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Personal > Kampf gegen Fachkräftemangel

So geht in der Probezeit alles gut

Die Personaler im Mittelstand reißen sich die Beine aus, um an gute Leute zu kommen, aber immer wieder kommt es im Laufe der ersten Monate zu „Missverständnissen“. Immer häufiger werden Arbeitsverhältnisse in der Probezeit beendet, weil beide Seiten Fehler machen. Ein Ratgeber.

Immer häufiger werden Arbeitsverhältnisse in der Probezeit beendet, weil beide Seiten Fehler machenBild: Shutterstock

Am Abend seines ersten Arbeitstages schwelgt Frank, 35, vor Begeisterung über den neuen Job: Die IT war vorbereitet – Laptop und Smartphone lagen parat und waren top eingerichtet. Das Büro hatte einen höhenverstellbaren Schreibtisch, was ihm stets wichtig ist. Die Kaffeeküche war geräumig, der Latte Macchiato lecker. Die Kolleginnen und Kollegen nahmen in freundlich auf und wirkten gut gelaunt.

Zehn Wochen später sieht die Welt anders aus: Frank erklärt seiner Freundin, warum er die Kündigung noch in der Probezeit eingereicht hat: Der Job hat nur bedingt mit dem zu tun, was in den Vorstellungsgesprächen besprochen war. An die Vorgesetzten kommt er kaum heran, immer wieder liefen Mails ins Leere oder es wurden Termine verlegt. Praktisch jeden Vorschlag, den er machte, wurde abgewürgt. Dazu kamen viel mehr Dienstreisen als abgemacht waren. Einen Vertrauten hat er immer noch nicht. Als er sich bei seinem alten Arbeitgeber meldete und der sagte: „Komm gern zurück, wir brauchen dringend Leute“, da stand Franks Entschluss fest. Kündigung eingereicht, eine Woche Resturlaub und nun kehrt er zurück.

So oder so ähnlich läuft es immer häufiger in der Probezeit. Unternehmen geben sich immer mehr Mühe beim Employer Branding – erst recht in Zeiten des Fachkräftemangels, inzwischen auch „Arbeiterlosigkeit“ genannt, weil es längst nicht mehr nur einen Mangel an Fachkräften gibt. Aber dann machen die Neuankömmlinge, Personalabteilungen und Führungskräfte immer wieder schwere Fehler. „Wenn neue Mitarbeitende in ein Unternehmen kommen, läuft es leider immer noch zu oft nach dem Prinzip „Schwimmen oder Untergehen“, sagt Christine Kentzler, Expertin für New Placement bei der Personal- und Managementberatung Kienbaum. Sie war vor ihrer Zeit als Beraterin selbst in Personalabteilungen tätig und kennt beide Seiten.

Nur rund ein Viertel der Unternehmen verfolgen einen strukturierten und systematischen Onboarding-Prozess, wie es im Fachjargon heißt: „Nachlässigkeiten und Versäumnisse in diesen ersten 100 Tagen rächen sich, kosten viel Geld und stehen vor allem in keinerlei Verhältnis zum enormen Aufwand bei der Anwerbung von neuen Leuten“, sagt Christine Kentzler. Die Kosten für eine Fehlbesetzung auf Top-Level können sich bis auf deutlich mehr als ein Jahresgehalt summieren. Aber gerade in diesen Zeiten ist jeder Fall ärgerlich, bei dem es nicht funktioniert.

Was die Mitarbeitenden oft falsch machen

Auch neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vernachlässigen gern einige Dinge, wie die Erfahrung der Beraterin zeigt: Es werde oft unterschätzt, was unter der Wasseroberfläche liegt: „Viele denken, es würde genügen, einen guten Job zu machen und sich fachlich zu beweisen. Das reicht aber eben nicht“, sagt Christine Kentzler. Gerade in der Anfangszeit sei es wichtig, auf das Beziehungsmanagement zu achten. Viele laufen in die Falle und nehmen ein Projekt nach dem anderen an, verlieren sich im Klein-Klein des Alltages. Dabei sei es wichtig, Zeit auch darauf zu verwenden, sich zu integrieren: „Man muss die Unternehmenskultur kennenlernen, die ungeschriebenen Spielregeln, die bestehenden Allianzen, die Minenfelder.“ Das heißt konkret: Neuankömmlinge sollten zum Beispiel wissen, wen man das Du anbieten kann und wem nicht. Oder wer nur auf Anrufe reagiert und bei wem ein Chat oder eine Email angebracht ist. Ebenfalls wichtig: Wie proaktiv sollte man bei der jeweiligen Führungskraft sein? Was darf ich allein entscheiden, wo sollte ich vorher fragen?

Ideal ist die Situation, wenn „Newbies“ einen Mentor oder eine Mentorin an die Seite gestellt bekommen: Jemand, der oder die Erfahrung hat und das Haus kennt. Er oder sie muss dabei nicht aus dem direkten Umfeld stammen, das könnte sogar hinderlich sein. Wichtig ist, dass man vertraulich miteinander sprechen kann und die Ratschläge nützlich genug sind. Für Christine Kentzler liegt ein Kardinalfehler darin, sich darauf zu verlassen, dass Unternehmen bzw. Vorgesetzte schon für die eigene Integration und Einarbeitung sorgen: „Das ist ganz klar eine Holschuld. Hier muss ich als neuer Mitarbeiter aktiv werden.“

Zu viel Homeoffice macht den Start nicht leichter: Die Sichtbarkeit im Unternehmen, Vernetzung, informelle Gespräche sind wichtig in der Anfangszeit – virtuell aber ungleich schwerer. Man kommt inhaltlich nicht so leicht in die Themen, es fehlt dann doch der kurze, aber stete Informationsfluss vor Ort. 

„Aus meiner Sicht ist der wichtigste Faktor die innere Haltung: Bewusstsein darüber zu haben, dass die ersten 100 Tage eine sehr erfolgskritische Zeit sind, in der ich unter Beobachtung stehe und mich beweisen muss“, sagt Christine Kentzler. Ein Neuling sei aus Sicht des Unternehmens, der Kollegen und Führungskräfte ein „unbeschriebenes Blatt“. Darin liegt aber eben auch immer eine große Chance, quasi der Zauber des Anfangens.

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