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Personal > Budelmann Elektronik

Unverhofft unabhängig: Das Portrait einer jungen Unternehmerin

Eigentlich wollte Jeannine Budelmann immer in einem Konzern arbeiten und sich nie selbständig machen. Eigentlich. Doch dann wurde sie bereits in jungen Jahren Geschäftsführerin eines mittelständischen Elektronikunternehmens.

„Ich habe nicht das Gefühl, dass sich die Gleichstellung von Frau und Mann in den vergangenen Jahren großartig verbessert hat“, resümiert Jeannine Budelmann. Sie ist seit acht Jahren Geschäftsführerin von Budelmann Elektronik. Das Unternehmen mit 18 Mitarbeitern aus Münster entwickelt und produziert kundenspezifische Elektronik und Software. Vor allem die unterschwelligen Töne sind es, an denen die Unternehmerin ihre Beobachtung festmacht. Erst kürzlich wieder hörte sie in der Pause einer Veranstaltung eine unangenehme Bemerkung. Ein Mittfünfziger klassifizierte sie als „knallharte Karrierefrau“ und die anderen anwesenden Frauen als „Muttis“, weil sie sich über die Kinderbetreuung unterhielten. Was der ältere Herr nicht wusste: Die 34-jährige Budelmann hat auch eine dreijährige Tochter. „In solchen Situationen spare ich mir in der Regel die Diskussion und gehe demjenigen, auch wenn es ein Geschäftspartner sein sollte, aus dem Weg“, gibt sich Budelmann konsequent. Ihr Mann oder ein anderer Mitarbeiter könne dann übernehmen.

Dem Social Distancing widmete sich Budelmann gemeinsam mit ihrem Mann, Gründer und ebenfalls Geschäftsführer des Unternehmens, in den vergangenen Wochen auch noch auf eine andere Art. Ein Kunde gab kürzlich den Anstoß für ein neues Produkt. Der Hersteller von Sicherheitsschuhen beschäftigte sich damit, wie die gesetzlichen Vorschriften aufgrund der Corona-Pandemie im Arbeitsumfeld eingehalten werden können. Stets auf den Sicherheitsabstand von 1,50 Metern zu achten stelle zum Beispiel auf einer Baustelle eine große Herausforderung dar. Auch andere Unternehmen und Kunden standen vor demselben Problem: So wichtig die Hygienevorschriften auch seien, sie würden den laufenden Betrieb enorm aufhalten.

„Was im Moment zählt, ist Geschwindigkeit“, sagten sie sich und holten für das Projekt Mitarbeiter zurück aus der Kurzarbeit. Die Kompetenzen zur Umsetzung des Projektes gäbe es im Unternehmen bereits, doch ein führender Mitarbeiter hat drei schulpflichtige Kinder zu Hause. Die junge Unternehmerin steht vor dem Problem, dass eine dringende Neuproduktentwicklung auf dem Tisch liegt und dass gleichzeitig viele Mitarbeiter – genau wie sie selbst – mit der Kinderbetreuung voll ausgelastet sind. Was hilft da nun? Ihr junges Alter, wie sie bereits in ihrer Kolumne bei „Markt und Mittelstand“ berichtet hat: „Wir, die jungen Unternehmer, sind viel stärker an arbeitsplatzunabhängiges und mobiles Arbeiten gewöhnt. Wir finden Videokonferenzen normal und Umlaufmappen befremdlich.“ Also fiel es ihr und ihrem Team nicht schwer, Absprachen aus der Entfernung noch schneller zu treffen und sich neu zu organisieren. Agile Arbeitsmethoden, die digitale Abbildung von Prozessen und Tools zur Mitarbeiterkommunikation: All das gab es vorher schon bei Budelmann Elektronik.

Bisher brauchten sie für eine Neuproduktentwicklung in etwa sechs Monate, wenn der Kunde nicht zu starre Strukturen hatte. Dieses Mal waren sie nach acht Wochen am Ziel. Die Budelmanns konnten dem Kunden eine passende Lösung präsentieren. Das Ergebnis der gemeinsamen Mühen: Der gerade fertig entwickelte und seit Juli erhältliche Transponder „Smart Distance Keeper“ ist in etwa so groß wie eine Streichholzschachtel und wird an dem Schuh befestigt. Halten Mitarbeiter einen zuvor festgelegten Abstand nicht ein, gibt er einen leichten Vibrationsalarm von sich und erinnert seinen Träger daran, den Abstand einzuhalten. Das Gerät misst, ähnlich wie die kürzlich von der Bundesregierung vorgestellte Corona-Warn-App, die Abstände anhand von Bluetooth-Signalen. Allerdings, so betont die 34-Jährige, würden ihre Transponder präziser arbeiten, denn alle Smart Distance Keeper hätten dieselbe Sende- und Empfangscharakteristik, wohingegen Tracking-Apps auf unterschiedlichen Smartphones funktionieren müssten. „Im medizinischen Bereich darf man oft auch gar nicht das Handy mit sich tragen“, nennt Budelmann weitere Einsatzgebiete ihres neuen Gerätes, „und auch der Abstand zu gefährlichen Maschinen kann so kontrolliert werden, denn das Gerät muss nicht zwingend von einem Menschen getragen werden.“

Planänderung

In dem vor zehn Jahren gegründeten Unternehmen übernimmt Budelmann vor allem die Aufgaben der kaufmännischen Geschäftsführerin. Im Fall des Transponderprojekts lag ihr Schwerpunkt auf Kommunikation, Mitarbeiterkoordination und Beschaffung kritischer Bauteile. Bevor sie dort im Jahr 2012 einstieg, gab es bei Budelmann Elektronik keinen einzigen Mitarbeiter mit BWL-Kenntnissen. Aus diesem Grund wandte sich ihr Mann Christoph, der Elektro- und Informationstechnik studiert und die Firma aus einer Nebenbeschäftigung heraus gegründet hatte, bei solchen Fragen an sie. Budelmann studierte nicht nur BWL, sondern auch Chinesisch: „Ich wollte eigentlich in großen Konzernen und weltweit arbeiten. Da hätte mir diese Sprachkenntnis sicher geholfen.“ Nicht nur, weil sie ohnehin bei kaufmännischen Angelegenheiten zu Rate gezogen wurde, sondern auch, weil sie Freude am Unternehmertum und der Branche fand, entschied sich Budelmann schließlich dazu, von ihren Plänen abzurücken: Statt Arbeitnehmerin wurde sie Arbeitgeberin. Bereut hat sie diese Entscheidung nie, auch nicht in der derzeitigen Corona-Krise. Trotz der momentanen Abhängigkeit von der Politik und der fehlenden Planungssicherheit empfindet sie es als befreiend, ihre eigene Chefin zu sein und selbstbestimmt zu handeln.

Budelmann Elektronik GmbH

 

  • Gründung: 2010
  • Mitarbeiterzahl: 18
  • Firmensitz: Münster

In der Art der Personalführung agieren die Eheleute unterschiedlich. „Mein Mann ist eher konsensorientiert und bespricht so viel wie möglich gemeinsam mit dem Team“, sagt die Firmenchefin, „Ich arbeite lieber mit klaren Zielvorgaben. In der Summe ergänzen wir uns dann.“ Eine Gemeinsamkeit hatten Jeannine und Christoph aber von der ersten Stunde an: Sie gewannen vor 15 Jahren – bevor sie sich überhaupt kennen lernten – jeweils den ersten Platz bei dem Nachwuchswettbewerb „Jugend forscht“, er in Niedersachsen und sie im Saarland. Bei der Austragung des Wettbewerbs auf Bundesebene und den Anschlussveranstaltungen begegneten sie sich dann zum ersten Mal.

Ganz alleine ist sie als kaufmännische Fachkraft inzwischen nicht mehr. Doch bei der Zusammenarbeit mit ansonsten technikaffinen Menschen sind eine gute Kommunikation und Vertrauen besonders wichtig. Die Kompetenzen der Entwickler würden genauso wertgeschätzt werden wie die der Kaufleute. Budelmann lässt sich auch gerne mal etwas erklären, denn erst dann würde auffallen, an welchen Stellen es noch Ungereimtheiten gäbe. So entstünde gemeinsames Lernen. Mit Mitarbeitern, die einmal etwas gelernt haben und sich dann darauf ausruhen, kann sie nicht viel anfangen. „Wir arbeiten kontinuierlich daran, unsere Mitarbeiter zu befähigen, um uns eines Tages überflüssig zu machen.“

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