ZF streicht 14.000 Stellen in Deutschland
Stellenabbau wegen Marktveränderungen und Schulden. Betriebsrat wehrt sich. Fokus auf E-Mobilität - mögliche Partner gesucht.
Beim drittgrößten deutsche Autozulieferer ZF soll in Deutschland fast jede vierte Stelle wegfallen. Bis 2028 soll die Zahl der Beschäftigten um 11.000 bis 14.000 reduziert werden, teilt der Konzern in Friedrichshafen mit. ZF reagiere auf die Veränderungen im Mobilitätssektor, insbesondere bei der Elektromobilität. Dieser Bereich stehe im Mittelpunkt der Neustrukturierung bei ZF.
Insgesamt beschäftigt ZF in Deutschland 55.000 Mitarbeiter. Der genaue Umfang des Stellenabbaus sei von der weiteren Entwicklung der Märkte abhängig. „Der Ernst der Lage verlangt nach entschiedenem Handeln, um das Unternehmen an das verschärfte Markt- und Wettbewerbsumfeld anzupassen und dem Stiftungsauftrag der Zukunftssicherung nachzukommen“, betont Vorstandschef Holger Klein.
Weltweit arbeiten rund 169.000 Menschen für ZF. Am Bodensee sind rund 10.300 Menschen beschäftigt. Das Unternehmen erzielte 2023 einen Umsatz von rund 46,6 Milliarden Euro.
„Diese Ankündigung schürt Ängste, wo wir eigentlich den vollen Einsatz für die Belieferung der Kunden, der Bewältigung der Rezession und der Transformation brauchen“, kommentiert Gesamtbetriebsratsvorsitzender Achim Dietrich das Vorhaben des Vorstands. Er kündigt „entschiedenen Widerstand“ gegen Pläne an, „die einseitig nur darauf setzen, die Lohnkosten zu drücken, denn damit werden nicht die Ursachen der Krise bekämpft, sondern von Manager-Versagen abgelenkt. Der ZF-Vorstand habe sich gegen die Zukunft von Standorten und Tausenden von Mitarbeitern entschieden und werde „dafür erbitterten Widerstand erhalten“. Der Betriebsrat kritisiert schon länger, dass neue Technologien beispielsweise nach Serbien verlagert werden. Das Werk in Pancevo bei Belgrad werde hierzu immer mehr ausgebaut.
Vorstand verschärft das Tempo
Ein Stellenabbau hatte sich bereits zum Jahreswechsel abgezeichnet. Seinerzeit wurden vom Betriebsrat bereits 12.000 Stellen gehandelt, die bis 2030 wegfallen sollen. Im Frühjahr haben Tausende am Stammsitz in Friedrichshafen dagegen demonstriert. Die Konzernführung stritt damals solche Zahlen ab. Nach den damaligen Angaben der Konzernführung sollte der Stellenabbau vor allem durch natürliche Fluktuation erfolgen. Jetzt hat der Vorstand das Tempo sogar verschärft und die Zahl erhöht. „Unsere unternehmerische Verantwortung ist, ZF zukunftsfähig auszurichten und die Standorte in Deutschland so weiterzuentwickeln, dass sie nachhaltig wettbewerbsfähig und solide aufgestellt sind. Uns ist bewusst, dass wir dazu auch schwierige, aber notwendige Entscheidungen treffen müssen. Dabei wollen wir bestmögliche Lösungen für alle Beteiligten finden“, so Klein.
Den Zulieferer drücken hohe Belastungen von elf Milliarden Euro durch die milliardenschweren Übernahmen der Wettbewerber TRW (2015) und den Bremsenhersteller Wabco (2020) sowie für den Wandel zur E-Mobilität. Um die Kredite zu bedienen, fließen jedes Jahr Hunderte Millionen Euro ab. So musste ZF im vergangenen Jahr einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag mehr für Zinsen aufwenden als 2022. „Das erhöht den Druck auf die Ertragsstärke des Unternehmens" räumte Klein Anfang des Jahres ein. Er hatte deshalb ein Sparprogramm angekündigt, das die Kosten um rund sechs Milliarden Euro drücken soll. „Wir wollen die deutschen Standorte konsolidieren und zu mehreren Standortverbünden zusammenführen. Ziel ist, ein leistungsfähiges Produktionsnetzwerk einerseits und eine effiziente Organisation der Forschungs- und Entwicklungsbereiche andererseits zu schaffen“, erklärt Produktionschef Peter Laier. Durch die großen Zukäufe von TRW und Wabco bestehe in Deutschland eine kleinteilige Standortstruktur, die man nun verschlanken wolle.
Kritik an Konzernstrategie
Die IG Metall verortet in den Übernahmen die Ursache der Misere: „Die Unternehmensspitze hat ZF durch strategische Fehleinschätzungen und missglückte Finanzierungsmodelle bei milliardenschweren Zukäufen in eine schwierige Lage gebracht. Für diese haarsträubenden Managementfehler sollen die Beschäftigten jetzt den Kopf hinhalten. Wir werden uns dagegen zur Wehr setzen“, kündigt der bayerische IG Metall-Bezirksleiter Horst Ott an. Um Kosten zu sparen, plant ZF, zahlreiche neue Produkte für die E-Mobilität überwiegend im kostengünstigeren Ausland anzusiedeln. Die IG Metall fordert ZF auf, stattdessen Zukunftsprodukte an den heimischen Standorten anzusiedeln und die Beschäftigtenzahlen langfristig stabil zu halten.
Ein Schwerpunkt der strategischen Neuausrichtung liegt auf der Division Elektrifizierte Antriebstechnologien. Gerade bei den Antrieben für Autos herrsche global ein sehr hoher Wettbewerbs- und Kostendruck. ZF muss nach eigenen Angaben den Bereich über den Verkauf von Technik für konventionelle und Hybridfahrzeuge quersubventionieren. „Langfristig werde durch den Wandel hin zur Elektromobilität die Volumina an Getrieben für konventionelle und Hybridfahrzeuge rückläufig sein. Auch diese Entwicklung gilt es in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen“, heißt es in einer Mitteilung des Konzerns. Hinzu komme die derzeit eklatante Nachfrageschwäche nach rein elektrischen Fahrzeugen, die zu Überkapazitäten in den mit hohen Investitionen eingerichteten Produktionslinien für elektrische Antriebe führt.
Konkret verdient ZF mit der E-Mobilität in vielen Bereichen kein Geld und sieht offenbar keine große Chance auf deutliches Wachstum in nächster Zeit. Der Wettbewerb kommt zum Teil aus der Nachbarschaft. So dringt beispielsweise der Stuttgarter Wettbewerber Mahle auf dem gleichen Feld auf den Markt. Zudem wollen die Fahrzeughersteller die Fertigung von Batterien und E-Antrieben künftig selbst produzieren. Mercedes-Benz hat erst vor wenigen Wochen am Stammsitz in Stuttgart ein einsprechendes Entwicklungszentrum in Betrieb genommen. Mit der Fertigung in en eigenen Reihen, wollen die Herstelle die Beschäftigung sichern. Bei der Produktion von E-Fahrzeugen werden wesentlich weniger Mitarbeiter benötigt, als an den Bändern von Modellen mit Verbrennungsmotor.
ZF geht auf Partnersuche
Prinzipiell glaubt die Führung von ZF weiter daran, dass sich die E-Mobilität durchsetzen wird. Allerdings deutet ZF-Vorstandschef Klein an, dass der Konzern den Weg nicht mehr alleine gehen will: „Wir sind hier in Vorleistung gegangen und werden in diesen Bereich auch weiterhin stark investieren“, erläutert der ZF-Vorstandsvorsitzende Klein. Die veränderte Marktperspektive und der hohe Wettbewerbsdruck für elektrifizierte Antriebstechnologien erfordern jedoch auch die Offenheit für Kooperationen und starke Partnerschaften. „Zusätzlich zu unserem eigenen Engagement – weiter in der E-Mobilität vorankommen – gilt es auch diese Optionen zu prüfen.“
Zusammenfassung
Massiver Stellenabbau beim drittgrößten deutschen Automobilzulieferer bis 2028
- Stellenabbau: ZF plant den Abbau von 14.000 Arbeitsplätzen in Deutschland bis 2028.
- Gründe: Veränderungen im Mobilitätssektor und Fokussierung auf Elektromobilität. Außerdem: Hohe finanzielle Belastungen durch die Übernahmen von TRW und Wabco.
- Widerstand: Der Betriebsrat und die IG Metall üben Kritik am Management und wehren sich gegen den Stellenabbau.
- Partnerschaften: ZF sucht nach Kooperationen und Partnerschaften zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.
- Unternehmensumsatz: ZF erzielte 2023 einen Umsatz von rund 46,6 Milliarden Euro.
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