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Personal > Mister Wärmepumpe hat abgeschrieben

„Pionier des Netzplagiarismus“: Patrick Graichens wissenschaftliche Leistung gerät ins Wanken

Nach seiner Doktorarbeit geraten Patrick Graichens Arbeiten aus Cambridge unter Plagiatsverdacht. Was ist seine wissenschaftliche Leistung wert?

Patrick Graichen
Nach seiner Doktorarbeit geraten Patrick Graichens (l.) Arbeiten aus Cambridge unter Plagiatsverdacht. Bild: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Neue Plagiats-Vorwürfe gegen Ex-Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen: Nach seiner Doktorarbeit an der Uni Heidelberg geraten nun auch seine Arbeiten an der Cambridge University unter Verdacht. Die Frage ist: Was sind die wissenschaftlichen Arbeiten des Vordenkers der Energiewende noch wert?

Der österreichische Plagiatgutachter Stefan Weber hat neue Indizien dafür gefunden, dass der inzwischen in den einstweiligen Ruhestand versetzte Staatssekretär Patrick Graichen in seinen wissenschaftlichen Arbeiten systematisch abgeschrieben hat. Weber stellt fest, dass Graichen bereits in seinen schriftlichen Arbeiten an der University of Cambridge, in UK im Jahr 1996 „schwerwiegend plagiiert“ hat. Graichen erhielt in Cambridge seinen M. Phil.-Abschluss, der wiederum die Zugangsvoraussetzung für das Doktoratsstudium an der Universität Heidelberg war. In der Doktorarbeit des ehemaligen Staatssekretärs haben der luxemburgische Plagiatsexperte Jochen Zenthöfer und Weber bereits an die 50 Plagiatsstellen gefunden. Die gesammelten Funde wurden inzwischen aufgrund einer Bitte von dort der Universität Heidelberg zur Verfügung gestellt. Nach den neuen Funden werde sich wohl auch das UK Research Integrity Office mit dem Fall Graichen beschäftigen müssen, schreibt Weber in seinem jüngsten Blogbeitrag. Die britische Einrichtung setzt sich wie Webers Team für hohe ethische Standards in wissenschaftlichen Arbeiten ein.

Weber hat zwei Arbeiten Graichens aus der Zeit in Cambridge untersucht. In der einen geht es um die Auswirkungen Von „Saurem Regen“ auf die Wirtschaft. Weber weist nach, dass bereits der erste Satz abgeschrieben ist. Er stammt wie auch weitere Passagen von George Halkos, einem griechischen Wissenschaftler für Umweltökonomie von der Universität Thessaloniki. Auf den wahren Urheber der Zeilen finde sich aber in Graichens Arbeit keine Spur. Auch bei der zweiten Arbeit Graichens aus der Zeit, die Weber untersucht hat, wird der Plagiatsgutachter gleich in der Einleitung fündig. Dort hat Graichen Sätze fast wörtlich abgeschrieben, die im Original von dem renommierten US-Umweltwissenschaftler Robert Repetto stammen. Repetto taucht zwar im Literaturverzeichnis der Arbeit Graichens auf, bei den abgeschriebenen Stellen aber erwähnt er ihn nicht.

Graichen hat beide Arbeiten, selbst ins Netz gestellt. „Er dürfte sich seiner Sache verdammt sicher gewesen sein“ schließt Weber daraus und weist darauf hin, dass es in den neunziger Jahren noch keine ausgeklügelte Plagiatssoftware gegeben hatte. Seine Schlussfolgerung: „Ich ordne ihn daher als einen Pionier des Netzplagiarismus ein.“

Graichens Verwicklung in Plagiatsvorürfe sind deswegen besonders brisant, weil er als einer der wissenschaftlichen Köpfe der Energiewende gilt. Unter seiner Ägide als Staatssekretär und zuvor als Leiter der sogenannten Denkfabrik Agora Energiewende hat er Arbeiten in Auftrag gegeben, die aus wissenschaftlicher Sicht die Notwenigkeit einer Energiewende stützten. Wenn nun sein Ruf als Umweltökonom ins Wanken gerät, dürften auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die unter seiner Ägide produziert worden sind, einer Überprüfung unterzogen werden müssen.

Graichen selber ist bislang für eine Stellungnahme auf die neuen Vorwürfe nicht zu erreichen. Er hatte allerdings den Vorwurf, bei der Doktorarbeit abgeschrieben zu haben, gegenüber der Bildzeitung zurückgewiesen. Die beanstandeten Stellen würden alle aus dem „ersten Teil der Arbeit, der eine historische Hinleitung zum eigentlichen wissenschaftlichen Kern-Thema der Arbeit darstellt“, stammen, meinte er. Diesen Einwand bezeichnet Weber als „irreführende Relativierung des Plagiatsproblems. Denn in 99 von 100 Fällen betreffen Plagiate ebendiese Teile einer Doktorarbeit.“ Doch genau hier liege das Problem. Denn es widerspreche dem Qualitätssicherungskonzept der „guten wissenschaftlichen Praxis“, das 1998 in Deutschland eingeführt worden sei. „Graichen hat sich nicht daran gehalten. Also kann man ihm wissenschaftlich nicht trauen.“ Der Spitzenbeamte war vor zwei Wochen von seinem Chef, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, in den Ruhestand versetzt worden, nachdem er wegen Vetternwirtschaft im Ministerium politisch nicht mehr haltbar gewesen war.

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