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Von Worthuberei und klarer Sprache

Sprache schafft Wirklichkeit und die Grenzen unserer Sprache sind die Grenzen unserer Welt.

Simone Burel
Simone Burel hilft Unternehmen, mit guter Sprache besser zu werden. Sie ist Chefin der linguistischen Unternehmensberatung LUB.Bildquelle: © Linguisti Unternehmensberatung

Auch wenn Ludwig Wittgenstein, der großen Sprachforscher, noch nichts vom Buzzword-Bingo des heutigen Managementsprechs wusste, sind seine Lehren hochaktuell. Wir werfen uns Plastikwörter um die Ohren, als ob jedem instinktiv klar ist, was Ambidextrie, Agilität oder Automatisierung so ganz genau sind. Gerade Beraterinnen und Berater verwenden eine umständliche Sprache, auch um überdurchschnittlich klug zu wirken.

Einige Aspekte, wie wir mit Sprache umgehen, wühlen dagegen sehr viele Menschen auf – Stichwort Genderdebatte. Umso wichtiger sei es, dass sich Entscheiderinnen und Entscheider einiger Dinge bewusst seien, sagt LUB-Chefin Simone Burel. LUB steht für linguistische Unternehmensberatung. Burel möchte Unternehmen helfen, durch den Einsatz von guter Sprache effektiver zu werden.

Die Sprachwissenschaftlerin hat im Zuge ihrer Promotion in Heidelberg herausgefunden, dass es gewisse Sprachcodes gibt, die Unternehmen verwenden. Sie hat ein Rezept entworfen, wie sich Firmen vom Geschäftsbericht über die Pitch-Unterlage bis zur Betriebsversammlung einheitlich aufstellen können. Wuchtige Mission-Statements sind eingeschlossen. So mancher ihrer Ratschläge klingt einfacher, als er tatsächlich ist. „Als Unternehmen musst du die Sprache deiner Zielgruppe kennen“, sagt Burel. Welche Begriffe versteht die Zielgruppe? Was ist ihr wichtig? Was will sie wissen? Darauf müssen die Firmen ihre Sprache anpassen.

Immer schön allgemein verständlich zu sprechen, ist zu einfach. Wenn Berater umständlich, aber klug daherreden, muss das nicht geschäftsschädigend sein. „Fachbegriffe zu benutzen, ist ein Weg, ein Kompetenzmomentum aufzubauen“, sagt Burel. Und das sei eine ganz typische Art, Macht zu zeigen. Der Oberarzt sagt auch lieber „Tinnitus Aurium“ statt „Ohrgeräusch“. Burels Hasswort lautet „bilateral“. Warum kann man nichts mehr „zu zweit“ besprechen?

Richtig rund geht es beim Gendern. „Mein allgemeiner Ratschlag ist, das Thema überhaupt ernst zu nehmen, weil es sehr stark von Emotionen besetzt ist.“ LUB erstellt Sprachleitfäden, wobei die meisten Organisationen auch wissen, wohin sie wollen, wie Burel sagt. „Da entsteht oft schon in Communities eine Form, die besonders favorisiert wird.“ Ansagen von oben sind eher nicht zielführend, Freiwilligkeit ist besser.

Nun ist inklusive Sprache viel mehr als das Geschlecht. Wer den neuen farbigen Kollegen fragt, wo er herkommt, sollte auf die Antwort „Castrop-Rauxel“ vielleicht nicht die Nachfrage „Nein, ich meine, wo du ursprünglich herkommst“ hinterherschicken. Ob zur antirassistischen Sprache auch gehören muss, nicht mehr „schwarze Liste“ zu sagen, kann man genauso diskutieren wie die Frage, ob das „Whiteboard“ dann noch in Ordnung ist. Dass dies oder jenes „ein Blinder mit dem Krückstock“ sieht, gehört freilich gesichert ebenso wenig in den Businessalltag wie der „blinde Fleck“. Vielleicht lässt es sich auf einen Nenner zusammenfassen: Nachdenken ist vor dem Sprechen nicht verboten.

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