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Personal > Wann es Geld fürs Bereithalten gibt

Rufbereitschaft kann Arbeitszeit sein

Wenn ein Feuerwehrmann sich für einen Einsatz bereithalten muss, ist das Arbeit? Und wenn ein Techniker sich nicht allzu weit von der Anlage, die er beaufsichtigen muss, entfernen darf, muss er für die Zeit dann bezahlt werden? Unter Umständen ja, entschied jetzt der Europäische Gerichtshof.

Viel klüger hat er Arbeitgeber und Mitarbeiter damit aber erst einmal nicht gemacht. Warum nicht, beschreibt Rechtanwalt Ralf-Dietrich Tiesler von Menold Bezler im folgenden Beitrag.

 

Zu entscheiden hatten die Richter in Luxemburg über die Klagen eines deutschen Feuerwehrmanns und eines slowenischen Technikers. Beide wollten ihre Rufbereitschaft wie Arbeitszeit bezahlt bekommen.

 

Der Feuerwehrmann musste neben seiner regulären Dienstzeit regelmäßig Rufbereitschaft leisten, während der er zwar nicht verpflichtet war, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten. Er musste aber erreichbar und in der Lage sein, im Alarmfall innerhalb von 20 Minuten in Einsatzkleidung und mit dem Einsatzfahrzeug die Stadtgrenzen zu erreichen.

 

Der Techniker war damit betraut, den Betrieb von Fernsehsendeanlagen in den slowenischen Bergen sicherzustellen. Neben seinen zwölf Stunden regulärer Arbeitszeit leistete er täglich sechs Stunden Rufbereitschaft. Während derer musste er nicht in der Sendeanlage bleiben. Er durfte sich aber nur so weit von der Anlage entfernen, dass er innerhalb einer Stunde dorthin zurückkehren konnte.

 

Beide Kläger waren der Ansicht, dass ihre geleisteten Bereitschaftszeiten sie so sehr einschränkten, dass sie in vollem Umfang als Arbeitszeit anzuerkennen und entsprechend zu vergüten seien. Die beiden mit den Ausgangsverfahren befassten Gerichte fragten den EuGH, ob die Bereitschaftszeiten unter den jeweils gegebenen Umständen als Arbeitszeit im Sinne der EU-Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) anzusehen sind.

 

Die Luxemburger Richter antworteten: „Eine Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft stellt nur dann in vollem Umfang Arbeitszeit dar, wenn die dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen seine Möglichkeit, während dieser Zeit seine Freizeit zu gestalten, ganz erheblich beeinträchtigen.“ Im Einzelnen stellten Sie dazu Folgendes fest: Die Bereitschaftszeit eines Arbeitnehmers ist entweder als „Arbeitszeit“ oder als „Ruhezeit“ im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie einzustufen. Beide Begriffe schließen einander aus.

 

Eine Zeitspanne, in der ein Arbeitnehmer tatsächlich nicht für seinen Arbeitgeber tätig wird, ist nicht zwangsläufig „Ruhezeit“. Schon früher hat der EuGH ausgeführt, dass eine Bereitschaftszeit stets „Arbeitszeit“ ist, wenn sich der Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz (nicht mit seiner Wohnung identisch) zur Verfügung zu halten hat. Ein klarer Fall ist hier der Arzt, der das Krankenhaus während seiner Bereitschaft nicht verlassen darf.

 

Bereitschaftszeiten, einschließlich Rufbereitschaft, sind auch dann „Arbeitszeit“, wenn durch die damit verbundenen Einschränkungen die Möglichkeiten des Arbeitnehmers, sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigt sind. Wenn es keine solchen Einschränkungen gibt, ist umgekehrt nur die Zeit als „Arbeitszeit“ anzusehen, in der der Mitarbeiter während der Bereitschaft tatsächlich arbeitet. Etwa also der IT-Mitarbeiter, der am Wochenende den Betriebsserver neu starten muss.

 

Die Frage, wann genau denn nun eine Bereitschaftszeit „Arbeitszeit“ ist, beantwortet der EuGH allerdings nicht. Sondern verweist darauf, dass hier nur Einschränkungen berücksichtigt werden könnten, die dem Arbeitnehmer durch nationale Rechtsvorschriften, Tarifverträge oder seinen Arbeitgeber auferlegt werden. Unerheblich sind dagegen Schwierigkeiten, die eine Bereitschaftszeit infolge natürlicher Gegebenheiten für den Arbeitnehmer mit sich bringt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn das Gebiet, das der Arbeitnehmer während einer Rufbereitschaft praktisch nicht verlassen kann, wenig Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten bietet.

 

Ob ein Arbeitnehmer während der Rufbereitschaft erheblich eingeschränkt wird oder nicht, bleibt unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls Sache der nationalen Gerichte. Sie müssen vor allem berücksichtigen, ob die Frist sachgerecht ist, innerhalb deren der Arbeitnehmer nach Aufforderung die Arbeit aufzunehmen hat. Weitere Einschränkungen wie die Pflicht, mit einer speziellen Ausrüstung am Arbeitsplatz zu erscheinen, sind ebenso zu würdigen wie auch Erleichterungen, etwa ein Dienstfahrzeug, mit dem von Sonderrechten im Straßenverkehr Gebrauch gemacht werden kann. Zudem müssen die nationalen Gerichte die durchschnittliche Häufigkeit der Einsätze berücksichtigen, die ein Arbeitnehmer während seiner Bereitschaftszeiten leisten muss.

 

Ob die Handreichungen des EuGH den Klägern bei der Durchsetzung ihrer Vergütungsforderungen helfen werden, bleibt abzuwarten. Die Urteile aus Luxemburg stellen nämlich auch klar, dass die europäische Arbeitszeitrichtlinie die Vergütung von Bereitschaftszeiten gar nicht regelt. Die Regelung der Vergütung bleibt den nationalen Gesetzen und Tarifverträgen sowie den Arbeitsverträgen vorbehalten. Insoweit ist anerkannt, dass die Vergütung von Bereitschaftszeiten geringer ausfallen kann als das Entgelt für den vollen Arbeitseinsatz.

 

Arbeitgebern ist insofern zu raten: Wenn es nötig ist, Mitarbeiter in Rufbereitschaft zu halten, sollten dafür Regeln aufgestellt werden, die genau klären, was von den Mitarbeitern erwartet wird, wie schnell sie ihre Arbeit aufnehmen müssen und wie sie für die Zeit vergütet werden, in denen sie in ihrer Freizeitgestaltung erheblich beeinträchtigt sind.

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