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Personal > Soziales Miteinander im Büro

Sei nett zu Nervensägen!

Es gibt viele Gründe, warum Menschen ihren Arbeitgeber wechseln wollen. Ein mieses Verhältnis zur Führungskraft oder Kolleginnen und Kollegen steht weit oben. Eine kleine Anleitung zum Umgang mit bremsenden und schwadronierenden Querköpfen.

Christoph Maria Herbst als Bernd Stromberg
Die Krone der Schöpfung: Christoph Maria Herbst als Bernd Stromberg, Führungskraft und erfolgreichste deutsche Fernsehnervensäge aller Zeiten. Bild: picture alliance / dpa | Brainpool/Willi Weber

Jetzt mal ehrlich: Wie viele Arbeitskollegen und -kolleginnen haben Sie, die einfach nur ihren Job machen, ohne Ihnen regelmäßig auf den Geist zu gehen? Also, abseits vom Praktikanten, der sich am dritten Tag über mangelnden Purpose in der Firma beschwert? Oder dem Mettbrötchenfrühstücker, der auf die Dieselfahrerin schimpft, dem militanten Veganer, der mittags in der Kantine Klimaschutz predigt, weil Sie nach sechs Wochen mal wieder die Currywurst genommen haben. Oder dem Abteilungsleiter, der von seinem Achtsamkeitstraining eher passiv-aggressiv zurückkommt. Ganz abgesehen von der Auszubildenden, die jetzt zwingend nicht mehr „non-binär“, sondern „polyamorös“ ist.

Solcherlei gab es schon immer, aber es kommen in diesen Zeiten ein paar Dinge hinzu. Erstens die Quantität: Die Zahl der Neurosen nimmt zu. Zweitens steigt die Zahl der Verbreitungswege. Früher gab es Flur, Kaffeeküche und Kantine. Heute wird praktisch jeder digitale Weg gleich mitbespielt. Und drittens erwartet jeder und jede dafür auch noch die Maximal-Toleranz von Ihnen.

Auch die Verantwortlichen in den Personalabteilungen kennen da kein Pardon. Gestählt durch eine hinreichende Zahl von Workshops schleppen sie die Sprache der Sozialarbeiter ins Unternehmen: „Wie kommen wir mit den Transformierenden in ihrer Abteilung ins Handeln, damit es kein ‚Quiet Quitting‘ gibt?“ Die „innere Kündigung“ also. Gute Frage, vor allem unter der Bedingung „Quiet Constraint“, was immer mehr die Runde macht und nichts anderes heißt, als dass man nicht jeder Nase alles erzählt. Im internen Kommunikationshandbuch der Deutschen Telekom wird das Personalpronomen „nin“ vorgeschlagen, was quasi „es“ bedeutet, – damit man mit „er“ oder „sie“ nicht jemandem zu nahe tritt.

Wir nerven uns also gegenseitig mit Formalien, Wutausbrüchen, Vorschriften und einer guten Portion Moralismus. Nur: Wie gehe ich damit um? Der Kommunikationsexperte und Coach Attila Albert hat sich in seinem Buch „Sorry, ihr nervt mich jetzt alle!“ mit ihnen beschäftigt. Nervensägen sind danach Egoisten, die ihre Ansichten und Bedürfnisse stark ausleben, auch auf Kosten anderer. So rücken sie sich in den Vordergrund. „Niemand sollte deswegen verurteilt werden“, sagt Albert. Für den Umgang mit solchen Menschen ist eine zentrale Frage wichtig: „Lohnt sich die Auseinandersetzung, was kostet sie mich und was verpasse ich deswegen?“ Dazu gehört ein tieferes Verständnis, um welchen Nervensägentyp es sich handelt.

Das ewige Opfer

Menschen, die sich permanent beklagen, aber kaum etwas verändern. Diese Menschen nerven mit „ihrer ausgestellten Hilflosigkeit“, zeigen aber zu wenig Eigenverantwortung und Konsequenz. Eine Reaktionsmöglichkeit sei, diese Leute immer wieder daran zu erinnern, dass es ewig so weitergehen wird, „wenn sie die Verantwortung für sich nicht wahrnehmen“. Wirklich helfen sollte man diesem Typ erst dann, wenn es ein gewisses Maß an eigener Aktivität gibt – sonst verschenkt man nur Zeit. Und nicht vergessen: Diese Menschen leiden in der Regel unter einem Mangel an Selbstbewusstsein.

Der verbissene Rechthaber

Für ihn liegen die anderen immer falsch. Streit suchend gibt es kein Thema, bei dem dieser Typ sich nicht berufen fühlt, etwas beizutragen. „Dahinter verbergen sich starre Ansichten und eigene Unsicherheit“, meint Albert. Man sollte „seine Ansicht bestätigen, aber in der Form, dass sie als seine anerkannt wird, die man selbst ganz entspannt nicht teilt“. Schließlich zeichnet den Rechthaber auch ein tief sitzendes Misstrauen aus. Empathie bringt einen hier weiter, Dagegenhalten in der Regel nicht.

Der schlaffe Zögerer

Er redet viel, handelt aber wenig. Diese Menschen beschweren sich gern und viel, formulieren aber nur sehr selten klare Ziele – und verfolgen sie schon gar nicht. Für Albert entspricht dieser Typus auch dem Zeitgeist: „So genügt heute schon gut gemeintes Gerede, während frühere Generationen noch an Ergebnissen gemessen wurden.“ Anders als das ewige Opfer (Typ 1) wissen diese Menschen immerhin, dass sie sich bewegen müssten. Wer durch sanfte oder laute Motivation drängen will, läuft meistens ins Leere. Hier ist der Coach weitgehend ratlos. Außer die Eigenarten zu akzeptieren, helfe da nicht viel.

Die fürsorgliche Helferseele

Sie ist immer für andere da, egal, ob die das brauchen oder wollen. Mit dieser aufdringlichen Hilfsbereitschaft überlasten sich die Menschen oft selbst oder fühlen sich enttäuscht, wenn das Gegenüber vor Dankbarkeit nicht in die Knie geht. Was negativ klingt, kann ein Team bis zu einem gewissen Grad gut gebrauchen. Solche Leute sind oft der Sonnenschein im Team. Führungskräfte oder Freunde sollten nur geschickt einbremsen. „Die Vorstellung vom Helfen zu erweitern, nämlich Verantwortung auch wieder abzugeben“, sagt Albert. Das mag einige zunächst verängstigen, befreit dann aber in der Regel.

Der übermotivierte Problemlöser

Für diese Person ist das eigene Leben nichts anderes als eine To-do-Liste mit Überlänge. Diese Menschen gehen auf in Aktionsplänen, Prioritätenlisten und Methodikstreitereien. Das mag Wirkung erzeugen, Spontanität und Spaß bleiben aber auf der Strecke. Gerade unter Führungskräften gibt es diesen Typ oft. Am Ende hilft nur, Grenzen zu setzen – aber erst, nachdem man diesem Typen das Gefühl gegeben hat, etwas von ihm gelernt zu haben.

Der selbstgerechte Weltverbesserer

Stark im Belehren, schwach darin, sich selbst daran zu halten. Hervorstechende Eigenschaften dieser Typen sind Scheinheiligkeit, Überheblichkeit und Widersprüchlichkeit. Gern kleben sie sich fürs Klima auf Straßen fest. Aber ein Wochenende auf dem Ballermann ist kein Problem – Hauptsache, man isst vegan und verurteilt alle, die das nicht tun. Dagegen hilft oft nur, ihn oder sie auf die praktischen Schwierigkeiten der idealistischen Ideen aufmerksam zu machen. Dazu gehört, die Bemühungen anzuerkennen – ehrlich gemeint sind sie ja in der Regel auch.

Der abgehobene Welterklärer

Der abgehobene Welterklärer: Ausgestattet mit einer kühlen Distanz, schweben diese Leute über den Dingen, fühlen sich klüger als der Rest und haben kaum Gefühl fürs Praktische. Diese klugen Analytiker haben ihren Wert, vor allem wenn es gelingt, dies mit mehr ­Lebensnähe zu kombinieren.

Diese Typisierung mag stark vereinfacht sein, und es gibt viele Mischformen. Aber sie hilft auch, sich selbst zu erkennen: Womöglich gibt es in Ihrem Umfeld ja Menschen, die Sie als Nervensäge empfinden?

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