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Personal > Fachräftemangel

Personalmangel bremst den Mittelstand aus

Fachkräftemangel frisst den Mittelstand. Bürokratie als dramatische Spaßbremse – wann lassen wir die Wirtschaft endlich von der Leine?

(Foto: shutterstock)

Überbordende Bürokratie und Regulierung, fehlende Fachkräfte sowie fehlende Rahmenbedingungen für Innovationen sind die größten Sorgen, die den Mittelstand in Baden-Württemberg umtreiben. Das geht aus einem Gutachten hervor, das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) und das Institut für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim (ifm) im Auftrag des Wirtschaftsministeriums in Stuttgart erstellt haben.

Für den „Masterplan Mittelstand Baden-Württemberg“ wurden mehr als 1400 Unternehmen, die Kammern sowie Experten befragt.

Bei neun von zehn der befragten Betriebe steht das Thema Fachkräfte ganz oben auf der Problemliste. Der Mangel an qualifiziertem Personal belastet somit den Mittelstand mehr als die Konzerne im Land.

Die Betriebe suchen weniger Akademiker, sondern Personal mit einer Berufsausbildung. Die fehlenden Fachkräfte bremsen die Unternehmen auch Investitionen und bei der Entwicklung künftiger Innovationen aus, was bisher der entscheidende Wettbewerbsvorteil der meisten Betriebe war. Auch die Transformation hin zu mehr Digitalisierung werde durch die Personalproblematik belastet, so die Gutachter. Dabei bieten die Betriebe den idealen Boden, um Erkenntnisse aus der Wissenschaft schnell in die Praxis umsetzen zu können.

Die Bedeutung des Mittelstandes: Anteil an der Gesamtwirtschaft in Baden-Württemberg

Zu viele Schwachstellen

Die Experten stellen zwar fest, dass die Zuwanderung erleichtert wurde, doch der Mittelstand scheitert in der Praxis an den weiter bestehenden bürokratischen Hürden. Viele Betriebe würde deshalb beispielsweise Ältere länger beschäftigen. Sie würden auch Frauen mehr einbinden, doch dies scheitere oft an einer passenden Kinderbetreuung. Zudem scheiterten längere Arbeitszeiten für die vielen geringfügig Beschäftigten an den aktuellen Regelungen.

Die Gutachter sprechen sich deshalb für den Ausbau der Kinderbetreuung, Änderungen im Steuersystem zur Stärkung von Arbeitsanreizen und geringere bürokratische Hürden bei der Fachkräftezuwanderung aus.

„Alle Akteure aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sollten zusammenwirken, um die berufliche Ausbildung attraktiver zu machen, Teilqualifizierungen zu ermöglichen, den Zugang zu Weiterbildung zu verbessern und zugewanderte Arbeitskräfte in ihrer beruflichen Entwicklung zu unterstützen“, heißt es in dem Gutachten.

Der Fachkräftemangel bremst nach Ansicht der Autoren auch die Bereitschaft, ein Unternehmen zu gründen aus: „Stehen attraktive Jobangebote am Arbeitsmarkt zur Verfügung, wählen weniger Personen den (risikobehafteten) Schritt in die Selbstständigkeit.“ Die Folge: Die Gründungsintensität ist in Baden-Württemberg niedriger als in anderen Bundesländern. Bei der Unternehmensnachfolge steht eine wachsende Anzahl von Betrieben immer weniger potenziellen Kandidaten gegenüber, die eine Firma fortführen wollen.  

Für die meisten mittelständischen Unternehmen zählen zudem bürokratische Belastungen und eine hohe Regulierungsdichte zu den wichtigsten standortbezogenen Themen. Nach Erkenntnis der Autoren hemmt die Flut der Regelungen neue Entwicklungen und behindert insbesondere innovative Unternehmen.

Die Betriebe im Land sehen sich im bundesdeutschen Vergleich sogar besonders stark ausgebremst, heißt es in dem Gutachten. Die Unternehmen seien bei ihren Innovationen auf einem höheren Niveau aktiv und stoßen deshalb „häufiger und schneller auf Hürden.“ Dabei müssten die Firmen agil handeln, um dem zunehmenden Wettbewerb auch aus den Schwellenländern begegnen zu können.

Beschäftigtenanteile mittlständischer Betriebe in ausgewählten Branchen

Bewertungen

„Mit dem Masterplan haben wir nun eine gute, wissenschaftlich fundierte Grundlage an der Hand“, erklärt Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Ihr Ressort soll nun als nächsten Schritt eine „Task Force“ einrichten, der alle fachlich betroffenen Ressorts angehören. Gemeinsam wolle man prüfen, welche Maßnahmen mit welchem zeitlichen Horizont umgesetzt werden können. Eine Auftaktsitzung der Task Force sei noch für dieses Jahr geplant.

„Das Gutachten kommt zur rechten Zeit, denn das darf so nicht weitergehen, wir müssen dringend und zwar gemeinsam handeln“, erklärt Christian O. Erbe, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK). Dem pflichtet auch Handwerkspräsident Rainer Reichhold bei: „Die Forscher bringen auf den Punkt, was uns Unternehmern und Wirtschaftsvertretern seit Langem klar ist: Die Zeiten des selbstverständlichen Wohlstands in Baden-Württemberg, der weitestgehend auf einem prosperierenden Mittelstand beruht, sind vorbei.“ Das Gutachten liefere viele richtige Vorschläge wie das Moratorium für zusätzliche Regulatorik und mehr Aktivitäten zur Sicherung der Unternehmensnachfolge. „Auch Anreize zu mehr und längerem Arbeiten wären wichtige Maßnahmen gegen den Arbeitskräftemangel“; fordert Reichhold. 

Auch der Verband der Unternehmer Baden-Württemberg (UBW) fordert, dass gegen die in dem Gutachten genannte Regelflut etwas unternommen wird. „Wir haben die klare Erwartung, dass sich die Landesregierung jetzt zu einem wirklich substanziellen Bürokratieabbau durchringt“, betont UBW-Hauptgeschäftsführer Stefan Küpper. Konkrete Vorschläge lägen ausreichend vor. „Nun braucht es ein klares politisches Handeln der Landesregierung, damit das angekündigte dritte Entlastungspaket in der Entlastungsallianz vereinbart werden kann.“

 

Zum Gutachten

Säule Mittelstand

  • Im Südwesten zählen mehr als 99 Prozent aller Unternehmen zu den kleinen bis mittelgroßen Betriebe, da sie weniger als 500 Mitarbeiter beschäftigen.
  • Mehr als 90 Prozent sind Familienunternehmen.
  • Der Mittelstand erwirtschaftet 40 Prozent aller Umsätze im Land.
  • Mit knapp 3,1 Millionen Mitarbeitern sich zwei von drei sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Mittelstand tätig.
  • Die Betriebe gelten als feste Säule der Wirtschaft und als prägender Bestandteil der lokalen Gesellschaft. Sie weisen durch ihre längerfristige Orientierung oft eine stabilere Entwicklung auf. Gleichzeitig sind die Unternehmen aufgrund der geringeren finanziellen und personellen Ressourcen anfälliger bei Krisen

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