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Personal > Ukrainische Flüchtlinge: Hürden bei der Arbeitsintegration in Deutschland

Warum es mit der Arbeit bei ukrainischen Flüchtlingen so selten klappt

Während in Deutschland viele ukrainische Flüchtlinge keine Arbeit finden, sind sie in Polen und Tschechien längst integriert. Was bremst ihre Arbeitsbeteiligung hierzulande aus und was läuft anderswo besser?

Viele ukrainische Flüchtlinge finden in Deutschland keine Arbeit: Bürokratie und falsche Anreize behindern ihre Integration, während andere Länder erfolgreichere Ansätze verfolgen.Bildquelle: Shutterstock

Die Integration von ukrainischen Kriegsflüchtlingen in den deutschen Arbeitsmarkt läuft im europäischen Vergleich schleppend. Während in Deutschland gerade 18 Prozent eine Arbeit gefunden haben, sind es in Ländern wie Polen, der Tschechischen Republik, aber auch Dänemark zwei Drittel und mehr. Die Gründe seien neben der Bürokratie auch falsche Anreize – so formulierte es bereits im vergangenen Jahr eine Studie der SPD-nahen Friedrich Ebert-Stitung, über die neben anderen auch der MDR ausführlich berichtete. Passiert ist seitdem jedoch nicht viel.

In Deutschland „stagniert die Arbeitsbeteiligung der Kriegsflüchtlinge, während sie in anderen Ländern von Monat zu Monat zunimmt", heißt es in der Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Laut aktuellen Zahlen arbeiten derzeit hierzulande rund ein Viertel der erwerbsfähigen Flüchtlinge aus der Ukraine in einem regulären Job. In Dänemark haben dagegen 74 Prozent der ukrainischen Kriegsflüchtlinge eine bezahlte, legale Beschäftigung gefunden. In Polen und Tschechien – neben Deutschland die beiden wichtigsten Aufnahmeländer in Europa – liegt der Anteil ebenfalls bei etwa zwei Drittel. In den Großbritannien und Irland arbeiten mehr als die Hälfte. Nur in der Schweiz und in Österreich sind ähnlich niedrige Arbeitsquoten bei ukrainischen Flüchtlingen zu beobachten wie n Deutschland.

Dietrich Thränhardt, Autor der Analyse, bedauert die Entwicklung und zwar nicht nur wegen der offensichtlich verschenkten Arbeitskraft. „Arbeit ist ein Schlüssel zur Integration. Wenn man eigenes Geld verdient, erwirbt man Selbstvertrauen und Respekt, hat Kontakte auf gleicher Ebene und lernt damit auch die Sprache schneller.“ In der deutschen Debatte entstehe oft der Eindruck, Flüchtlinge müssten immer eine Belastung sein. Das staatliche Polnische Wirtschaftsinstitut dagegen, sagt Thränhardt, erwartet für 2023 von den Flüchtlingen aus der Ukraine mehr Steuereinnahmen als Ausgaben.

Thränhardts Analyse beschäftigt sich auch mit den Ursachen der unterschiedlichen Arbeitsbeteiligung innerhalb der EU. Grundsätzlich seien die rechtlichen Voraussetzungen ähnlich: In allen EU-Ländern bekommen ukrainische Flüchtlinge einen vorübergehenden Schutzstatus. So können sie ohne aufwendiges Asylverfahren im Aufnahmeland leben, sind in die Gesundheits- und Sozialsysteme integriert und dürfen sofort arbeiten. Dennoch liegt die Quote in Tschechien bei 50 Prozent, in Polen bei 66 Prozent und in den Niederlanden sogar bei 70 Prozent.

Dass Polen und Tschechien im Vergleich zu Deutschland einen so großen Vorsprung haben, liege auch daran, dass die finanzielle Unterstützung in Polen und Tschechien deutlich geringer als in Deutschland und auch zeitlich begrenzt sei. Allein das Bürgergeld für alleinstehende Flüchtlinge aus der Ukraine liegt hierzulande bei 563 Euro, dazu kommen Wohngeld und Heizkosten, die übernommen werden. In Tschechien bekommen die Flüchtlinge zunächst eine monatliche Soforthilfe von umgerechnet 200 Euro. Nach fünf Monaten sinkt der Betrag auf 130 Euro. Auch die Krankenversicherung und die Kosten für die Unterbringung in einer Sammelunterkunft werden inzwischen nur noch befristet übernommen. In Polen kann auf Antrag eine Einmalzahlung von umgerechnet 66 Euro sowie Kindergeld in Höhe von 110 Euro pro Monat ausgezahlt werden; darüber hinaus gibt es keine Sozialhilfe mehr. Wer länger als vier Monate in einer Sammelunterkunft lebt, muss die Kosten zur Hälfte selbst übernehmen. Das bedeutet: Viele Geflüchtete sind gezwungen, einen Job anzunehmen, in der Regel auch im Niedriglohnsektor.

Hinzu käme, so die Studie, aber auch eine andere Strategie: Statt die Geflüchteten, so schnell wie möglich in Lohn und Brot zu bringen, wie es Polen und Tschechien verfolgen, setzt Deutschland auf Sprach- und Integrationskurse. Hintergrund ist, dass Ukrainer nicht gezwungen sein sollen, Hilfsjobs anzunehmen, sondern sie sollen nach Möglichkeit in ihren entsprechenden Qualifikationen arbeiten. Etwa 60 Prozent der nicht erwerbstätigen Ukrainer nehmen laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) derzeit an solchen Kursen teil. Sie dauern meist ein halbes Jahr oder länger.

Bei den Betroffenen stößt das nur begrenzt auf Verständnis. In einem Gastbeitrag für Focus online schrieb kürzlich ein Ukrainer: „Ich habe viele Versuche unternommen, mich auf Stellen zu bewerben. Aber ich wurde überall abgelehnt. Der Grund: Ich bräuchte, so hieß es immer, eine entsprechende Genehmigung, eine Ausbildung oder ein Zertifikat. Einer meiner Wünsche war es zum Beispiel, für ein städtisches Verkehrsunternehmen als Fahrer zu arbeiten. Und die entsprechende Ausbildung in diesem Unternehmen zu bekommen. Ich habe drei Bewerbungen geschrieben, auf die ich jeweils eine Ablehnung erhalten habe.“ 

In den Ländern, in denen es schneller mit der Integration der Ukrainer in den heimischen Arbeitsmarkt geht, bewährt sich das One-Stop-Verfahren. Das heißt, der gesamte Prozess der Aufnahme – vom Rechtsstatus bis zur Arbeitserlaubnis – wird in einem Schritt erledigt. So hatten in Tschechien einen Monat nach der russischen Invasion bereits 200.000 ukrainische Flüchtlinge eine Arbeitsgenehmigung erhalten. In den Niederlanden genügte zunächst die Anmeldung in der zuständigen Gemeinde,

In keinem europäischen Land ist es laut der Studie allerdings bisher gelungen, die gute Ausbildung der Ukrainerinnen fruchtbar zu machen. Zumeist arbeiten sie im Niedriglohnsektor. Obwohl Ärzte und Krankenpfleger fehlen, blieben diese Berufskompetenzen weitgehend ungenutzt. Dabei gehe es immerhin um sieben Prozent der Flüchtlinge, europaweit also um etwa 50.000 ausgebildete Gesundheitsfachkräfte.

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