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Management > Versicherungskammer Bayern (VKB)

Die Eminenz der deutschen Versicherungskonzerne

Frank Walthes führt den größten öffentlichen Versicherer ungewöhnlich erfolgreich und mit eigenem Stil - nun baut er seinen Vorstand um und setzt auf starke Frauen. 

Prof. Frank Walthes führt die Versicherungskammer Bayern (VKB) seit zwölf Jahren mit der Zuverlässigkeit einer Schweizer Präzisionsuhr. (Foto: picture alliance)

Von Christiane Goetz-Weimer

 

Jeden Tag knapp eine Million Gewinn: Die Versicherungskammer Bayern (VKB) meldet auch in schwierigen Zeiten nicht bloß solide, sondern gute Ergebnisse. Die normale Geschäftstätigkeit hat im vergangenen Jahr 385,5 Millionen Ergebnis abgeworfen, der Konzernjahresüberschuss lag bei 340,6 (2022: 304,4) Millionen Euro. Die VKB ist mit ihren 7000 Mitarbeitern und knapp 70 Milliarden an Aktiva die größte öffentliche Versicherung Deutschlands und in der ansonsten so schwächelnden Bundesrepublik ein verblüffender Ausbund an Solidität. Das hat auch mit ihrem Vorstandsvorsitzenden zu tun.
 
Prof. Frank Walthes führt den Konzern seit zwölf Jahren mit der Zuverlässigkeit einer Schweizer Präzisionsuhr. Der Vorsitzende der Vorstände des Konzerns Versicherungskammer wird in der Versicherungsmetropole München, wo Weltmarktführer von Allianz bis Munich Re vor Selbstbewusstsein nur so strotzen, hinter vorgehaltener Hand respektvoll „der Grandseigneur“ oder häufiger noch „die Eminenz“ gerufen. Der sechzigjährige Franke verkörpert konservative Werte wie Integrität, Höflichkeit, Zuverlässigkeit, Diskretion, wie kaum ein anderer in der Branche. Walthes ist kein Mann der lauten, wohl aber der klaren Töne. Sein Wort hat in der deutschen Versicherungsbranche Gewicht - und wenn er, etwa auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel, in den Verbänden oder in Buchpublikationen - ordnungspolitische Ermahnungen erteilt, dann wird der Eminenz zugehört.

Walthes wird aber auch deshalb respektiert, weil er geschäftlichen Erfolg über eine lange Strecke vorweisen kann: Unter seiner Ägide ist die Konzern-Bilanzsumme von 41 auf 70 Milliarden Euro gesteigert worden - macht 71 Prozent Plus. Im gleichen Zeitraum ist die Bilanzsumme der Commerzbank um 20 Prozent, die der Deutschen Bank um 30 Prozent geschrumpft. Die Umsatzsteigerung seit 2011 addiert sich auf ein Plus von 44 Prozent.

Walthes hat sich in den zwölf Jahren zugleich als ein krisenfester Manager erwiesen. Resilienz ist eine der großen VKB-Stärken - und so hat das Institut die Nullzinsphase ebenso gut überstanden wie jüngste Extremwetterereignisse, die Corona-Pandemie oder den aktuellen, deutschlandweiten Einbruch im Lebensversicherungsgeschäft. Die Gesellschafter können sich auch in wilden Zeiten über einen kontinuierlichen Strom von Ausschüttungen freuen. Walthes hat in seiner Amtszeit bereits mehr als eine Milliarde Dividende ausgeschüttet. An der VKB sind drei Sparkassenverbände und 89 Sparkassen beteiligt, da braucht es politisches Geschick, die Interessen über die Jahre friedlich auszubalancieren.

Walthes wirkt zuweilen wie ein letzter Herold guter, alter, ehrwürdigen Versicherungszeiten. Immer korrekt in Anzug und Krawatte gewandet ist er freundlich, verbindlich und wertebewusst: Ein Bundeswehr-Veteran, beim Alpenverein engagiert und in zahllosen karitativen Initiativen dazu - wenn heute eine neue Managergeneration zu sehr auf KPIs, Shareholder Value und ihren persönlichen Bonus fixiert scheint, lebt Walthes ein Manager-Leben in breitem sozialen Zusammenhang. Und so schickt er neue Führungskräfte schon mal zu deren Verblüffung zu Wehrübungen der Bundeswehr, auch wenn die gar nicht gedient haben sollten. Er formuliert öffentlich immer wieder die Verantwortung zu sozialer Führung. Das soziale, helfende, bodenständige Gesicht der VKB bei Unglücken und Katastrophen ist ein wichtiger Markenkern des Instituts. Walthes verfügt über ein ausgeprägtes politisches Bewusstsein und engagiert sich offensiv für die soziale Marktwirtschaft, er ist ein geistiger Enkel Ludwig Erhards und akademisch unterwegs, wenn es darum geht, werte-orientierte Führung modern zu definieren.

Wenn Bayern einst die Erfolgs-Losung von Laptop und Lederhose ausgegeben hat, so verkörpert Walthes und seine VKB genau das - KI und Konservativismus im besten Sinn zu vereinen. Der Konzern mit dem altmodischen Namen ist darum ziemlich weit vorne, wenn es um modernes Management geht.

Vom Diversity-Programm bis zum Nachhaltigkeitsengagement ist der Konzern sogar avantgardistisch unterwegs. Genauso bei der Gründung von Startups oder der Initiative "InsureTechHub Munich“. Auch „Smart Working" ist unter Walthes neu implementiert worden, womit er Mitarbeitern sehr flexible Regelungen erlaubt, mehr als 5500 Mitarbeiter arbeiten täglich mobil - und nebenbei die Reisekosten im Unternehmen halbiert hat. Und so sammeln er und die VKB innovative Zeichensetzerpreise wie den SignsAward, Top Company Kununu, digitaler Leuchtturm und Inno-Award.

So gelingt es der VKB mit ihren 200 Jahren Tradition und ihrem supersoliden, beinahe altväterlichen Marktauftritt erstaunlich gut, eine Innovationswelle nach der anderen mitzunehmen und die Marktpositionen gegen stärkste Konkurrenz zu behaupten. In Bayern ist die VKB selbstbewusster Marktführer und größer als die Allianz. In der Gebäudeversicherung liegt der Marktanteil bei unglaublichen 80 Prozent. Ein Bayer, der sein Haus versichert, ist also in aller Regel Kunde bei der Eminenz Walthes.

Zur Jahreswende wird Walthes nun seinen Vorstand neu sortieren. Zwei Vorstandsmitglieder (Robert Heene und Barbara Schick) verlassen altersbedingt das Unternehmen.  Das Ressort Marketing und Vertrieb im Konzern Versicherungskammer steht mit dem kommenden Jahr unter der Leitung von Katharina Jessel (49). Jessel verantwortet seit 2021 als Vorständin den Vertrieb für die bundesweit tätigen Kranken-, Pflege- und Reiseversicherer des Konzerns. 2022 übernahm sie zusätzlich ein Vorstandsmandat bei dem digitalen Versicherer BavariaDirekt. Wie Walthes war auch sie zuvor bei der Allianz.

Mit dem erweiterten Ressort „Operations Kundenmanagement“ setzt die Versicherungskammer den Fokus stärker auf die ganzheitliche Kundenbetreuung. Dazu wird ab April 2025 der Bereich Schaden in dieses Ressort integriert. Auch hier übernimmt eine Frau: Isabella Martorell Naßl (56) wird das erweiterte Ressort künftig führen. Sie hat seit 2022 auf Konzernebene den Vorstandsvorsitz für die Kranken- und Reiseversicherung und ist seit über 25 Jahren für die Versicherungskammer tätig.

Obendrein wird Mareike Steinmann-Baptist (46) zur neuen Vorständin für die Kranken-, Pflege- und Reiseversicherung bestellt. Auch sie war zuvor bei der Allianz, als Leiterin des Kompetenzzentrums Digitalisierung bei der Allianz Deutschland AG sowie Leiterin Finanzen bei der Allianz Private Krankenversicherungs-AG. Bis 2023 war sie Mitglied der Geschäftsführung bei der Allianz Partners Deutschland GmbH. Sie gilt als Expertin für innovative digitale Service-Lösungen.

„Ich freue mich sehr, dass wir mit Mareike Steinmann-Baptist eine Führungspersönlichkeit mit ausgewiesener Expertise für den Vorstand gewinnen konnten. Ich bin sicher, dass wir unsere Marktposition mit ihr in Zukunft weiter ausbauen und Marktchancen, ganz besonders in der Reiseversicherung, vermehrt nutzen werden“, sagt Prof. Walthes.

Die Reiseversicherung zeige seit dem Ende der Corona-Pandemie ein kontinuierliches Wachstum, vor allem im Bereich des Kreditkartengeschäfts und biete nachhaltiges Entwicklungspotential in allen reiseaffinen Altersgruppen. Mit der Etablierung eines eigenen Ressorts für die Reiseversicherung könne dieser Versicherungszweig deutlich gestärkt und den aktuellen Chancen und Herausforderungen mit einer vielfältigen Produkt- und Servicepalette innovativ Rechnung getragen werden.

Die Berufung starker Frauen wird in der männerdominierten Branche genau registriert. Ausgerechnet die VKB unter Walthes setzt hier Zeichen. Unter seiner Ägide ist gezielt ein eigenes Frauennetzwerk gegründet und fest in der Unternehmens-Governance verankert worden. Die Zahl der Frauen in Führungskräften steigt seither kontinuierlich. Das Frauennetzwerk ist seit 2015 ein Teil des Diversity Programms. Die Eminenz setzt nicht nur auf Integrität und Innovation, sondern auch auf Frauen.

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