachkräfte stehen zunehmend vor schwierigen Entscheidungen, welche Patienten priorisiert behandelt werden sollen, insbesondere in Notfallsituationen.

Strategien zur Bekämpfung des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, setzen Experten auf verschiedene Strategien. Ein Schlüsselansatz ist die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen. Gesundheitsökonom Boris Augurzky betont die Bedeutung moderner Technologien zur Entlastung des Personals. Telemedizin und digitale Lösungen könnten insbesondere im ländlichen Raum Abhilfe schaffen.

Ein weiterer wichtiger Hebel ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Höhere Gehälter, flexiblere Arbeitszeiten und bessere Personalschlüssel stehen auf der Agenda. Auch die Ausbildung von "Botschaftern" für Gesundheitsberufe wird als Maßnahme diskutiert, um mehr junge Menschen für diese Karrierewege zu begeistern.

Zuwanderung bildet einen weiteren Lösungsansatz. Augurzky warnt jedoch davor, sich auf europäische Arbeitskräfte zu konzentrieren, da alle EU-Länder mit ähnlichen demographischen Herausforderungen konfrontiert sind. Stattdessen empfiehlt er, den Blick auf Länder wie Indien oder Nigeria zu richten, die einen Überschuss an jungen Menschen haben.

Zukunftsaussichten: Die Herausforderung der demographischen Entwicklung

Mit dem Renteneintritt der Babyboomer-Generation verschärft sich die Situation weiter. Laut Augurzky werden für jede 1,8 Personen, die aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, nur 1,0 Personen nachrücken. Gleichzeitig zeichnet sich ein Trend zu mehr Teilzeitarbeit ab, was die verfügbare Arbeitskraft zusätzlich reduziert.

Diese Entwicklung könnte dazu führen, dass nicht mehr alle Leistungen im Gesundheitssystem in gewohnter Weise bereitgestellt werden können. Um den Herausforderungen zu begegnen, sind umfassende Reformen notwendig. Die geplante Krankenhausreform und Notfallreform sowie das Pflegekompetenzstärkungsgesetz sind erste Schritte in diese Richtung. Auch die Flexibilisierung der ärztlichen Weiterbildung, die künftig sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich möglich sein soll, zielt darauf ab, den Beruf attraktiver zu gestalten.

Ausblick zum Pflegemangel in Deutschland

Achtung bei ...

  • Anwerbung von Fachkräften aus Entwicklungsländern: sie  könnte zu einem "Brain Drain" in diesen Ländern führen und deren eigene Gesundheitssysteme schwächen.
  • Digitalisierung : hier muss sorgfältig abgewogen werden, wie der Spagat zwischen effizienter Technologienutzung und persönlicher Patientenbetreuung gelingen kann.

Letztendlich wird es darauf ankommen, einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen, der sowohl kurzfristige Lösungen als auch langfristige Strukturreformen umfasst. Nur so kann sichergestellt werden, dass das deutsche Gesundheitssystem auch in Zukunft eine qualitativ hochwertige Versorgung gewährleisten kann.

Die Uhr tickt, und die Zeit zum Handeln ist jetzt. Denn eines ist klar: Ein Gesundheitssystem ohne ausreichend Fachkräfte ist wie ein Körper ohne Immunsystem - anfällig für Krisen und auf Dauer nicht überlebensfähig.

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